Landtagswahl 2022 im Saarland „Die SPD muss sich auch bei Oskar bedanken“: Warum Anke Rehlinger die Wahl im Saarland klar gewonnen hat

Saarbrücken · 43,5 Prozent für die SPD, 28,5 für die CDU. Dieser Wahlsieg ist für die Partei ein historischer Sieg. Was die Spitzenkandidatin und kommende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger bei der Party in der Garage dazu sagt.

Echte Saarlandliebe: Anke Rehlinger zeigt ihre Freude über den Wahlsieg und dankt ihren Parteifreunden.

Echte Saarlandliebe: Anke Rehlinger zeigt ihre Freude über den Wahlsieg und dankt ihren Parteifreunden.

Foto: BeckerBredel

Manchmal ist Politik wie Fußball. Als der rote Balken am Sonntag um 18 Uhr auf der Leinwand nach oben schnellt, als 43 Prozent in großen Lettern unter den Buchstaben SPD stehen, ist der Jubel in der Saarbrücker Garage so echt, wie bei Fans des 1. FC Saarbrücken nach einem 5:0-Derby-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern – auswärts: Emotionen in Reinkultur, sich umarmende Menschen, Jubelschreie, aber auch stille Momente mit Tränen der Freude in den Augen sind in der Veranstaltungshalle in der Bleichstraße zu beobachten. Manche singen das Steiger-Lied. Anke Rehlinger und die SPD haben es geschafft: Sie haben nach 23 Jahren CDU-Regierung eine Landtagswahl gegen die CDU gewinnen können. Deren Balken bleibt bei 27,5 Prozent kleben. Anke Rehlinger wird neue Ministerpräsidentin des Saarlandes sein. Ein Erdrutschsieg. Die SPD kann – Stand 18.01 Uhr –  alleine regieren. 26 Sitze sind die Mehrheit in dem 51 Sitze zählenden Landtag.

 „Anke, Anke, Anke“, skandieren die SPDler in der Garage. Darunter Reinhard Klimmt. Der bisher letzte SPD-Ministerpräsident verlor 1999 gegen Peter Müller (mit 44,5 gegen 45,5 Prozent) die Wahl im Saarland  – und wird später Präsident und Aufsichtsratschef beim FCS. „Die Freude ist schon sehr groß“, sagt der 79-Jährige, der seit 1964 in der Partei ist. „Das ist wie ein großer Sieg mit dem Verein. Mit einem großen Unterschied: Dieser Wahlsieg ist mit einer großen Verantwortung für das Saarland verbunden: Nach der Party warten schwierige Aufgaben auf Anke.“ Strukturwandel, Energiewende, Arbeitsplätze sichern, ein Kabinett aufstellen – mit derzeit sechs Ministerien, drei hatte die SPD bisher: „Sie kann das“, sagt Klimmt. „Das wäre ein Luxusproblem, mit dem wir umgehen können“, sagt Jörg Aumann, Neunkirchens Oberbürgermeister. „Das ist ein Ergebnis, das wir mit Demut tragen werden“, sagt Reinhold Jost, derzeit Minister für Umwelt und Verbraucherschutz.

Die „Spielführerin“ der SPD Mannschaft kommt um 18.17 Uhr auf die Bühne, um zu denen zu reden, die für die 45-Jährige Wahlkampf gemacht haben: „Das Saarland hat Rot gewählt. Die Saar SPD hat die Wahl gewonnen. Nach 23 Jahren wieder stärkste Kraft an der Saar. Das ist das Ergebnis harter Arbeit. Wir haben uns das Vertrauen der Bürger ein Stück zurück erkämpft und haben als Partei insgesamt, jeder von euch, Glaubwürdigkeit erarbeitet. Das ist heut belohnt worden“, sagte sie. „Ein großartiges Ergebnis, das ein großer Vertrauensvorschuss ist, ein Auftrag, eine Verpflichtung für die nächsten Jahre, der Auftrag ist, die Regierung anzuführen, es ist mir eine große Ehre, Ministerpräsidentin für euch, für die Saarländerinnen und Saarländer zu werden.“ Wieder Applaus.

