Streit um Stromsperren im Saarland Armutskonferenz greift Energieversorger wegen Stromsperren an

Saarbrücken · Die Saarländische Armutskonferenz (SAK) greift die Energieversorger wegen anhaltender Stromsperren massiv an. „Mit Bestürzung und Entsetzen müssen wir feststellen, dass trotz aller eindringlichen Appelle von Politik und Gesellschaft, auf Stromsperren zu verzichten, die Energieversorger beharrlich die Gefahren für Leib und Leben von saarländischen Bürgerinnen und Bürgern ignorieren“, sagte Wolfgang Edlinger, Vorsitzender der Armutskonferenz, der SZ.

 Wenn Menschen ihre Stromrechnung nicht bezahlen, droht ihnen in letzter Konsequenz die Abschaltung.

Wenn Menschen ihre Stromrechnung nicht bezahlen, droht ihnen in letzter Konsequenz die Abschaltung.

Foto: dpa/Z1003 Jens Büttner

Nach wie vor wendeten sich verzweifelte Menschen an ihn, die weder ein noch aus wüssten. Ihnen würden durch die Stromsperren auf unabsehbare Zeit elementare Lebensgrundlagen entzogen: Licht, Nahrungszubereitung, Kommunikation – und nicht selten auch eine beheizte Wohnung, betonte Edlinger. „Ich kenne persönlich eine alleinerziehende Mutter, der mit ihren vier Kindern jetzt der Strom abgestellt worden ist“, sagte Edlinger. Derzeit seien etwa 2000 saarländische Haushalte ohne Strom. Die SAK appelliere eindringlich an die Energieversorger, sämtliche Stromsperren noch vor Weihnachten aufzuheben. Mit einem Aussetzen aller Stromsperren bis Ende März 2021 könne die Zeit genutzt werden, mit bereits vorhandenen Instrumenten – wie der „Energiesicherungsstelle“ und dem „Notfallfonds“ – Lösungen zu erarbeiten, um im Saarland Stromsperren endlich komplett zu verhindern, erklärte Edlinger. In der Armutskonferenz engagieren sich Wohlfahrtsverbände, Parteien und die Arbeitskammer.

Marie-Elisabeth Denzer, Sprecherin des Saar-Energieversorgers Ernergis/VSE sagte der SZ: „Bis Ende Januar 2021 hat Energis die Stromsperren ausgesetzt.“ Dies geschehe auf einen Appell hin des Verbandes der kommunalen Unternehmen und des Verbands der Stadtwerke im Saarland, die ein Aussetzen der Stromsperren während des Lockdowns bis zum 10. Januar vorgeschlagen hatten. Edlingers Appell komme zu einem „falschen Zeitpunkt“, sagte Denzer. Energis gehe in Corona-Zeiten mit Stromsperren „so sensibel“ wie irgend möglich um. Der Saarbrücker Stromversorger sperre den Strom nur bei Kunden, „die es auf die Spitze treiben“. Dem gehe ein monatelanger Prozess voraus. Den Kunden würden unter anderem Ratenzahlungen angeboten.

Hinzu komme, dass längst nicht alle Stromsperren in die Verantwortung der saarländischen Stromversorger fielen. Denn es gebe viele Stromkunden, die durch die Freiheit der Wahl des Stromversorgers auch überregionale Versorger hätten. Eine Anfrage der SZ beim zweiten großen Saar-Energieversorger Energie Saar-Lor-Lux blieb am Mittwoch unbeantwortet.

Dagegen sieht es SAK-Chef Edlinger als „besonders enttäuschend, ja skandalös“ an, dass auch die Erklärung von Saar-Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD) vollkommen wirkungslos an den Energieversorgern abgeprallt sei. Jost hatte erklärt: „Grundsätzlich bin ich nach wie vor auch der Auffassung, dass Stromsperren nicht in diese Krisenzeit passen. Wenn wir schon von den Menschen erwarten, ihre sozialen Kontakte einzuschränken und zu Hause zu bleiben, dann darf das Haus oder die Wohnung nicht kalt sein.“

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