Saar-DGB legt Rentenbericht 2018 vor Gesetzliche Rente im Land immer weniger wert

Saarbrücken · Der erste Rentenreport des DGB für das Saarland zeigt: Die Kaufkraft der Renten sinkt. Erwerbsminderungsrenten bergen zudem das höchste Armutsrisiko.

 (Symbolbild)

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Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Der erste Rentenbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes für das Saarland zeichnet ein erschreckendes Bild vor allem für die 26 000 erwerbsgeminderten Rentner: Der Großteil von ihnen befand sich 2017 unter der armutsgefährdenden Schwelle von 975 Euro. Das teilten gestern der Vize-Chef des DGB-Bezirks Rheinland-Pfalz Saarland, Eugen Roth (zugleich Saar-SPD-Vize und SPD-Landtagsfraktionsvize), sowie DGB-Saar-Geschäftsführerin Bettina Altesleben (Saar-SPD-Vorstandsmitglied) mit. Altesleben betonte: „Um Altersarmut zu vermeiden, muss das Rentenniveau langfristig angehoben werden.“ Roth erklärte, Deutschland habe „das beste Rentensystem der Welt“. Die Rente dürfe nur nicht „zerschossen“ werden.

Die Bundes-SPD und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatten sich vor wenigen Tagen für eine so genannte „Respekt-Rente“ ausgesprochen, die vor allem Frauen nach 40 Berufsjahren in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit Hilfe von Steuermitteln aus der Altersarmut helfen soll. Dabei sollen eventuelle Sparguthaben nicht angerechnet werden. Die SZ-Frage, ob es sich um einen gemeinsamen Rentenvorstoß von DGB und SPD handele, verneinten beide sozialdemokratischen DGB-Bosse. „Der DGB war schon vor der SPD glaubensecht“, sagte Roth. Altesleben betonte, es müsse zuvor geklärt werden, was die Aufgabe der Rentenversicherung und was eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Roth erklärte, dass sich die SPD bisher einer Anhebung des allgemeinen Rentenniveaus auf 50 Prozent der vorherigen Erwerbsbezüge und einer Anhebung des Rentenbeitragssatzes auf 22 Prozent, wie der DGB es fordere, verweigert habe. Er bekannte, dass er „nahe dran sei an den Rentenforderungen der Linken“. Die Linkspartei will das deutsche Rentenystem am österreichischen orientieren. Dort muss jedermann in die Rentenkasse einzahlen, so dass die österreichischen Rentner im Vergleich zu den deutschen eine durchschnittlich doppelt so hohe Rente beziehen.

Roth beklagte, dass jetzt schon absehbar sei, dass viele Menschen mit ihrer Rente künftig nicht mehr auskommen werden. Die Rentenabsenkung mit der zeitgleichen Einführung der Riesterrente durch die rot-grüne Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei „krachend gescheitert“, sagte Roth.

 Bezug von Altersrente im Saarland

Bezug von Altersrente im Saarland

Foto: SZ/Müller, Astrid

Altesleben lobte dagegen die Einführung der Mütterrente, ein Projekt der CDU/CSU, 2014. „Dadurch haben viele Frauen im Saarland erstmals eine eigene Rente erhalten“, sagte Altesleben. Eine Rentnerin habe ihr nach einer Rentenberatung einen Blumenstrauß vor die Tür gelegt, obwohl sie die Annahme abgelehnt habe. Die Frau habe jedoch insistiert und gesagt: „Ich habe jetzt dank Ihnen erstmals eigenes Geld erhalten. Was ich damit mache, entscheide ich ganz allein.“

Doch für Romantik bietet der erste Saar-DGB-Rentenreport keinen Anlass. Denn die durchschnittliche Eingangsrente betrug 2017 im Saarland für Männer 1244,79 Euro und für Frauen nur 531,62 Euro. Das sei zwar nominal mehr als im Jahr 2000, real sei jedoch ein Kaufkraftverlust zu verzeichnen, hieß es. Das Plus von 116 Euro bei den männlichen Bestandsrentnern von 2000 bis 2017 relativiere sich angesichts eines Kaufkraftverlustes von mehr als 20 Prozent in diesem Zeitraum. Auch bei den Erwerbsminderungsrentnerinnen, die aufgrund von Krankheiten früher Rente beziehen müssen, habe sich ein zweistelliger Minusbetrag in den 17 Jahren ergeben. Noch gravierender ist demnach die Lage bei den Erwerbsminderungsrentnern. Deren Eingangsrente ist von 923,88 Euro im Jahr 2000 auf 826,66 Euro im Durchschnitt gesunken. Im Saarland beziehen nach den Daten der Deutschen Rentenversicherung, die Grundlage des DGB-Rentenberichts sind, 26 000 Rentner von insgesamt 300 000 eine Erwerbsminderungsrente. Hauptursache dafür seien inzwischen psychische Erkrankungen. 45 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer scheiden deshalb früher als geplant aus dem Erwerbsleben aus. „Aufgrund von Schamgefühlen, Unwissenheit, Angst vor Auseinandersetzungen mit Behörden oder Befürchtungen eines Rück­griffes auf unterhaltspflichtige Kinder kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl der Anspruchsberechtigten deutlich über den offiziellen Angaben liegt“, schreiben die Autoren des Saar-Rentenberichts. 74 Prozent der Frauen und 61 Prozent der Männer mit Erwerbsminderungsrenten bleiben mit Beträgen bis zu 900 Euro „unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle“.

Auch bei den Frauen sei die Lage prekär. Mit 585 Euro monatlicher Rente im Durchschnitt im Jahr 2017 habe sich die Frauenrente zwar seit 2000 um 53 Euro erhöht. Doch die Zunahme der Billigjobs, erzwungener Teilzeitbeschäftigung und der großen Lohnlücke zu den Männern verzögere den positiven Trend, dass die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen steige. Die niedrigsten Altersrenten für Frauen wurden im dörflich strukturierten Landkreis St. Wendel mit durchschnittlich 545 Euro registriert. Dagegen bekamen die Rentnerinnen im Saarpfalz-Kreis 636 Euro. Die Rentner im Kreis St. Wendel standen mit durchschnittlich 1191 Euro monatlich gegenüber den Rentnern im Regionalverband mit 1095 Euro vergleichsweise am besten da.

Der Saar-SPD-Vize und DGB-Vize Rheinland-Pfalz/Saarland Roth erklärte, eine zu starke Umstellung der Rente auf eine Finanzierung durch Steuermittel sei nicht der richtige Weg. „Dann kommt irgendwann Christian Lindner an die Regierung und putzt das wieder weg“, sagte Roth mit Blick auf den FDP-Chef.

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