Doch wie geht es weiter?  Da es zunächst noch knapp ist, bleibt Rehlinger vorsichtig. Das wichtigste Kriterium sei Stabilität. Doch je später der Abend, desto klarer das Ergebnis: 29 Sitze sind es, laut vorläufigem Endergebnis, für die SPD. Die künftige Ministerpräsidentin braucht keine Koalitionspartner. Eher geht es jetzt um die Frage, wer macht künftig was bei den Genossen? 

 SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon ist extrem gut drauf, er sagt: „Ich habe von Klimmt gelernt, im Wahlkampf musst du laufen, laufen, laufen. Das haben wir getan.“ Für den ehemaligen Außenminister Heiko Maas ist der Sieg der SPD „ein phänomenaler Erfolg“, den die Partei „mit Demut tragen sollte“, sagt er im SR. Doch warum hat die bisherige Vize-Regierungschefin das Derby gegen die CDU so klar gewinnen können?

Um in der Fußballfloskel-Sprache zu bleiben: Sie hat wohl die „konstantere Leistung“ gezeigt als CDU-Konkurrent Tobias Hans. Im Landtag spielt Rehlinger bereits seit 2004 mit. Als sich im Mai 2012 nach der Landtagswahl die schwarz-rote Landesregierung bildet, wird die Mutter eines Sohns zunächst Ministerin für Justiz sowie für Umwelt und Verbraucherschutz, bevor die Juristin 2014 zur Wirtschaftsministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin aufsteigt. Sie verkauft sich gut. Doch das reicht nicht, um 2017 die Wahl gegen Annegret Kramp-Karrenbauer zu gewinnen. Trotz guter Umfragewerte. Die CDU siegt mit 40,7 zu 29,6 Prozent. Das lag damals an der Popularität von AKK, das liegt daran, dass der damalige SPD-Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz in Berlin Fehlpass auf Fehlpass spielt. Auch ist die Linkspartei im Saarland mit 12,85 Prozent damals zu stark, sodass viele aus Angst vor einem rot-roten Doppelpass lieber die CDU wählen. Am Ende kommt es folgerichtig wieder zur großen Koalition.

Doch warum hat es dieses Jahr nun geklappt? „Sie ist als Persönlichkeit erneut gewachsen, hat die richtigen Wahlkampfthemen gesetzt, ist vertrauenswürdig, sie macht einfach gute Politik“, sagt Klimmt. Auch hat sie im Wahlkampf die Rot-Rote-Koalition kategorisch ausgeschlossen. Dazu kommt, dass viele Linke-Wähler wegen der Streitereien in ihrer Partei, wegen des Parteiaustritts von Oskar Lafontaine, zur SPD gewechselt sind. Die Linke steht nur noch bei 2,7 Prozent (18.01 Uhr), scheidet aus dem Landtag aus. „Die SPD muss sich auch bei Oskar bedanken, er hat die Linke zerschreddert“, sagt Klimmt, der damals an Oskars Rücktritt aus der Schröder-Regierung  gescheitert ist. „Die Junge Union hatte sich damals bei Oskar bedankt“, erinnert sich Klimmt an 1999. Nichts dergleichen dieses Jahr: Aus Berlin kommen vor dieser Saarlandwahl-Wahl von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz eher brauchbare denn Fehl-Pässe.

Und: Die Saarländer nehmen Rehlinger ihr Wahlkampfmotto „echte Saarlandliebe“, ihre Bürgernähe und ihren Einsatz für 400 000 Arbeitsplätze ab. Sie hat 2020 nach dem verlorenen Kampf um Halberg-Guß vor den Werkstoren Tränen in den Augen – ohne Tobias Hans. Dessen Schwäche ist sicher auch eine Stärke Rehlingers. Hans fährt das schwächste Ergebnis der Saar-CDU seit 1955 (25,4 Prozent) ein.

Fest steht: Die SPD hat seit dem 16. Oktober 1994 keine Wahl gegen die CDU im Saarland gewinnen können. Und nun dieser Erdrutschsieg. Der letzte Pflichtspielsieg des FCS gegen den FCK liegt übrigens noch länger zurück. Am 5. September 1992 gewinnt der FCS nach zwei Toren von Eric Wynalda mit 2:0 gegen den FCK. „Daran kann ich mich noch gut erinnern“, sagt Klimmt. Das nächste Derby steigt am 17. April – auswärts in Kaiserslautern. „Vielleicht gelingt dem FCS ja auch ein historischer Sieg“, hofft der bisher vorletzte SPD-Ministerpräsident.

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