Die Bühne ist sein Zuhause

Merzig · Am Freitag, 20. November, kommt der aus den Niederlandern stammende Kabarettist Philip Simon im Rahmen des Kabarettfestivals im Saarschleifenland nach Merzig in die Stadthalle. SZ-Redaktionsmitglied Michael Aubert hat mit Simon vor seinem Gastspiel in der Kreisstadt gesprochen.

 Kommt bald nach Merzig: Kabarettist Philip Simon. Foto: VA

Kommt bald nach Merzig: Kabarettist Philip Simon. Foto: VA

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Herr Simon, wo sind Sie gerade? Sitzen Sie bequem?

Philip Simon: Ich bin zu Hause auf dem Balkon - rauchen.

Sie haben ja überhaupt keinen Akzent?

Simon: Schon lange nicht mehr. Ich bin ja seit über 30 Jahren in Deutschland, und den Akzent habe ich im Sommer 2014 abgelegt. Ich habe ihn zum Schluss nur noch als Stilmittel benutzt, weil ich dachte, dass es ein gutes Vehikel sei, Inhalte rüber zu bringen. Man hat ja bei dem Akzent immer das Gefühl, da spricht ein besoffener Westfale. Es hat ja ein bisschen etwas Kindliches. Das war für mich immer der Wolf im Schafspelz. Aber inzwischen möchte ich den Schafspelz nicht mehr.

Sie machen Radio, Fernsehen , stehen auf der Bühne? Was ist Ihr liebstes Element?

Simon: Ich mache eigentlich alles, wo ich ich selbst sein kann. Aber die Bühne ist natürlich nach wie vor das gefühlte Zuhause. Der Ort, wo ich mein Handeln am besten steuern kann. Beim Fernsehen ist man immer abhängig von Redakteuren, Sendungen und Formaten. Auf der Bühne bestimme ich das Format, die Form, die Aussage und das Tempo. Das ist für mich die ursprünglichste Form. Die, die mir am nächsten liegt.

Wo würden Sie sich einordnen? Sind Sie Polit-Kabarettist?

Simon: Ich sehe mich vor allem als Mensch, der seine Umwelt reflektiert, und das auf jede erdenkliche Art und Weise. Ich spreche über Flüchtlinge , über alle Themen, die mir wichtig sind. Das können banale Dinge sein, inhaltliche oder auch mal philisophische. Da kann es einmal um die Definition Stuhl gehen und im nächsten Moment sind es die Botox-Lippen von den Charity-Ladies, die mir immer häufiger auffallen und mich an entzündete Arschlöcher erinnern. Diese Bandbreite habe ich für mich. Alles, was für mich Leben ist, bringe ich auf die Bühne. Ich setze mich da ungern unter eine Glocke. Wenn ich sage, ich bin Kabarettist, dürfte ich ja nur noch über gesellschaftliche Themen sprechen. Aber manchmal interessiert mich auch ein schönes Zauberkunststück. Das verbindet sich alles. Das Leben ist meine Bühne.

Gab es mal eine schwarze Stunde in Ihrem Bühnenleben, einen Albtraum?

Simon: Nein, habe ich noch nie erlebt. Aber in meinem Programm gibt es natürlich Textpassagen, die geschrieben sind und die ich für mich als Säulen benutze. Zwischendurch sinniere ich vor mich hin und überlege mir, warum zum Beispiel aus der CSU die unchristliche Union geworden ist und warum gerade die Bayern, die ja mit zum wirtschaftlichen Rückgrat der Nation gehören und so strukturstark sind, warum gerade die so viel Angst vor Flüchtlingen haben.

Haben Sie persönlich Ängste ?

Simon: Ängste hab ich nicht. Ich hab' die Sorge, dass das Stimmenmeer derer, die die Angst verpflanzen, zu groß wird. Das ist eine Sorge. Deshalb finde ich, in der heutigen Zeit sind Kabarettisten und Comedians stärker gefordert als je zuvor. Um den Leuten zu sagen: ‚Wir leben in einer starken und sicheren Demokratie. Wir müssen keine Angst um unseren Wohlstand haben.' Wenn wir mit drei Autos vor der Haustüre parken, was gibt es da zu verlieren? Wenn eine Million Flüchtlinge kommen, wissen wir alle: Wir sind hier 80 Millionen, das ist alles zu leisten. Die Angst muss man den Leuten nehmen. Das ist doch eine Chance, die wir haben. Es kommen ganz viele Menschen, die wollen etwas und wenn wir denen das richtige Handwerkszeug in die Hand geben, werden wir alle davon profitieren. Wir brauchen keine Ängste schüren, wenn wir uns um die Leute kümmern und gucken, dass sie Teil der Gesellschaft werden.

