Erfolgreiche Klage Saar-Gericht kippt die Corona-Regeln für Geschäfte

Update | Saarbrücken · Im Saarland hat das Oberverwaltungsgericht einen Teil der aktuellen Corona-Beschränkungen für den Einzelhandel außer Kraft gesetzt. Erste Reaktionen auf das Urteil fallen positiv aus.

Gericht im Saarland setzt Corona-Beschränkungen für Einzelhandel aus
Foto: dpa/Britta Pedersen

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat einen Teil der aktuell geltenden Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Betroffen sind die Pflicht zur Terminvergabe und die 40 Quadratmeter-Beschränkungen pro Kunde im Einzelhandel.

Die Corona-Verordnung im Saarland sieht seit dem 6. März vor, dass die Kunden im Einzelhandel nur nach vorheriger Terminvergabe einkaufen dürfen. Außerdem ist nur eine Person sowie eine weitere Person aus dem gleichen Hausstand pro 40 Quadratmeter in den Geschäften zugelassen. Für einige privilegierte Geschäfte wie Buchhandlungen und Blumengeschäfte gelten dagegen andere Regeln: Hier sieht der Gesetzgeber eine Beschränkung von einer Person pro 15 Quadratmetern als infektionsschutzrechtlich unbedenklich an.

Gegen diese Ungleichbehandlung klagte ein Antragsteller aus dem Saarland, der einen Laden für IT-Technik mit 140 Quadratmetern Fläche besitzt, vor dem Oberverwaltungsgericht in Saarlouis (OVG). Und das Gericht hat ihr mit Beschluss vom 9. März Recht gegeben. Mit Blick auf den geltenden Gleichheitssatz gebe es keine Rechtfertigung dafür, dass das Geschäft der Antragsteller anders zu behandeln sei als die privilegierten Geschäfte, so das OVG. Auch die privilegierten Geschäfte seien nicht immer zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung notwendig. Andere Geschäfte aufgrund des Infektionsgeschehens strenger zu behandeln, sei daher nicht begründet.

Das OVG weiter: „Die gegenwärtige Regelung verletze auch das Grund­recht der Berufsaus­übungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Es bestünden erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Betriebseinschränkungen.“ Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen drohe den Geschäften „erheblicher, mit zunehmender Dau­er existenzbedrohender Schaden“.

Darüber hinaus könne eine Öffnung kleinerer Geschäfte auch zur Entspannung des Einkaufsgeschehens in den größeren, bereits geöffneten Märkten führen. Auch vor dem Hintergrund der derzeitigen Corona-Lage gebe es für die Schließung laut Gericht keine Rechtfertigung: „Die Berichte des Gesundheitsministeriums zur „Auslastung der Kapazitäten der saarländischen Kliniken auf Grund von Erkrankungen v.a. durch das Coronavirus bzw. Covid-19“ zeigten, dass die Situation weder bei den aktuell vor­gehaltenen Betten zur Intensivbehandlung noch bei den Betten mit Beat­mungsmöglichkeit derzeit ein Erreichen der Belastungsgrenze nahelege. Eine vom RKI vorgenommene Bestimmung einzelner Risiken nach den Kriterien des individuellen Infektionsrisikos und des Anteils am Gesamtinfektionsgeschehen weise für das „Setting“ Einzelhandel jeweils lediglich die Einstufungen „niedrig“ aus.“

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) im Saarland hat in einer ersten Stellungnahme positiv auf das Urteil reagiert. „Die Entscheidung des OVG ist konsequent und richtig. Es bestanden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit, einzelne Branchensegmente zu privilegieren“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Thomé. Es sei unverhältnismäßig gewesen, weiten Teilen des Einzelhandels durch restriktive Zugangsbeschränkungen eine weitere Sonderlast aufzubürden. „Das Urteil bietet nun auch eine Chance, durch die notwendige Anpassungen der Rechtsverordnung die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Rheinland-Pfalz zu beseitigen und die Gefahr eines Shopping-Tourismus zu verhindern“, erklärte Thomé weiter.

Auch aus der Saar-Politik gab es am Mittwoch positive Stimmen zu dem Urteil. Saar-Linken-Chef Oskar Lafontaine appellierte an die Saar-Regierung, sich bei der Pandemie-Bekämpfung vorrangig daran zu orientieren, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern: „Die saarländische Landesregierung wird durch das Gericht aufgefordert, die Steuerung der Pandemie nach den unbrauchbaren Inzidenzwerten aufzugeben und sich vorrangig an der Belegung der Krankenhausbetten und der Auslastung der Intensivstationen zu orientieren, wie von der Linksfraktion seit Monaten gefordert“, so Lafontaine in einer Pressemitteilung. Vor dem Hintergrund der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Corona-Verordnung sei die Entscheidung des OVG zu erwarten gewesen.

 Auch die FDP begrüßte das Urteil aus Saarlouis am Mittwoch. Die Entscheidung sei „folgerichtig“, erklärte FDP-Landesvorsitzender Oliver Luksic: „Die bisherige Praxis war weder verhältnismäßig noch war es nachvollziehbar, warum zwischen den Fachgeschäften unterschieden wurde. Die Landesregierung hat hier handwerkliche Fehler gemacht, die das Gericht korrigieren musste. Die Urteilsbegründung mit dem Hinweis auf Ungleichbehandlung des Einzelhandels und der mangelnden Verhältnismäßigkeit ist daher logisch und nachvollziehbar.“ Es sei bedauerlich, dass sich erst durch Gerichte Änderungen einstellen würde und nicht durch die „Hilferufe der vielen Selbstständigen“, die die Große Koalition offenbar nicht höre. „Die Landesregierung muss endlich auch die wirtschaftlichen und sozialen Schäden der Corona-Maßnahmen stärker in den Blick nehmen“, forderte Luksic abschließend.

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