"Sofortiges Abschalten notwendig"

Cattenom · Schengen/Cattenom. Ob es nicht an der Zeit sei, die Umsiedlung der Großregion-Bewohner auf den Mars vorzubereiten? Dies ist der Punkt, an dem die rheinland-pfälzische Umweltministerin Eveline Lemke (Grüne) die Pressekonferenz in Schengen beendet. "Sarkasmus hilft nicht weiter", so Lemke

 Der Abschlussbericht zum Stresstest in Cattenom offenbart große Mängel am AKW. Die Anrainer haben daher gestern von den Franzosen die sofortige Schließung der Anlage gefordert. Foto: dpa

Der Abschlussbericht zum Stresstest in Cattenom offenbart große Mängel am AKW. Die Anrainer haben daher gestern von den Franzosen die sofortige Schließung der Anlage gefordert. Foto: dpa

Schengen/Cattenom. Ob es nicht an der Zeit sei, die Umsiedlung der Großregion-Bewohner auf den Mars vorzubereiten? Dies ist der Punkt, an dem die rheinland-pfälzische Umweltministerin Eveline Lemke (Grüne) die Pressekonferenz in Schengen beendet. "Sarkasmus hilft nicht weiter", so Lemke. Dabei hatte der Journalist mit seiner provokanten Frage den Finger tief in die Wunde des wohl größten grenzüberschreitenden Konfliktthemas gelegt. Denn die Entscheidung, wie mit dem lothringischen Atomkraftwerk Cattenom nach Beendigung des als Folge der Atomkatastrophe von Fukushima angeordneten Stresstests weiter verfahren wird, liegt nun mal ausschließlich in der Hand der Franzosen. Und deren Präsident Nicolas Sarkozy kündigte jüngst die Laufzeitverlängerung aller französischen Reaktoren an.Allerdings wird er hierbei im Falle von Cattenom wohl gegen erhöhten Druck der Anrainerstaaten handeln müssen. Denn gestern forderten Regierungsvertreter aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Luxemburg unmissverständlich die zumindest einstweilige sofortige Stilllegung des AKW. "Es ist dringend erforderlich, das AKW sofort und so lange abzuschalten, bis notwendige Nachrüstmaßnahmen umgesetzt worden sind", sagte Saar-Umweltminister Andreas Storm (CDU). Das könne Jahre in Anspruch nehmen. Und der luxemburgische Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo ergänzte: "Unser oberstes Ziel bleibt die endgültige Stilllegung."

Hintergrund für die kompromisslose Haltung der Minister ist der seit gestern vorliegende Abschlussbericht von Dieter Majer. Der Ingenieur war früher im Bundesumweltministerium für die Reaktorsicherheit zuständig und hatte als gemeinsamer Beobachter der Großregion den von der französischen Atomaufsicht ASN durchgeführten Stresstest in Cattenom beobachtet. Majer sprach von einem "enormen Risikopotenzial" des Kraftwerks. Ein Weiterbetrieb der Anlage sei aus seiner Sicht nicht zu rechtfertigen, bevor nicht alle Mängel erfasst, behoben und Nachrüstungen durchgeführt worden seien. Denn, so Majer, das Sicherheitskonzept des AKW genügte nicht einmal reduzierten Anforderungen, geschweige denn dem heutigen Stand der Technik. Zudem gebe es kein Notfallsystem, das alle vier Blöcke umfasse. Dies könne bei einem Stromausfall zu Folgen wie in Fukushima führen. Majers Schlussfolgerungen aus dem Stresstest stehen denen der ASN diametral gegenüber. Die Behörde hatte Anfang Januar auf Mängel hingewiesen, aber keine Notwendigkeit für eine sofortige Stilllegung gesehen.

Seitens der Politik wurde auch erneut Kritik an den Bedingungen des Stresstests laut: Gefährdungssituationen wie Flugzeugabstürze, terroristische Attacken oder Naturkatastrophen seien außer Acht gelassen worden. Zudem seien die von der ASN angesetzten Nachbesserungsfristen viel zu lang. "Wir warten nicht bis 2020", sagte Eveline Lemke.

Nun wolle man auf allen politischen Ebenen darauf pochen, dass es keine Alternative zum Ausstieg aus der Atomenergie gebe, so die drei Minister. Noch vor dem Sommer müsse ein Cattenom-Sondergipfel in der Großregion stattfinden.

Meinung

Ausstieg gebietet die Vernunft

Von SZ-RedakteurJohannes Kloth

Wenn ein Experte vom "enormen Risikopotenzial" eines nahegelegenen Atomkraftwerks spricht, ist das für die Bewohner einer Region schockierend. Wer will nach so einer Aussage noch ernsthaft an die Sicherheit Cattenoms glauben? Dass die französische Atomaufsichtsbehörde trotz gravierender Mängel am AKW eine sofortige Stilllegung nicht für notwendig erachtet, deutet auf eine andere Risiko-Bewertung der Franzosen hin. Doch egal wie groß das Risiko eines großen Atomunfalls wirklich ist: Eine in letzter Konsequenz so gefährliche Technik sollte nie Gegenstand von Wahrscheinlichkeitsrechnungen sein. Den Ausstieg aus der Atomkraft gebietet die Vernunft. Nicht nur in Cattenom.

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