Das klingt jetzt aber doch alles sehr politisch?

Simon: (lacht) Da kann ich eben nicht aus meiner Haut.

Es ist ein schweres Thema. Wie schaffen Sie es, dieses Thema unterhaltsam oder sogar lustig zu verpacken?

Simon: Das muss es ja gar nicht. Da gibt es auch nichts zu lachen. Das kann man erklären, und danach gibt es ja auch wieder Momente, die leichter sind. Ich spiele ja ganz bewusst damit. Dass ich Sachen über eine längere Passage erkläre und danach plötzlich über die Botox-Lippen von Charity-Ladies philosophiere und die Leute lachen und wir merken: Mensch, wie schnell man die Flüchtlinge wieder vergisst. Das ist ja menschlich.

Sie wollen also gar nicht immer auf einen Lacher hinaus?

Simon: Nein. Nur, wenn sich ein Bild anbietet, oder man was Schönes findet. Die humoristischen Zwischentöne gibt es natürlich immer wieder, aber die sollen nicht vom Inhalt ablenken.

Sie sprechen vor allem über aktuelle Themen. Ihr Programm ist aber von 2011. Wie funktioniert das?

Simon: Wenn man das Programm mit dem vergleicht, was ich 2011 gemacht habe, sind 70 Prozent neu. Das hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Am Anfang war das, was ich kabarettistisch gemacht habe, auch eher personenbezogen. Ich habe aber festgestellt, dass ich so nicht weiter komme. Also interessieren mich inzwischen Themen, die dahinter stecken, Themen und Begrifflichkeiten wie "Freiheit", und was das für meine Generation bedeutet.

Ihr Programm ist also ein stetiger Prozess?

Simon: Immer. Soloprogramm ist immer Therapie und Kampf.

Sie haben mit "Ende der Schonzeit" zwei Preise abgeräumt, den Jurypreis des Prix Pantheon und den Publikumspreis des Großen Kleinkunstfestivals der Wühlmäuse. . .

Simon: (lacht)

Ist Ihnen das nicht wichtig?

Simon: Nein. Weil sie nichts über die Qualität des Programms aussagen, sondern immer nur eine Momentaufnahme sind. Es ist ja ein Wettbewerb und an dem Tag war ich für die Leute, die da in der Jury saßen, derjenige, der das vielleicht am besten verpackt hat.

Sind diese Preise nicht immer für irgendwas gut?

Simon: So ein Preis hat vielleicht den Vorteil, dass man ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt, aber das sagt nichts darüber, wie gut ich bin. Die Frage stellt sich für mich aber ohnehin nicht. Ich versuche das, was ich denke und woran ich glaube, in eine Form zu pressen, die mir entspricht. Das ist die eigentliche Aufgabe. Der eine macht es mit Klaviermusik, der andere, indem er einen Vortrag hält, der andere macht Witze dabei. Da gibt es keine falsche Farbe und da gibt auch keine Farbe, die besser ist oder schlechter. Warum auch. Solange Leute Freude daran haben oder ein Interesse sich das anzuschauen, bin ich zufrieden.

Wenn Sie am liebsten auf der Bühne stehen, warum dann überhaupt Fernsehen ?

Simon: Fernsehen war eigentlich schon immer irgendwie ein Hobby. Mir hat das einfach Spaß gemacht, mal Sachen zu machen, die nicht mit schweren Themen zu tun haben, sondern zum Beispiel nur mit einer Tortenschlacht. Weil das für mich zum Leben dazugehört. Ich kann ja nicht den ganzen Tag durch die Gegend rennen und kurz vor der Verzweiflung sein. Man braucht auch die leichten Momente, und für die ist Fernsehen eine schöne Bühne gewesen. Für mich sind das alles Plattformen und Spielformen - ich bin eigentlich ein Spielkind. Ich würde auch Spaß daran haben, eine Familien-Spiel-Show zu machen. Das eine verbietet das andere ja nicht. Wenn man Menschen unterhält und die Spaß haben dann entsteht da auch wieder was Positives.

Inwiefern?

Simon: Das festigt Beziehungen und Strukturen. Das ist ein positives Erlebnis. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die den ganzen Tag sagen ‚Die Welt ist in einem schrecklichen Zustand', sondern ich finde da eher treffend, was der schottische Kollege Billy Connolly sagte. Von ihm stammt das schöne Zitat: ‚Ja, die Welt ist in einem schrecklichen Zustand, aber das ist kein Grund nicht zu bumsen.' Ich finde, das bringt es auf den Punkt und so sehe ich meine Arbeit auch.

Gibt es denn Kollegen, mit denen Sie gerne in einer Reihe genannt werden?

