Ifo-Studie zur Schulpolitik Die Kleinstaaterei bei der Bildung hat keine Zukunft

Die massive Skepsis der Bürger gegenüber der Bildungshoheit der Länder kann auf Dauer nicht unbeantwortet bleiben. Das jüngste Bildungsbarometer des Ifo-Instituts über die Meinungen im Lande zur Bildung dürfte für die Landespolitiker schwer verdaulich sein, wenn auch nicht unerwartet kommen.

Ifo-Studie zur Schulpolitik: Bürger wollen weniger Förderalismus bei Bildung
Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Corona-Pandemie mit ihren Schulschließungen und den oft sehr ruckeligen Unterrichts-Notprogrammen hat den Bildungsföderalismus nicht beliebter gemacht. Aber schon vorher konnte sich eine Mehrheit mit dem bildungspolitischen Flickenteppich in Deutschland nicht anfreunden. Eine Ursache dafür ist die wachsende Mobilität: Wer von einem Bundesland in ein anderes zieht, sieht sich mit einer ganz neuen Schul-Welt konfrontiert, so als ob er den Nationalstaat gewechselt hätte.

Die massive Skepsis, die in dem Ifo-Barometer gegen die Kleinstaaterei in der Schul- und Hochschulpolitik zum Ausdruck kommt, ist allerdings auch ein herber Schlag für de Föderalismus im Ganzen. Denn würde man die Zuständigkeit der Länder im Kultusbereich abschaffen, bliebe von der Eigenständigkeit nicht mehr viel übrig. Kein Wunder, dass besonders auf ihre Eigenständigkeit bedachte Länder wie Bayern ihre Kulturhoheit mit Zähnen und Klauen verteidigen. Das geht im Falle des Freistaats so weit, dass man lieber die Annahme von Bundesgeldern verweigert, als Berlin über die Hintertür Einlass in die Bildungspolitik zu verschaffen. Aber auch das Saarland, das etwa mit seinem Modell aus achtjährigem Gymnasium und dem gleichwertigen Abi nach neun Jahren an Gemeinschaftsschulen mit eigener Oberstufe ein funktionierendes Modell entwickelt hat, pocht nicht ohne Grund darauf, Bewährtes beizubehalten – und Ruhe an den Schulen zu sichern.

Und dennoch haben die Bürger das kleinstaatlerische Hickhack um die Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und absurde Hindernisse des föderalistischen Systems offensichtlich satt. Den meisten Eltern ist es auch egal, ob ihre Kinder mit dem Zeugnis eines im Ländervergleich besonders anspruchsvoll geltenden Schulsystems ins Leben gehen – wenn sie damit nur das machen können, was sie sich vorgestellt haben, und zwar überall. Die Volksmeinung widerspricht also klar der Verfassungswirklichkeit. Doch daran wird sich schon aus Gründen der Selbstbehauptung der Bundesländer grundsätzlich erst einmal nichts ändern. Getreu dem Gorbatschow-Spruch „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ und der Mahnung von Ex-Bundespräsident Gustav Heinemann „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte“ ist das Stimmungsbarometer aber ein Wink mit dem Zaunpfahl, es mit dem Föderalismus im Bildungsbereich nicht so weiter zu treiben.

Derzeit gibt es wegen der Pandemie noch andere politische Prioritäten. Doch es wird auch wieder eine Zeit nach Corona kommen, in welcher sich eine Partei in der Verantwortung einmal überlegen sollte, ob sie in einem fundamentalen Politikbereich auf Dauer gegen die Mehrheit des Volkes anregieren möchte.

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