Corona und die Reisebranche „Wir arbeiten momentan für nichts“

Zweibrücken · Die Einschränkungen in der Corona-Krise machen den Zweibrücker Reisebüros schwer zu schaffen.

 Derzeit ist ein Urlaub am Meer für viele noch in weiter Ferne.

Derzeit ist ein Urlaub am Meer für viele noch in weiter Ferne.

Foto: Monja Stock

Die Corona-Krise hat die Reisebranche schwer getroffen, worunter auch die Reisebüros leiden. Aufgrund des wegfallenden Tourismus bleiben nicht nur neue Buchungen aus. Auch längst gebuchte Reisen müssen abgesagt werden und Reisebüros wickeln zahllosen Erstattungen ab. „Wir arbeiten momentan für nichts“, bringt Achim Lehnen, Inhaber des Tui ReiseCenters in Zweibrücken, das Problem auf den Punkt.

Um die Zahlungsfähigkeit der Reisebüros zu erhalten, strebten Bundesregierung und Deutscher Reiseverband (DRV) bislang eine zeitlich begrenzte, verpflichtende Gutscheinlösung an. Statt einer Rückzahlung sollte das vermittelnde Reisebüro seinen Kunden einen Gutschein ausstellen.

Die bundesweite Umsetzung des Vorhabens scheitert an Brüssel. Eine Verpflichtung zum Gutschein ist mit geltendem europäischen Recht nicht vereinbar. Das Thema scheint vom Tisch. Lösungen für die Reisebüros sind nicht in Sicht, während die Situation immer ernster wird.

Auch in den Zweibrücker Reisebüros steht man den Gutscheinen kritisch gegenüber. Zwar leiden die Geschäftsleute unter der prekären Lage, doch scheint das Wohl der Kunden Priorität zu haben.

„Die Entscheidung muss man dem Kunden überlassen“, erklärt Achim Lehnen. Gutscheine seien dem Reisebüro zwar eine große Hilfe, jedoch sei es wichtig, dass der Kunde eine Wahlmöglichkeit habe. Im TUI ReiseCenter lege man den Kunden offen dar, wie Provisionen zustande kommen und wie sich eine Stornierung beziehungsweise Absage einer Reise auf das Reisebüro auswirkt. Lehnen erläutert: „Die Gutscheinlösung hilft, die Liquidität länger in den Reisebüros zu lassen.“ Trotzdem seien längerfristig staatliche Hilfen unabdingbar, da Vermittlungsprovisionen für abgesagte Reisen an die Reiseveranstalter zurückgezahlt werden müssten. Bei der Gutscheinlösung seien die Rückzahlungen lediglich später zu leisten als bei einer sofortigen Erstattung.

„Zwangsgutscheine sind nicht akzeptabel“, macht auch Klaus D. Frank, Inhaber der Holiday Reisebüros Frank & Mettendorf, deutlich. Bislang hänge es vom jeweiligen Reiseveranstalter ab, welche Erstattungsmöglichkeiten den Kunden geboten werden. Generell halte auch er Gutscheine, sofern Kunden sie freiwillig wählen können, für eine nützliche Lösung, insbesondere wenn der Reiseveranstalter einen Bonus anbietet.

Ähnlich äußert sich Frank Schmid, Geschäftsführer des Zweibrücker Reisebüros Schmid. Eine erzwungene Gutscheinlösung lehnt auch er vehement ab: „Die Kunden müssen sich auf geltendes Recht verlassen können!“ Die Zufriedenheit seiner Kunden sei ihm wichtiger als die Frage ob Gutschein oder nicht. „Viele Kunden helfen gerne, indem sie sich für Gutscheine entscheiden“, schildert er seine bisherigen Erfahrungen und bringt seine Dankbarkeit für das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Kunden und Reisebüro zum Ausdruck. Für einige Menschen sei die Gutscheinlösung jedoch aufgrund eigener finanzieller Engpässe nicht praktikabel. Eine schnelle Erstattung sei wichtig „wenn es auf dem Girokonto brennt“, so Schmid.

Achim Lehne schildert auf ähnliche Weise die positive Zusammenarbeit mit betroffenen Kunden im Tui ReiseCenter: „Wir sind dankbar für unsere treuen Kunden, die uns weiterhin unterstützen!“ Er berichtet von zahlreichen Kunden, die sich für Gutscheine entscheiden und zum Teil sogar freiwillig die Provisionen zahlen, um die geleistete Vermittlungsarbeit zu honorieren.

„Die Kunden haben großes Verständnis für die aktuelle Situation“, erklärt Klaus D.Frank. Auch bei Frank & Mettendorf habe es bisher keine Probleme im Zusammenhang mit abgesagten Reisen gegeben.

Anders beurteilt Frank die Unterstützung durch Bundesregierung und EU. „Alles dauert ewig“, bemängelt er. Größere Unternehmen hätten bereits weitreichende Unterstützung erhalten, während mittelständische und kleinere Betriebe noch immer auf ausreichende Maßnahmen warten.

Achim Lehnen konkretisiert die Forderung nach staatlicher Hilfe: Notwendig sei eine Unterstützung ohne Rückforderung. Kredite seien nicht ausreichend. Zudem werde die Bedeutung der Tourismusbranche leicht verkannt. „Wir sind der Anfang einer Wertschöpfungskette“, verdeutlicht er und weist auf unzählige Arbeitsplätze in der Reisebranche hin, die zurzeit gefährdet sind. Die Reisebranche, so führt Lehen an, werde sich wohl als letzte von der Corona-Krise erholen. „Ohne weitere Unterstützung werden die meisten Reisebüros schließen müssen“, befürchtet er. „Auf lange Sicht wird so die Wirtschaft an die Wand gefahren.“

Zumindest über die Abwicklung der bisherigen Hilfsmaßnahmen hat Frank Schmid auch Positives zu berichten: Anträge auf Soforthilfe, Kurzarbeit und Ähnliches seien innerhalb kürzester Zeit bearbeitet worden, berichtet er und spricht den beteiligten Behörden ein großes Lob aus. Die Zukunft der Reisebüros und der gesamten Tourismusbranche scheint ungewiss. „Perspektiven sind bisher nicht erkennbar“, bedauert Schmid. Sicher sei nur, dass der Reisemarkt sich mit künftigen Einschränkungen und Möglichkeiten beim Reisen verändern werde.

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