Bolivien-Hilfe Großem Projekt droht die Puste auszugehen

Saarbrücken · Seit 35 Jahren engagieren sich Katholiken auf dem Eschberg für Kinder in Bolivien. Nun sucht der Verein Hilfe über den Stadtteil hinaus.

 Die warmen Mahlzeiten, die die Kinder in den Internaten bekommen, sind auf dem Land in Bolivien keine Selbstverständlichkeit.

Die warmen Mahlzeiten, die die Kinder in den Internaten bekommen, sind auf dem Land in Bolivien keine Selbstverständlichkeit.

Foto: Partnerschaftsverein St. Augustinus

Ein Saarbrücker Stadtteil verändert sich. Und für Kinder in einigen kleinen Gebirgsdörfern in Südamerika verringern sich deshalb die Chancen auf Bildung und warme Mahlzeiten. Seit 35 Jahren unterstützt eine Gruppe aus St. Augustinus auf dem Eschberg ein Bildungsprojekt der Pfarrei San Miguel in Villa Serrano, einer Provinzhauptstadt im bolivianischen Andenvorland. Rund 40 000 Euro überweist die Gruppe, die 1994 den gemeinnützigen Verein „Partnerschaft St. Augustinus - Serrano Bolivien“ gegründet hat, jedes Jahr in die Partnerpfarrei, um dort drei Internate zu finanzieren.

Von Anfang an sei es darum gegangen, eine „verlässliche und langfristige Unterstützung“ des Projekts zu gewährleisten, sagt der auch für den Eschberg zuständige St. Johanner Pfarrer Eugen Vogt. 220 regelmäßige Spender und einige übers Jahr verteilte Aktionen, mit denen der Verein sein Projekt in Erinnerung brachte, sorgten bisher dafür, dass man der Partner sein konnte, der man den Bolivianern sein wollte. Dieses Engagement, sagt Anette Hildebrand, die mit ihrem Mann Thomas im Vereinsvorstand arbeitet, „zerfasert gerade etwas“.

Das liege daran, dass sich die Struktur der katholischen Kirche im Bistum Trier, also auch in Saarbrücken, verändert hat. Und es liege daran, dass der Eschberg nicht mehr der Eschberg ist, der er vor 30 Jahren war. „Unser Projekt, das war immer etwas vom Eschberg“, sagt Anette Hildebrand. Es habe in der Pfarrei ein Bewusstsein dafür gegeben, dass man hier gemeinsam etwas erreichen kann. Inzwischen gehört die damals noch junge, recht neu gegründete Pfarrei St. Augustinus zur großen Pfarrei St. Johann. Man trifft sich nicht mehr jeden Sonntag zum Gottesdienst. Das Gemeinschaftsgefühl schwinde.

Es sei aber nicht nur die Kirche, die sich verändert hat, sagt Pfarrer Eugen Vogt. „Der Eschberg hat sich verändert. Er ist zu einem überalterten Stadtteil geworden“, erklärt er. Die Zahl der regelmäßigen Spender ist von 220 auf 170 zurückgegangenen, „einfach weil die Menschen gestorben sind und wir keine neuen Spender gewinnen konnten“, sagt Anette Hildebrand. Das wiederum liegt nach Einschätung von Eugen Vogt an zwei Dingen. Daran, dass Menschen heute spontaner spenden, heute für das eine, morgen für ein anderes Projekt. Und es liege am Eschberg.

„Anfang der 80er Jahre war hier alles sehr lebendig“, sagt der Pfarrer. Die Pfarrei sei von jungen Familien geprägt worden.  Es habe eine starke Jugendarbeit gegeben. In so einem Klima konnte das Projekt wachsen. Durch die Corona-Einschränkungen bestehe nun die Gefahr, dass die Hilfe noch schneller schwächer wird, als eh schon befürchtet. Veranstaltungen, die bisher eine Brücke des Vereins zu den Eschbergern waren, können nicht stattfinden. Und so banal es klinge: Wenn man sich nicht treffe, könne man Menschen nicht begeistern und auch keinen gespendeten Kuchen verkaufen, sagt die Vorsitzende des Vereins, Elisabeth Uherek. Wobei der Verein durchaus mit Veränderungen umgehen kann. Die gab es aber bisher nicht zuhause, sondern in Bolivien. Als die Gruppe 1985 mit ihrer Arbeit begonnen hat, sei es um die Finanzierung von Schulessen gegangen, sagt Anette Hildebrand. Rund um Villa Serrano gebe es „viele Orte, die kaum erreichbar sind“. Dennoch haben Eltern ihre Kinder auf den langen Weg in die Schule geschickt, „weil sie wussten, dass sie dort eine von uns organisierte warme Mahlzeit kriegen“, erzählt sie.

Dann, 2006, wurde der Sozialist Evo Morales Präsident in Bolivien und sorgte dafür, dass der Staat sich um Schulspeisungen kümmert. Der Saarbrücker Verein konnte sich dann auf die inzwischen drei Internate konzentrieren und das Personal bezahlen, dass sich dort um die Kinder kümmert. Die Schüler und ihre Eltern können nur wenig beisteuern, sagt Elisabeth Uherek. Aber wer könne, zahle etwas Geld oder zahle seinen Beitrag in landwirtschaftlichen Produkten. Die Schüler selbst bauen in den Internatsgärten Gemüse an und kümmern sich um Kühe und Schweine für den Bedarf in den Internatsküchen.

 Engagiert für Bolivien, von links: Pfarrer Eugen Vogt, Elisabeth Uherek, Anette und Thomas Hildebrand vom Vorstand des Partnerschaftsvereins.

Engagiert für Bolivien, von links: Pfarrer Eugen Vogt, Elisabeth Uherek, Anette und Thomas Hildebrand vom Vorstand des Partnerschaftsvereins.

Foto: Martin Rolshausen
 2012 hat der Saarbrücker Verein dieses Jungeninternat im Andenvorland auf etwa 2100 Metern über dem Meeresspiegel gebaut.

2012 hat der Saarbrücker Verein dieses Jungeninternat im Andenvorland auf etwa 2100 Metern über dem Meeresspiegel gebaut.

Foto: Partnerschaftsverein Eschberg
 Hier startete das Projekt: die Kirche St. Augustinus 

Hier startete das Projekt: die Kirche St. Augustinus 

Foto: Oliver Dietze

Dem Verein selbst, sagt Vogt, sei es „nie nur um die Geldflüsse gegangen“. Es gebe einen guten Kontakt in die Partnerpfarrei. Es gehe so kein Spendengeld für Verwaltung verloren. Der Pfarrer von San Miguel verwalte das Geld und liefere mehrmals im Jahr detaillierte schriftliche Rechenschaftsberichte. Das sei etwas, das bei den Spendern auf dem Eschberg immer für Vertrauen ins Projekt gesorgt habe.
Nun sei man aber an dem Punkt, über den Stadtteil hinaus denken zu müssen. Wenn man keine Spender aus anderen Stadtteilen und Kommunen finde, dann werde das Problem des Eschbergs ein Problem in Villa Serrano.

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