Regionalverband Wo Arme sich noch etwas leisten können

Regionalverband  · Die Kleiderkammer des Roten Kreuzes in Dudweiler meldet eine stark gesunkene Nachfrage. Doch das ist die Ausnahme. Denn die Kundenzahlen der anderen Betreiber lassen nicht darauf schließen, dass die Armut in der Region auf dem Rückzug ist. Im Gegenteil.

 Kleiderkammern versorgen Familien, die nur wenig Geld haben, mit gebrauchten, gut erhaltenen Textilien. Das macht sie unverzichtbar.

Kleiderkammern versorgen Familien, die nur wenig Geld haben, mit gebrauchten, gut erhaltenen Textilien. Das macht sie unverzichtbar.

Foto: Fabian Sommer/dpa/Fabian Sommer

In Dudweiler steht ein dreieinhalb Jahrzehnte altes Hilfsangebot auf der Kippe. In seiner Kleiderkammer verzeichnet der Ortsverein des Roten Kreuzes eine stark gesunkene Nachfrage nach gespendeter Bekleidung. Seit Mitte der Achtziger liefern Bürger im Haus Hofweg 82 gut erhaltene Textilien ab. Ehrenamtliche  geben die Waren gratis oder gegen einen Kostenbeitrag weiter an Hilfebedürftige.

Am Angebot liegt die schrumpfende Besucherzahl offenbar nicht. Das Rote Kreuz verweist auf ein gefülltes Warenlager und gut bestückte Regale. Ob vielleicht die Zahl der Armen in Dudweiler und Umgebung gesunken ist oder bisherige Kunden gut genug versorgt sind, kann das DRK nicht sagen. Die Verantwortlichen des Ortsvereins prüfen nun, ob sie die Kleiderkammer weiterführen.

Die Ankündigung ist Grund genug, andere Betreiber von Kleiderkammern zu fragen, ob auch sie einen schwindenden Zulauf beobachten.

Ein klares Nein kommt von der Diakonie Saar. Pressereferentin Stefanie Klein:  „Es gibt keine Schließungspläne. Bei uns sind die Spendenbereitschaft und die Nachfrage immer noch hoch. Die Kundenzahlen steigen sogar.“ Jedoch sieht die Sprecherin einen Trend, der den Mitarbeiterinnen und ihr zu denken gibt: „Wir bemerken, dass die gespendete Kleidung mitunter nicht mehr so gut ist wie früher.“ Wohl auch, weil die Spender beim Kauf selbst noch mehr auf den Preis achten mussten. „Wir bekommen aber auch gute Qualität“, fügt Klein nachdrücklich hinzu.

Dies habe nicht zuletzt damit zu tun, dass die Diakonie so gut wie nicht in Containern sammelt, sondern auf die Direktabgabe der Spenden in den Kleiderkammern setzt. Klein sagt, diese Hilfsangebote seien nach wie vor unverzichtbar. Denn Armut sei auf jeden Fall der Auslöser, sich dorthin zu wenden. Und  für die Diakonie der Grund, diese Angebote zu machen. „Es geht um Menschenwürde.“

Entsprechend wichtig sei es, das zur jeweiligen Jahreszeit richtige Sortiment vorzuhalten. „Wir freuen uns immer, wenn die Spenden passend zur kurz bevorstehenden oder laufenden Saison kommen, weil unsere Lagermöglichkeiten begrenzt sind.“

Francesca Lombardo ist gerade von ihrem wöchentlichen Einsatz in der Völklinger Kleiderkammer des Roten Kreuzes zurückgekehrt. Schließungspläne? „Um Gottes Willen.“ Sinkende Kundenzahl wie in Dudweiler? Von wegen. „Wir haben heute gut verkauft. Die Nachfrage ist konstant sehr gut. Bei uns ist reger Publikumsverkehr, wenn wir mittwochs von 10 bis 12 Uhr öffnen.“ Das Sortiment reiche von Kindersachen über Anzüge bis zur Damenmode. „Wir haben sehr gute Sachen und hängen nur Artikel auf, die wir selbst anziehen würden.“ Lombardo leitet die Einrichtung seit 2013. Die fünf Damen sind alle ehrenamtlich im Einsatz. Der Kammer-Standort kommt vielen Kunden entgegen: Sie ist in der Poststraße gegenüber dem Jobcenter.

Jürgen Nieser, der Sprecher des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (Awo), antwortet auf die Frage nach der Zukunft der Kleiderkammern: „Wir werden nicht schließen. Denn der Bedarf ist nicht geschrumpft.“ Schon gar nicht in Dudweiler, wo die Awo-Kammer in der Gärtnerstraße 1 zu finden ist. Und wo es Nieser zufolge sogar Warteschlangen gibt. „Für uns sind Kleiderkammern wie in Dudweiler und St. Ingbert wichtig“, sagt er. Denn sie hätten nicht nur günstige Sachen zum Anziehen im Sortiment, sondern auch ergänzende Angebote wie Nähkurse. Sie zu betreiben, zeuge von der Wertschätzung für die Ehrenamtlichen, die dort arbeiten. Und die Angebote seien ein Zeichen an die Menschen, die diese Häuser aufsuchen. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Kunden. Die Armut zeigt sich gerade im Regionalverband.“

Kontakt: Kleiderkammer des Diakonischen Werkes, St. Johanner Börse, Tel. (06 81) 3 89 83 35, Awo-Kleiderkammer Dudweiler, Tel. (0 68 97) 76 72 69, Rotkreuz-Kleiderkammer Dudweiler, Tel. (0 68 97) 1 71 77 55,  Kleiderkammer des Roten Kreuzes in Völklingen, Tel. (0 68 98) 2 88 08.

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