"Verzicht auf Geld war umsonst"

Merzig. Zwölf Monate haben sie auf Teile ihres Lohnes verzichtet - um ihre Druckerei vor dem Aus zu retten, haben Kurzarbeit gefahren. Noch bis vor wenigen Tagen hofften die gut 50 Mitarbeiter der Merziger Druckerei (MDV) auf Rettung - durch eine Übernahme. Doch das hat sich nach den Worten des Betriebsrates zerschlagen

 Die Merziger Druckerei schließt zum 31. Juli. Foto: N. Wagner

Die Merziger Druckerei schließt zum 31. Juli. Foto: N. Wagner

Merzig. Zwölf Monate haben sie auf Teile ihres Lohnes verzichtet - um ihre Druckerei vor dem Aus zu retten, haben Kurzarbeit gefahren. Noch bis vor wenigen Tagen hofften die gut 50 Mitarbeiter der Merziger Druckerei (MDV) auf Rettung - durch eine Übernahme. Doch das hat sich nach den Worten des Betriebsrates zerschlagen. "Wenn die Programmhefte der Völklinger VHS aus den Druckmaschinen kommen, ist bei der Merziger Druckerei endgültig Schluss - trauriges Ende nach über 100-jähriger Firmengeschichte", sagte Betriebsratsvorsitzender Gisbert Uder, seit 33 Jahren bei der MDV, traurig. "Das Gros der Belegschaft wird sich arbeitslos melden müssen." Sein Wunsch nach wie vor: die Gründung einer Transfergesellschaft. "Dann könnten die Leute sich qualifizieren, Praktika in anderen Betrieben machen und sich weiterbilden." In der Übergangsphase wären sie finanziell besser abgesichert, könnten aus einem Beschäftigungsverhältnis heraus Bewerbungen schreiben. Insolvenzverwalter Udo Gröner habe ihm signalisiert, dass - entgegen seiner Aussage in der SZ vom Donnerstag - er alles daran setze, eine solche Gesellschaft zu gründen, sagte Uder gestern in der Merziger Lokalredaktion.Seine drei Kollegen vom Betriebsrat, wie Uder über Jahrzehnte im Haus, sind traurig und maßlos enttäuscht. "Die Belegschaft hat alles getan, dass der Betrieb weiterläuft", meinte Siegfried Oswald. Er hatte bei der MDV 1969 mit einer Lehre begonnen, hatte für einige Jahre dem Betrieb den Rücken gekehrt und arbeitet jetzt wieder seit 27 Jahren in Merzig. Das Drama hat nach seiner Ansicht 2006 seinen Anfang genommen. "Damals hatten wir die Unternehmensberater Dr. Calmbach und Partner im Haus. Diese hatten festgestellt, dass es für den Betrieb fünf vor zwölf ist." Ihr Angebot, bei der Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen zu helfen, sei von den Unternehmens-Verantwortlichen abgelehnt worden.

"Kein Sanierungskonzept"

Statt die Ärmel hochzukrempeln und die Vorschläge umzusetzen, seien nur Marginalien verändert worden, bemängelt der Betriebsrat. "Dabei hätte es Möglichkeiten gegeben, die Personalkosten zu reduzieren - beispielsweise durch Vorruhestandsregelungen." Bei der Altersstruktur der Mitarbeiter wäre dies möglich gewesen, behaupteten sie. "Man hätte nur mit den Leuten reden müssen", sagte Betriebsrat Conrad Tiator, seit 24 Jahren bei der MDV. "Doch nichts ist passiert."Für Anita Schumacher, seit 31 Jahren im Unternehmen, steht fest: "Unser Geschäftsführer Kutrieb hat seine Aufgaben nicht wahrgenommen und nichts gemacht, als es brannte." Statt an die Leute zu denken, habe er "nur an sich gedacht". Kein gutes Haar lassen die Betriebsratsmitglieder auch an Klaus Kleber, Ehemann und Berater der Hauptgesellschafterin. Kommt der Konkurs wirklich so überraschend, wie dies die Geschäftsführung verlauten lässt? "Nein", mutmaßen die Leute der Personalvertretung. "Aber wir waren immer guter Dinge, dass es weitergeht. Denn wir haben schon viele Krisen überstanden." "Mit dem Lohnverzicht von zwölf Prozent im Jahr 2010/2011 und einer Kurzarbeit über zwei Jahre hinweg hat die Belegschaft ihren Teil zur Rettung des Unternehmens beigetragen", sagten sie unisono - Rückzahlungen, "auf die die Leute bis heute noch warten und die wohl verloren sind".

Die Gewerkschaft verdi wirft Geschäftsführer Hans-Otto Kutrieb Versagen vor. In einem Brief, der der Redaktion vorliegt, datiert auf den 28. Juli 2011, schreibt Inga Kulms, damals Gewerkschaftssekretärin, an Kutrieb: "Sie haben die Tarifverhandlungen für einen Sanierungsvertrag am 7. April zum Scheitern gebracht, denn in dem von Ihnen vorgelegten Sanierungskonzept ist kein tragfähiges Restrukturierungs- und Sanierungskonzept zu erkennen." Das habe auch der Betriebsrat in dieser Sitzung zum Ausdruck gebracht. "Ein tragfähiges Konzept, das der MDV die Chance für eine Zukunft hätte geben können, war für die verdi-Mitglieder in Ihrem Haus die Grundvoraussetzung für einen Sanierungstarifvertrag." Kulms wirft Kutriebvor, auch weitere Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben.

"So fanden Qualifizierungsmaßnahmen während der Kurzarbeit (und durch die Agentur für Arbeit finanziert) nicht statt, ebenso wurden keine Arbeitsgruppen zur Optimierung des Umsatzes, der Arbeitsabläufe und von Einsparungsmaßnahmen gebildet. Auch haben Sie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen." Kulms legt nach: "Das Einzige, woran Sie sich 100 Prozent gehalten haben, ist: Sie haben der Belegschaft ab November 2010 Verzichtsleistungen vom Lohn beziehungsweise Gehalt abgezogen." Ihr Schreiben endet: "Die Verantwortung für die Betriebsführung ist und bleibt Aufgabe der Geschäftsführung."

Von der Politik fühlen sich die von Arbeitslosigkeit ´bedrohten MDV-Mitarbeiter allein gelassen. "Niemand spricht mit uns. Niemand hilft uns."

Während die Mitarbeiter der Druckerei in der SZ-Redaktion ihr Herz ausschütteten, meldete sich telefonisch MDV-Geschäftsführer Kutrieb und machte die SZ auf einen Fehler in der Berichterstattung vom Donnerstag aufmerksam. Die Merziger Druckerei sei konkurs - soweit, so richtig. Auch Media-Serv sei konkurs - aber dabei handele es sich nicht um eine MDV-Tochter, sondern um ein selbstständiges Unternehmen, an dem die MDV nicht beteilt sei. Gleiches gelte für die DDV Verlagsgesellschaft mit Sitz in München und den Gollenstein-Verlag. Dies war so deutlich von MDV-Seite bislang nicht kommuniziert worden.

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