Saarländisches Staatstheater „Es ist mein Blut, es ist meine Musik“

Saarbrücken · Der Chef des Staatsorchesters brennt darauf, am 31. Mai Gounods „Faust“ zu dirigieren – ein „europäisches Werk“, wie er sagt.

 Unübersehbar: Sébastien Rouland, der neue Generalmusikdirektor des Staatsorchesters, ist mittlerweile in Saarbrücken angekommen.

Unübersehbar: Sébastien Rouland, der neue Generalmusikdirektor des Staatsorchesters, ist mittlerweile in Saarbrücken angekommen.

Foto: Andrea Kremper/SST/ANDREA KREMPER

Seine erste Saison als Generalmusikdirektor am Saarländischen Staatstheater neigt sich für Sébastien Rouland jetzt dem Ende zu. Der französische Dirigent hat sich in Saarbrücken gut etabliert, das Konzert- und Opern-Publikum etwa mit einer glänzenden „Médée/Medea“ beeindruckt. Nun steht am 31. Mai  Gounods „Faust“ an, die letzte Opernproduktion dieser Spielzeit. Wie sprachen mit dem 46-Jährigen über seinen Start im Saarland.

Der erste Eindruck der Zusammenarbeit mit dem Staatsorchester hat sich nach einigen Konzerten und auch Opernproduktionen mittlerweile gesetzt. Wie charakterisieren Sie Ihr Orchester jetzt?

ROULAND Zuerst habe ich das Gefühl, dass diese Musiker eine sehr positive Arbeitseinstellung haben. Sie wollen viel machen. Sie haben Lust auf die Arbeit, sie wollen besser klingen, sich verbessern.

Sie betonen das so. Unterscheidet sich das Staatsorchester da merklich von anderen Orchestern?

ROULAND Es ist leider nicht immer so, dass die Arbeitsatmosphäre so fokussiert ist und auch so einfach ist.

Wo sehen Sie Anlass, etwas zu ändern? Wo würden Sie gerne eine andere Richtung einschlagen?

ROULAND Ich bin glücklich, weil wir so viel französische Musik spielen, und diese Art von Klang kann man sicher noch mit dem Orchester verbessern. Sie spielen natürlich sehr gerne das deutsche Repertoire. Aber wir haben mit „Guillaume Tell“ bereits angefangen, an diesem französischen Klang zu arbeiten, und es geht in diese Richtung. Wir legen mehr Wert auf bestimmte Phrasierungen, diesen hellen Klang, diese Raffinesse des französischen Klangs.

Wird sich dieser französische Akzent auch im Repertoire noch stärker niederschlagen?

ROULAND Ja, aber ich versuche, das im Repertoire auszubalancieren. Ich will selbstverständlich nicht nur französische Musik im Spielplan haben. Wir werden in der nächsten Saison auch eine Beethoven- und eine Mahler-Sinfonie, das Brahms-Doppelkonzert und meine geliebte dritte Sinfonie von Camille Saint-Saëns machen...

Die Orgelsinfonie; wie machen Sie das mit der Orgel in der Congresshalle, dort gibt es ja keine...

ROULAND Mit einer elektronischen Orgel, aber der Klang ist wunderbar und ganz authentisch, man merkt es nicht. Und die Orgel-Partie ist nicht so riesig, dass man dafür unbedingt eine akustische Orgel braucht.

Wie zufrieden sind Sie mit der Congresshalle als Konzertsaal?

ROULAND Der Klang ist sehr interessant. Manchmal kommt der Hall sehr direkt und zu massiv, für die Balance ist das schwierig. Aber das Orchester spielt ja schon lange dort, die Musiker kennen die Situation. Im Grunde gefällt es mir gut, dort zu spielen. Die Akustik ist sehr definiert, und gerade bei französischer Musik ist das sehr wichtig, dass man jede Nuance hört.

Jetzt arbeiten Sie aber auch auf Wagner, auf einen „Ring“ hin. Im April 2020 soll es mit dem „Rheingold“ beginnen. Wird es dann auch mal einen kompletten „Ring“ in einer Woche geben?

ROULAND Es wäre toll, das zu machen. Ich selbst muss dann natürlich körperlich sehr fit sein (lacht), um das zu schaffen. Aber es gibt Zuschauer, die quasi nur für den „Ring“ leben, und so kämen sicher auch mal ganz andere Gäste als üblicherweise nach Saarbrücken.

