Rheinland-Pfalz Kommunen stemmen sich gegen Leerstände

Kaiserslautern/Mainz · Erst der Online-Boom, dann Corona: Die Innenstädte in Rheinland-Pfalz stehen vor gewaltigen Umbrüchen. Leerstände und Stadtentwicklung werden ein zentrales Thema - auch für die Landtagswahl.

 „Zu vermieten“ steht auf einem Schild in einem leerstehenden Laden in der Mainzer Innenstadt. In immer mehr deutschen Fußgängerzonen hinterlassen die Corona-Pandemie mittlerweile unübersehbare Spuren.

 „Zu vermieten“ steht auf einem Schild in einem leerstehenden Laden in der Mainzer Innenstadt. In immer mehr deutschen Fußgängerzonen hinterlassen die Corona-Pandemie mittlerweile unübersehbare Spuren.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Voller Hoffnung blicken Unternehmer in Rheinland-Pfalz auf den nächsten Corona-Gipfel bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nächste Woche in Berlin. Dürfen Geschäfte nach dem 14. Februar wieder öffnen? In immer mehr deutschen Fußgängerzonen hinterlassen die Corona-Pandemie und auch der Siegeszug des Onlinehandels mittlerweile unübersehbare Spuren. Der Handelsverband Deutschland (HDE) fürchtet, dass bis zu 50 000 Geschäften in der aktuellen Krise das Aus drohen könnte. Steigt in Eifel, Hunsrück, Pfalz und Rheinhessen nun die Zahl der Leerstände in den Kommunen?

Innenstädte an Rhein und Mosel effizient aufwerten – das ist auch ein Thema rund um die Landtagswahl am 14. März. Erst vor wenigen Tagen beschloss der Landtag in Mainz parteiübergreifend eine Änderung des sogenannten Landesgesetzes über lokale Entwicklungs- und Aufwertungsprojekte. Es gilt als erfolgreiches Instrument zur Innenstadtgestaltung. Jetzt müssen Taten folgen, fordern nicht nur die Industrie und Handelskammern (IHK) in Rheinland-Pfalz.

„Leerstandsmanagement wird eine zentrale Aufgabe der nahen Zukunft sein“, ist sich auch ein Sprecher der Stadtverwaltung Kaiserslautern sicher. „Das bedeutet nicht nur die aktive Förderung von Neuansiedlungen, sondern auch von Zwischennutzungen. Das können etwa Kunstausstellungen in leeren Ladengeschäften sein. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren.“ Auch in Kaiserslautern würden viele Kunden im Internet bestellen, statt die Ware im Geschäft zu kaufen. Hinzu kommen Nachwuchssorgen in vielen Branchen – insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel wie etwa Metzgereien oder Bäckereien.

„Die Pandemie hat diese Prozesse nun deutlich verstärkt“, heißt es in Kaiserslautern. Für Geschäfte, die bereits vorher Probleme hatten, sei Corona eine Art Katalysator gewesen, wodurch sich die Prozesse beschleunigt haben. „Es ist leider zu erwarten, dass dieser Effekt sich in den kommenden Wochen nochmals deutlich verstärken wird.“

In Trier gibt es der Stadtverwaltung zufolge aktuell rund 24 Leerstände, die seit dem Lockdown im Frühjahr entstanden sind. „Die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung bei Leerständen sind naturgemäß begrenzt, da es sich um Privateigentum handelt“, sagt ein Sprecher der Moselstadt. Dennoch versuche die Stadt über die städtische Wirtschaftsförderung vermittelnd tätig zu sein, wo es möglich sei.

„Während der Coronazeit kommt die Stadt Gastronomen und Händlern insofern entgegen, als dass sie bereits seit Anfang 2020 den Gastronomie- und Einzelhandelsbetrieben die Sondernutzungsgebühr für die Nutzung der Außenflächen erlässt“, erklärt er. Darüber hinaus wurde den Gastronomiebetrieben ermöglicht, ihre Außenflächen zu vergrößern - sofern keine Rettungswege behindert wurden und der Immobiliennachbar der Anfrage zustimmte.

In Koblenz ist Leerstand der Stadtverwaltung zufolge bisher kein oder nur ein geringes Problem. „Wie dies künftig sein wird, können wir aktuell noch nicht abschätzen“, betont die Stadt. Ein Entgegenwirken der Kommune sei nur sehr begrenzt möglich, da die Eigentümer bisher stets souverän gehandelt hätten. „Dennoch hat sich die Wirtschaftsförderung Koblenz aktiv in den Innenstadtprozess eingesetzt“, betont ein Sprecher. Diese seien in Rheinland-Pfalz bisher nicht direkt umsetzbar gewesen.

Der Stadtplaner Holger Schmidt sieht in der Corona-Pandemie auch eine Chance zum Gestalten für Kommunen. „Wenn Läden durch die Krise schließen müssen und die Einkaufsstadt damit ein Stück weit verschwindet, sollten Kommunen überlegen, wie die Innenstadt künftig aussehen soll“, sagte der Professor für Stadtumbau und Ortserneuerung an der TU Kaiserslautern. „Vielleicht kommen ja Wohnen, Verwaltung, Dienstleistung und Kultur zurück, die der heute noch dominante Handel einst verdrängte, und bilden eine neue Symbiose“, sagte Schmidt.

Natürlich würden heute viele Menschen im Internet einkaufen. „Dieses Rad kann eine Stadt nicht mehr zurückdrehen“, betonte er. Wichtig sei aber die Botschaft, keine funktionsgetrennte Innenstadt mehr zu haben, sondern eine gemischte. „Also ein Stadtzentrum, in dem wieder jemand wohnt oder eine Gaststätte hat. Erlebnisse stärken eine Innenstadt. Das kann das Internet nicht bieten.“ Dass Büros durch verstärktes Homeoffice wegfallen werden, schloss Schmidt nicht aus. „Kann sein. Vielleicht brauchen Sie die Türme in der Innenstadt von Frankfurt nicht mehr, wenn viele Menschen künftig zuhause arbeiten.“

(dpa)
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