Wirtschaft Experten erwarten Pleitewelle: „Stunde der Wahrheit im Herbst“

Hamburg/Frankfurt · Die Corona-Krise hat in Deutschland bislang nicht zu einem deutlichen Anstieg der Firmeninsolvenzen geführt. Das wird sich in den nächsten Monaten wohl spürbar ändern.

 „Wir schließen“ heißt es an diesem Geschäft. Experten fürchten, dass ab Herbst solche Aushänge verstärkt zu sehen sein werden. Symbolfoto.

„Wir schließen“ heißt es an diesem Geschäft. Experten fürchten, dass ab Herbst solche Aushänge verstärkt zu sehen sein werden. Symbolfoto.

Foto: dpa/Martin Gerten

(dpa) Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet infolge der Corona-Krise spätestens vom Herbst an mit einer Welle von Firmenpleiten rund um den Globus. Für Deutschland sagen die Experten einen Anstieg der Insolvenzen in den Jahren 2020 und 2021 um insgesamt 12 Prozent im Vergleich zu 2019 voraus – auf dann etwa 21 000 Fälle, wie aus Daten von Euler Hermes hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Der Löwenanteil dürfte mit 8 Prozent auf 2021 entfallen. Für dieses Jahr wird ein Zuwachs um 4 Prozent erwartet.

„Unternehmen in Schieflage müssen dies aktuell erst im Herbst bei einem Insolvenzgericht anzeigen“, erläuterte Ron van het Hof, Chef von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Deshalb gebe es aktuell noch relativ wenige Fälle in Deutschland. „Aber der Schein trügt, und im Herbst schlägt für viele die Stunde der Wahrheit.“

In der amtlichen Insolvenzstatistik für Deutschland zeigen sich bislang noch keine dramatischen Auswirkungen der Corona-Krise. 1465 Fälle meldeten die deutschen Amtsgerichte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für den vom „Lockdown“ besonders betroffenen Monat April – und damit 13,3 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Allerdings ist die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen seit dem 1. März 2020 ausgesetzt. Zudem kann die Bearbeitung von Anträgen bei den Gerichten derzeit länger dauern, weil auch dort der Betrieb nur eingeschränkt läuft.

Euler Hermes weist darauf hin, dass es trotz der ausgesetzten Antragsfrist bereits im ersten Halbjahr mehrere Insolvenzen größerer Firmen gab. So suchten etwa im April Galeria Karstadt Kaufhof und das Modeunternehmen Hallhuber Rettung in einem Schutzschirmverfahren. Die Damenmode-Kette Appelrath Cüpper beantragte eine Insolvenz in Eigenverwaltung.

Im weltweiten Vergleich komme Deutschland allerdings mit einem „blauen Auge davon“. „Gründe dafür sind neben der besseren Ausgangssituation und dem kürzeren, weniger strikten Lockdown vor allem die schnellen und sehr umfangreichen Sofortmaßnahmen der Regierung“, argumentiert Van het Hof.

Global erwarten die Experten für 2020 und 2021 einen Anstieg der Insolvenzen um 35 Prozent. „Wenn die jeweiligen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zu früh beendet werden, dürfte der Anstieg sogar noch um 5 bis 10 Prozent höher ausfallen“, fürchtet Maxime Lemerle, Chef der Insolvenz- und Branchenanalysen bei Euler Hermes.

(dpa)
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