Herz-Transplantation gelungen Endlich ist Jörg Metzinger gerettet

Saarbrücken/Heidelberg · Der Saarbrücker Pfarrer musste vier Mal so lange auf ein neues Herz warten wie üblich. Bald darf er die Klinik verlassen. Warum er trotzdem trauert, verriet er der SZ.

 Der Pfarrer Jörg Metzinger aus Schafbrücke (Saarbrücken) auf einem Klinikbalkon in der Heidelberger Transplantationsklinik. Er hatte eine erfolgreiche Herz-Transplantation.

Der Pfarrer Jörg Metzinger aus Schafbrücke (Saarbrücken) auf einem Klinikbalkon in der Heidelberger Transplantationsklinik. Er hatte eine erfolgreiche Herz-Transplantation.

Foto: Jörg Metzinger

Ein Pfarrer aus Schafbrücke ist der Rekordmeister der Heidelberger Transplantationsklinik. Fast hundert Tage länger als jeder andere Patient, der dort auf ein Spenderorgan gewartet hat, verbrachte Jörg Metzinger (51) mit Ausharren, weit mehr als 400 Tage. Von einer „Haft“ sprach er, als die SZ im Januar erstmals über sein Schicksal berichtete. Nun hat seine Geschichte ein Happyend und ist rekordverdächtig. Denn der herzkranke und in der Heidelberger Klinik immer wieder von schweren körperlichen Krisen geschüttelte Metzinger musste vier Mal so lange durchhalten wie durchschnittliche Transplantationskandidaten. Insgesamt vier Mal erlebte Metzinger zudem blinden Alarm. Ein passendes Spenderherz war jeweils gefunden, und zwei Mal stand sein OP-Bett  sogar schon vor der OP-Tür. Doch dann – alles auf Null, Transplantation abgeblasen, andere Patienten bekamen Vorfahrt. Immer wieder zerschmetterte Rettungshoffnungen also, es war eine besondere Leidensgeschichte, eine „auf Herz oder Tod“, wie Metzinger selbst es formulierte, als ihn die SZ im Januar interviewte. Die Saarländer kennen Metzinger als  „Reverend Blues“ von der Bühne und als Initiator der „Bunt-statt-braun“-Demos, entsprechend riesig war das Interesse an seiner Krankheit bis hin zu Posts von Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD).

Am 26. Juli erfolgte die finale Wende zum Besseren, die Transplantation. Und nach 500 Tagen, endlich, schickte Metzinger über Facebook ein Foto in die Welt. Es war der 25. August, ein Mann in der Sonne, auf einem Klinikbalkon. Nicht mehr auf der Intensivstation! Der letzte Schritt vor der Reha war und ist damit erreicht. „Anfang Oktober bin ich wohl wieder zuhause“, sagt Metzinger  der SZ  am Telefon. Die Stimme  schwächelt noch, das Luftholen schmerzt, denn bei einer Herz-Transplantation wird der Brustkorb geöffnet. Von einer Wunderheilung kann Metzinger nicht berichten. Im Gegenteil: „Ich bin schwächer aus der OP raus als ich rein ging. Das Rumspringen habe ich mir abgewöhnt.“ Denn es gab danach unzählige Komplikationen, die allerdings nichts mit dem neuen Organ zu tun hatten. Verdauung, Magen, die Geschmacksnerven streikten, die Feinjustierung der Medikamente klappte nicht, immer noch sitzt Wasser im Körper. Ob er je wieder der vor Energie strotzende 90-Kilo-Mann von einst sein wird? Er zumindest ist sich sicher: „Ich will und werde wieder arbeiten.“ Vollzeit, ohne Schongang, das ist Metzingers Ziel. Dazu ermutigt fühlt er sich durch die täglichen „Premieren“, die eine 100-prozentige Verbesserung zum Vortag bedeuten. Als er das erste Mal ohne Rollator den Flur schaffte, das war so ein Moment. Und ja, sagt er, es gehe „rasant“ aufwärts. Doch überraschenderweise hört sich nichts nach Euphorie an. „Gelassen“ sei er am Tag der OP gewesen, erzählt er. Schließlich habe er die Situation x-mal zuvor mental durchgespielt. Ähnlich rational geht er seine Heimkehr an, deren „Schockhaftigkeit“ er erahnt. Die Reizüberflutung, die ihn erwartet, beunruhige ihn, sagt er, die eigene Erwartung einer schlagartigen Erfüllung aller Sehnsüchte.

Nein, die üblichen emotionalen Kommentare von Transplantierten über ein zweites „geschenktes Leben“ kommen dem Pfarrer nicht über die Lippen. Die wenigen Informationen, die er über die Deutsche Stiftung Organtransplantation etwa über Alter und Tod seines anonymen Spenders bekommen könnte, er will sie nicht. „Beim Auto frage ich auch nicht, wo der Ersatzmotor her ist.“ Was ihn angreift, ist der anstehende Abschied aus Heidelberg, von Pflegekräften und Ärzten, der Verzicht auf eine Atmosphäre der Anteilnahme und Unterstützung. „Ich wollte von Anfang an in der Klinik leben, nicht nur vegetieren“, sagt Metzinger. Es ist ihm gelungen, und das macht ihm jetzt das neue Herz schwer.

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