So schön ist Plattenbau

Saarbrücken. Üblicherweise setzen "normale" Graffiti-Sprayer immer mal wieder ihre Zeichen auf die Hauswand des Druckzentrums der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) am Ende der Sackgasse "Am Tummelplatz"

Saarbrücken. Üblicherweise setzen "normale" Graffiti-Sprayer immer mal wieder ihre Zeichen auf die Hauswand des Druckzentrums der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) am Ende der Sackgasse "Am Tummelplatz". Jetzt sprühten die Studenten Edem Dippel und Alexander Hoffmann dort gleich die ganze Wand an - mit Häuserfassaden inklusive Balkonen, Schattenfall und Satellitenschüsseln.Ein Leichtes, hier fotorealistisch, die Wirklichkeit zu kopieren. Aber: "Das war keine Option", erklärt Edem Dippel, "man soll schon sehen, dass es gemalt ist." Umgekehrt hat sich dabei auch die Reaktion der Betrachter: "Wir haben eine hässliche Dekoration gemalt, und die Leute finden es schön", wundert sich Alexander Hoffmann. Damit haben beide ihr Ziel erreicht: "Es wird wahrgenommen. Auch wenn die Passanten denken, es ist ein Plattenbau." Dann haben sie sich damit befasst, weiß das Duo, das ansonsten in einem Kollektiv von sechs Sprayern arbeitet und bereits einschlägige Erfahrung mit der Spraydose hat.

Alexander Hoffmann sprühte mit seinem Kollegen Daniel Hahn, die Fankurven des Saar 05 Stadions. Edem Dippel legte zusammen mit Jugendlichen im Rahmen von Graffiti-Workshops Hand an die Fassade vom JUZ Försterstraße an. Derzeit absolvieren beide mit Graffiti ihr Vordiplom im Fach Kommunikationsdesign an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.

Auch das ist eher selten, so viel Aufwand für eine Zwischenprüfung. Aber gerade aus dieser Spannung von wochenlanger Vorbereitung und dem kurzen Moment der aufgestörten Wahrnehmung lebt ihr Projekt. Darin packen die beiden angehenden Kommunikationsdesigner ihr Kerngeschäft Wahrnehmung höchst geschickt an. "Wir hoffen auf die Sekunde, in der man sich fragt, was ist denn das? Darauf ist es ausgelegt", fasst das Duo sein Konzept zusammen.

Die Wahrnehmung zu schärfen, darauf zielte auch die einst von Oskar Holweck vermittelte Grundlehre ab. Darum ließ er einst die Studenten Grauwertabstufungen auf Papier tüpfeln. Dippel und Hoffmann haben dieses Verfahren mit ihrer von Schwarz nach Silbergrau wechselnden Skala unbeabsichtigt, aber trefflich in die Gegenwart übersetzt.

So gesehen: Aufgabe gelöst, nicht nur für ihre Professoren und Studienkollegen, sondern sichtbar für alle, die an einer bestimmten Stelle in der Straßenkurve in Höhe des Jugendamtes stehen: "An diesem Punkt ist die Illusion perfekt, weil die Fassade plastisch wirkt", empfiehlt Alexander Hoffmann.

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