Welche Schritte machen Sie mit dem Orchester, um es für den „Ring“ zu präparieren?

ROULAND Eine der ersten Opern, die ich  dirigiert habe, war der „Fliegende Holländer“. Und der „Holländer“ orientiert sich – für meinen Geschmack – noch mehr an der italienischen und französischen Musik. Wagner hat die Oper ja auch in Paris komponiert. Und es ist eine perfekte Mischung: eine italienische Art von Melodie und die französische Art von Harmonie, dazu diese typisch deutsche Farbe, die  Wagner gefunden hat. Und all das, das Libretto und die Musik zusammen zu bringen, das ist genau mein Element. Vielleicht kann ich als Franzose auch beim „Ring“ noch etwas mehr Leichtigkeit, schnellere Tempi hineinbringen.

Schätzen Sie eigentlich Christian Thielemanns Interpretationen?

ROULAND Unglaublich, was er macht, aber es ist nicht mein Stil. Ich habe mehr Pierre Boulez’ Arbeiten im Kopf.  

Er hat ja mit dem „Jahrhundert­ring“ in Bayreuth große Spuren hinterlassen...

ROULAND Ja, und dieser „Ring“ ist ein so monumentales Werk, man kann quasi alles darin finden. Es gibt keinen Dirigenten, der nicht davon träumt, ihn zu dirigieren.

Aber es gibt doch Dirigenten, die sich mit Wagner schwer tun, viel Respekt davor haben.

ROULAND Wenn Respekt dann heißt, man will es nicht versuchen, dann ist es nicht Respekt, sondern Angst.

Ihre nächste Oper, „Faust“, ist auch eine Art Melange, ein urdeutscher Stoff, dem sich ein französischer Komponist gewidmet hat. Spürt man Ihrer Meinung nach beide Kulturen – oder ist es vielleicht sogar etwas eine europäische Oper?

ROULAND  Es ist wirklich ein europäisches Werk, eine perfekte Mischung zwischen deutschem Sturm und Drang und der Poesie französischer Musik. Es ist keine Überraschung, dass „Faust“ heute noch so viel gespielt wird.  

Was schätzen Sie an dieser Oper?

ROULAND Es ist mein Blut, es ist meine Musik. Einerseits wirkt die Musik einfach und klar, aber sie ist auch delikat, sehr fein strukturiert und unglaublich klug gemacht, voller Ideen.

Sind Sie ein Dirigent, der auch Einfluss nimmt auf die Regie?

Rouland Ich bin grundsätzlich voller Respekt vor der Arbeit eines Regisseurs. Deswegen verstehe ich mich auch als Operndirigent, das ist wirklich ein eigener Beruf. Ich bin sicher auch bereit zu Kompromissen, wenn es sinnvoll ist für eine Produktion. Aber ich hasse es, wenn es permanent Konflikte gibt zwischen dem Ego des Regisseurs und dem Ego des Dirigenten. Man verliert damit so viel Energie.

Würden Sie mit einem Regisseur zusammenarbeiten, der keine Partitur lesen kann?

ROULAND Das muss ich ja ständig tun. Trotzdem ist es so, dass in 90 Prozent der Zeit Dirigenten und Regisseure gut zusammenarbeiten.

In Ihrer Heimat Frankreich verzichtet man weitgehend auf feste Ensemble in Theatern, stellt die Besetzungen nur für die jeweiligen Produktion zusammen....

ROULAND Das macht mich immer traurig, wenn ich sehe, dass es in Frankreich kaum mehr Ensembles gibt.

Aus Kostengründen versuchen auch manche deutsche Bühnen vom Ensemble-Prinzip wegzukommen. Was halten Sie davon?

ROULAND In Deutschland gibt es 150 Bühnen und 360 Orchester, in Frankreich 14 Opern und 24 Orchester. Punkt, mehr muss man nicht sagen.

Ihr Vorgänger, Nicholas Milton, hat hier auch erfolgreich neue Formen ausprobiert – etwa mit dem „artist in focus“, also einem Komponisten oder Interpreten einen Schwerpunkt gewidmet. Was haben Sie vor?

ROULAND Ich würde gerne einen Wettbewerb hier einrichten für Sänger, Instrumentalisten, vielleicht auch Komponisten. Gerade für junge Sänger ist es sehr schwierig, eine Chance zu bekommen. Der Preis könnte eine Titelpartie in einer Produktion des Saarländischen Staatstheaters sein, damit könnte man sicher junge Sänger fördern.

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