Schlafentzug weckt mörderische Lust

Mit blutrotunterlaufenen Augen steht Thea seit einigen Tagen am Tresen ihres alt eingesessenen Bäckerladens um die Ecke. In aller Herrgotts Frühe, um ihren bunten Strauß an Brötchen zu ordern.

In Herrgottsfrühe. Um fünf. Für rund 250 Kilometer, ausnahmslos über Autobahn. Zu packen in zweieinhalb Stunden. Errechnet mein Kumpel souverän. Darum verwundert ihn die von meiner besten Freundin anvisierte Abfahrt. Doch Tobi schweigt. Lieber zu früh als zu spät.

Thea ist zu spät, gibt sich für ausgefeilte Erklärungsversuche nicht den Hauch einer Mühe. Die Ausrede wie die eines Schulmädchens: "Mein Wecker hat nicht gerappelt." Um keinen Zwist vom Zaun zu brechen, beschließt Tobi, den Rand zu halten. Steigt in Theas Wagen. Sie sortiert sich auf dem Fahrersitz, als wolle sie eine Wohnung einrichten. Thermoskanne und Fressalien deponiert sie akkurat in Griffnähe. Tobi hakt nach: "Darf ich Dir eine Serviette umlegen?" Thea verächtlich: "Pfffff..". Geschafft, Thea setzt die Karosse in Bewegung. Tobi riskiert wiederholt verstohlen einen Blick auf den Tacho. Die Nadel bleibt auf der 100. Wie mit Klebstreifen manifestiert. Tobi schweigt still. Noch.

Seit gut zehn Minuten gurkt Thea nun hinter einem Sattelschlepper. Mit halsbrecherischen 85 Sachen. Nicht, weil dichter Verkehr die Überholspur blockiert. Oder eine Baustelle die Fahrbahn auf eine Spur komprimiert. Irgendwann fasst Thea doch den Entschluss vorbeizuziehen. Im Schneckentempo. "Ah, eine Wanderbarrikade", wertet Tobi Theas Fahrstil. "Ich will entspannt reisen", verteidigt sie. Während sich hinter ihnen eine etliche Kilometer lange Kolonne aufbaut. Tobi kommentiert die Lage wie ein sonorer Radiosprecher: "Spontane Staubildung auf der A 1." Thea quittiert schnippisch: "Echt witzig."

Mittlerweile sind sie zweieinhalb Stunden unterwegs. Und noch 100 Kilometer vom Ziel entfernt. Plötzlich ruft Tobi wie von der Tarantel gestochen: "Pass auf, rechts überholt ein Tretroller!" Thea hat die Schnauze voll: "Das reicht! Nächstes Mal fährst Du!" Blöd nur: Tobi hat gar keine Papiere.