Simon: Nein. Erstens, weil mich die Arbeit von anderen nicht so wahnsinnig interessiert. Ich guck mir relativ wenig an, weil ich auch mit meinem eigenen Zeug beschäftigt bin und zweitens gilt da das gleiche wie bei den Wettbewerben. Da hat jede Farbe seine Berechtigung. Von Georg Schramm bis Mario Barth haben alle ihre Aufgabe erfüllt. Am Ende des Tages bleibt Kabarett eine Form der Unterhaltung. Alles was die Leute begeistert, ist grundsätzlich erst mal nicht falsch. Selbst das, was die Leute nicht begeistert ist nicht falsch. Das ist wie beim Musikhören. Je nach Stimmung such ich mir auch das entsprechende Stück aus. Etwas, was mich inspiriert oder etwas, das mich antreibt. Manchmal sitze ich auf der A3 im Stau und höre "1live".

Passiert Ihnen das wirklich?

Simon: (lacht) Und nicht zu knapp.

Sind Sie viel unterwegs?

Simon: Ja. Im Moment bin ich aber mehr zuhause. Früher hab ich in Berlin gelebt, jetzt in Köln. Das ist einfach etwas verkehrsgünstiger als Start- und Landeplatz, weil man öfter zuhause schlafen kann.

Ist Ihnen das wichtig?

Simon: Ja. Das hat aber glaube ich auch was mit dem Alter zu tun. Es gibt sicher eine Zeit, in der man Reisen toll findet. Aber je älter man wird, desto lieber schläft man im eigenen Bett.

Wissen Sie wann ist ihr nächster Auftritt ist?

Simon: Nein. Nächste Woche nicht, das weiß ich. Ich bin jetzt erst mal eine Woche in den Niederlanden, um das neue Programm fertig zu schreiben.

Sie arbeiten auch in den Niederlanden?

Simon: Nein. Das wäre eine komplett neue Aufgabe. Ich spreche natürlich niederländisch, aber der Sprachhumor ist doch ein anderer. Und das spannende beim Kabarett ist ja, die Bilder umzubauen und aus dem ganzen Reservoir der Sprache zu schöpfen. In den Niederlanden bin ich nur zum Schreiben, Texte und neue Gedanken zu entwickeln und Abstand zu gewinnen, Zeit für Muse zu haben. Das ist ja auch die Aufgabe von Künstlern und Kabarettisten . Immer wieder einen Blick auf die Gesellschaft zu bekommen und die Beobachtungen der Gesellschaft mitzuteilen - zumindest denen, die es interessiert.

Haben Sie diesbezüglich feste Zeiten eingeplant oder machen Sie das nach Gefühl?

Simon: Im Februar haben wir Premiere mit dem neuen Programm. Jetzt habe ich also öfter Zeit dafür, aber das ist einfach der Situation geschuldet, dass es fertig werden muss.

Worauf dürfen wir uns in der Villa Fuchs in Merzig freuen?

Simon: Es ist einer der letzten Termine mit "Ende der Schonzeit". Ich habe mit Ava Maude eine Sängerin dabei, die zu Beginn und zum Ende singt. Es wird gelacht, es wird auch Momente geben, wo man den Tränen nahe ist - es wird ein Querschnitt durchs Leben, durch mein Leben.

Karten für das Gastspiel von Philip Simon in der Stadthalle Merzig gibt es zum Preis von 26 Euro an allen Ticket-Regional-Vorverkaufsstellen sowie beim Kreis-Kulturzentrum Villa Fuchs in Merzig, Telefonnummer (0 68 61) 9 36 70, oder im Internet:

villa-fuchs.de

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Zur personPhilip Simon wurde 1976 in den Niederlanden geboren. Er studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie an der nordrhein-westfälischen Universität Essen. Schon während seines Studiums sammelte er erste Bühnenerfahrung und wurde als Conférencier im Varieté schnell zu einer festen Größe in der deutschen Varieté-Szene. 2009 präsentierte er augenzwinkernd ironisch mit "Abschiedstournee" seine erste Solo-Show. 2011 folgte die zweite Kabarett-Solo-Show "Ende der Schonzeit", Simon wurde dafür mit dem Jurypreis des Prix Pantheon und dem Publikumspreis des Großen Kleinkunstfestivals der Wühlmäuse (Schirmherr Dieter Hallervorden ) ausgezeichnet. Von 2012 bis 2014 moderierte er verschiedene Kabarettformate auf dem Spartensender ZDFneo. Simon ist auch in anderen Kabarettformaten wie "Mitternachtsspitzen" oder "Die Anstalt" zu Gast. Er lebt in Köln und auf der niederländischen Nordseeinsel Texel. (Quelle: Wikipedia )

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