Müller sieht Land auf gutem WegSPD und Linke: Kein Konzept für die Zukunft des Saarlandes

Saarbrücken. Peter Müller bringt es nach wenigen Minuten auf den Punkt: "Das Land ist mit Jamaika auf einem guten Weg", bilanziert er

Saarbrücken. Peter Müller bringt es nach wenigen Minuten auf den Punkt: "Das Land ist mit Jamaika auf einem guten Weg", bilanziert er. Doch zuvor teilt der Ministerpräsident noch einen kleinen Seitenhieb auf die Kritiker aus, die dieser bundesweit einmaligen Polit-Allianz vor einem Jahr wenig Zukunftschancen einräumten: Wer geglaubt habe, diese Veranstaltung sei bereits nach wenigen Wochen zu Ende, müsse sich eines Besseren belehren lassen. Punktum.

Großer Medienauftrieb herrscht gestern Mittag in der Staatskanzlei, obwohl die Journalisten kaum Neuigkeiten erwarten. Zu viel ist über Wohl und Wehe der Jamaika-Koalition bereits in den vergangenen Wochen berichtet worden. Spekuliert wird unter den Journalisten vielmehr über die Sonntagsfrage im Saarland-Trend von Infratest Dimap und SR. Die Ergebnisse werden am Abend veröffentlicht.

Von den Parteispitzen ist dazu nichts zu hören. Müller unterstreicht in aller Gelassenheit die Funktionsfähigkeit der Koalition. Sie habe bewiesen, im Land Politik gestalten zu können. Er bekräftigt die im Koalitionsvertrag festgelegte Priorität für Bildung. Und dabei werde es bleiben. "Wir sind dabei, das Land Schritt für Schritt nach vorn zu bringen - ökologisch, ökonomisch und sozial."

Wirtschaftsminister Christoph Hartmann, der als FDP-Landeschef gegenwärtig eher mit internen Querelen zu kämpfen hat, hebt das "gemeinsame Miteinander" der Jamaikaner hervor. Auch in der Wirtschaftspolitik habe die Landesregierung Handlungsfähigkeit bewiesen, urteilt er mit Hinweis auf das jüngste überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum im Saarland. Und er vergisst in seiner Leistungsbilanz nicht die zusätzliche zweistellige Millionen-Spritze für die Hochschulen. Ja, die "substanzielle Politik" von Jamaika könne sich sehen lassen, befindet der Chef-Liberale. Diese Politik sei allerdings in den vergangenen Wochen von Dingen überlagert worden, die für die Lebenswirklichkeit der Menschen keine Rolle spielten.

Die Grünen sind gleich mit ihren zwei Spitzen vertreten, Hubert Ulrich und Claudia Willger-Lambert. Der Koalitionsvertrag werde trotz schwieriger Rahmenbedingungen konsequent umgesetzt, befinden beide. Ulrich sieht den Wegfall der Studiengebühren, den Nichtraucherschutz, die erneuerbaren Energien und die Bildungspolitik als grüne Pluspunkte im schwarz-gelb-grünen Bündnis. Saarbrücken. Für SPD-Landeschef Heiko Maas steht fest: Das Saarland wird nicht regiert, die Jamaika-Koalition ist vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Auf diesen Nenner bringt der Politiker seine Analyse nach zwölf Monaten schwarz-gelb-grüner Landesregierung. Und er legt nach: Der Ministerpräsident sei auf der Flucht, die CDU beschäftige sich mit seiner Nachfolge, die FDP zerlege sich selbst und von den Grünen sei immer weniger zu hören.

Der Regierung gelinge es nicht, der Bevölkerung ein Bild davon zu vermitteln, wohin sie das Land und die Menschen führen will, kritisiert Maas im SZ-Gespräch. Das Machen erschöpfe sich - das sei die breite Meinung in der Bevölkerung - "in einer großen Versorgungsorgie von Parteigängern". Da falle es schwer zu glauben, dass "diese Leute, die in erster Linie ein Interesse an der Selbstversorgung haben, in der Lage sind, die herausragenden Probleme des Landes zu lösen".

Maas vermisst bei den Jamaikanern eine "klare Linie", wie das Land aus seiner Haushalts-Notlage geführt werden kann. Er räumt ein, "keine einfache Situation, wer immer regiert". Doch "wer zwölf Monate lang sich selbst versorgt", dem fehle jegliche "moralische Legitimität", andere zum Sparen anzuhalten, wirft er dem Bündnis vor. Maas klagt über den "Strukturwandel, der völlig zum Erliegen gekommen ist". Es gebe keinen Plan, kein Konzept, wo die Landesregierung investieren würde, um Innovationen zu fördern wie beispielsweise die SPD in der 90er Jahren mit der Informatik, um neue Wirtschaftszweige zu erschließen.

Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine wirft der Jamaika-Koalition in der Wirtschafts- und Finanzpolitik Konzeptionslosigkeit vor. Die "Unbedarftheit" der Landesregierung auf dem Wirtschaftssektor sei "mit Händen zu greifen".

Als Beispiele nannte er gegenüber der SZ die ungelöste Zukunft von Saargummi und Halberg Guss. Die Landesregierung sehe nicht ein, dass man solche Betriebe nicht "Heuschrecken" überlassen dürfe. Lafontaine plädierte für Belegschafts- und Landesbeteiligungen. Saarstahl ist für ihn ein "Musterbeispiel, wie durch eine rechtzeitige Beteiligung des Landes die Zukunft eines Betriebes gesichert werden kann". Beim Thema Finanzen beklagte er, dass es den Jamaikanern nicht gelungen sei, die "stürmisch anwachsende Verschuldung zu stoppen". Die Koalition gefährde die Selbstständigkeit des Saarlandes. Das Sparpaket im Haushaltsentwurf 2011 bezeichnete Lafontaine als "sozial unausgewogen". Bei den einfachen Bediensteten werde gespart, während sich die Regierungskoalition "bei der Versorgung der eigenen Parteifreunde von niemandem übertreffen lässt".

Nach Ansicht von Oskar Lafontaine ist Jamaika bereits unter schlechten Vorzeichen gestartet. Der FDP-Politiker Hartmut Ostermann habe die Grünen "gekauft". Die Koalition sei, wie es der Politikwissenschaftler von Arnim formuliert habe, von Anfang an von "einem Hauch von Korruption" umweht worden. gp

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