„Wir müssen uns Zelte als Option offenhalten“

Saarlouis · Mit aller Kraft versucht die Stadtverwaltung in Saarlouis, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen und Massenunterkünfte zu vermeiden. In diesem Jahr dürfte das klappen. Aber 2016 könnte es doch nötig sein, Zelte aufzubauen, wie OB Roland Henz und Bürgermeisterin Marion Jost im Interview mit SZ-Redakteur Johannes Werres sagen.

Frau Jost, Herr Henz, Sie betonen immer wieder, die Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungen habe oberste Priorität in Saarlouis. Ist das gelungen?

Henz: Ja. Die Flüchtlinge , die Saarlouis 2014 und 2015 zugewiesen wurden, sind größtenteils in Privatwohnungen untergebracht. In Wohnungen der GBS und in Wohnungen privater Eigentümer. Wir erwarten, dass bis Ende des Jahres die Zahl 500 überschritten ist. Bleibt es bei dem Stand der Zuweisungen, werden wir bis Ende des Jahres mit Wohnungen klar kommen.

Jost: Die Flüchtlinge kommen immer dienstags. Letzten Dienstag waren es zwei Flüchtlinge , jetzt sind wieder zwei angekündigt, und die Woche drauf sollen es 26 sein. Die wirkliche Zahl sieht man aber immer erst dann, wenn sie wirklich hier sind. Es wird auch wohl in der Weihnachtswoche Zuweisungen geben.

Wie geht das vor sich? Die Flüchtlinge kommen aus Lebach - und dann? Gibt es ein Zwischenquartier?

Henz: Nein. Sie müssen sofort in Wohnungen untergebracht werden. Das ist ja der enorme Druck, dem wir alle ausgesetzt sind. Wir leben von Dienstag zu Dienstag, wir wissen nicht, wie viele dann wirklich kommen und beten, dass wir für jeden ein Dach über dem Kopf finden. Das ist ein unmenschlicher Druck. Das macht einen krank, das geht mir so, das geht meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so. Es heißt immer nur: Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen. Aber man muss einfach anerkennen, dass die Saarlouiser uns da helfen.

Die Vermieter machen ja auch kein schlechtes Geschäft. Wird da manches angeboten, das man sonst nicht vermieten könnte?

Jost: Da sind auch welche dabei, die wirklich nicht schön sind, stimmt. Aber es gibt auch viele, in die würden wir selbst direkt einziehen. Ich komme gerade von einer solchen Wohnung, deren Eigentümer ich gefragt habe, ob er sich seiner Sache wirklich sicher ist. Ja, hat er gesagt, er wolle da seinen Beitrag leisten. Außerdem kann man bei der Stadt als Mieter sicher sein, dass die Miete auch immer gezahlt wird. Es kommen immer noch täglich Angebote hinzu.

Warum ist trotzdem die Rede von einem Flüchtlingszelt in Saarlouis? Standort wäre dann ja in den Fliesen?

Henz: Das ergibt sich daraus, dass niemand Prognosen aufstellen kann, wie es weitergeht. Es gäbe schon Probleme, wenn 2016 so viele Flüchtlinge kämen wie 2015. Wir brauchen ja auch Wohnungen für andere, die aus welchen Gründen auch immer Wohnraum suchen. Die Gemeinnützige Bau und Siedlung, die GBS, hat derzeit alle ihre Wohnungen vermietet. Bei manchen haben wir die Sanierung ausgesetzt, nur, damit wir Leute unterbringen können. Jeder, der nach Saarlouis kommt, muss Wohnraum finden. Da habe ich eigentlich nur die Möglichkeit, Zelte aufzustellen, um aus dem Zelt heraus zu versuchen, frei werdende Wohnungen zu finden. Also muss ich mir die Zelte als Option offenhalten.

Keine Alternativen also zum Zelt?

Henz: Doch, wenn es ein Angebot mit vielen zusammenhängenden Wohnungen gibt. So könnte man auch von dem Druck der Dienstage wegkommen. Das könnten zum Beispiel leer stehende größere Bürogebäude in Industriegebieten sein. Diese Option wäre für alle, Bürger wie Flüchtlinge , besser als Zelte auf der Wiese.

Gibt es dazu Angebote?

Henz: Ja, es gibt Angebote, wir prüfen sie. Aber das Zelt bleibt eine Option. Wir werden uns in Homburg, wo ein solches Zelt bereits aufgebaut wird, informieren, was auf uns zukommt. Das kann ein Zelt sein, das können aber auch mehrere Zelte sein. Es ist aber einhellige Meinung aller Beteiligter, dass ein Zelt nicht die Lösung darstellt, die man sich wünscht, wenn die Menschen dort länger bleiben müssen.

Stehen in Saarlouis nicht auch Kasernengebäude leer? Und das Steinrauschhotel?

Henz: Die Kasernen sind alle belegt. Es kommt auch aus militärischen Gründen nicht infrage, denn Zivilisten lassen sich dort nicht deutlich vom militärischen Bereich trennen. Und für das Gebäude des früheren Steinrauschhotels liegt uns ein Kaufangebot vor, das eine hervorragende Lösung für Saarlouis darstellen könnte.

Kann die GBS auch neu bauen?

Henz: Sozialer Wohnungsbau ist notwendig. Der Aufsichtsrat der GBS wird sich mit der Thematik befassen. Kurzfristig könnten in Modulbauweise Wohnungen entstehen. In Gesprächen mit der Landesregierung wurde uns Unterstützung zugesagt.

Zum Thema:

Auf einen BlickBis Ende November werden Saarlouis 470 syrische Flüchtlinge zugewiesen; 389 von ihnen leben noch hier, die übrigen sind verzogen. Insgesamt wohnen dann 700 Syrer in der Stadt; die nach den Italienern zweitgrößte ausländische Gruppe. red

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