Unkonventioneller Kurzhaarschnitt

Tobi hat's mal wieder dringend nötig. Sieht schon aus wie so'n langhaariger Bombenleger.

Würde Theas Oma das Erscheinungsbild meines Kumpels beschreiben. Mit abgrundtiefer Abscheu auf Alt-68er-Revoluzzer. Obwohl weder ihre Kinder noch die Nachbarn sie mit derlei Kampfansagen in der gutbürgerlichen Siedlung schockten. Nun will meine beste Freundin für eine anständige Frisur sorgen. Für einen Kurzhaarschnitt. Einen fluffigen. Ungelernt zwar, dafür obendrein völlig für umme.

Essenziell zu wissen: Tobis Mopp hat seit geschlagenen vier Wochen keine Schere zu spüren bekommen. Da er nicht unter brachialem Haarwuchs leidet, ist seine Lockenpracht auf dem zuvor zur Glatze geschorenen Haupt recht übersichtlich. Doch nichts da: Der Flaum muss runter. Auf der Stelle! Kein Weg führt daran vorbei.

Thea zückt den Langhaarschneider, den elektrischen. Ein altersschwaches Unikum. Mäße man es an seiner ohrenbetäubenden Lautstärke, müsste es in der Lage sein, ganze Schafherden nackig zu machen. Doch Theas wüste Bewegungen um Tobi drumherum deuten auf immense Kraftanstrengung. Stumpfe Klingen furchen sich mühselig durch wenige Zentimeter lange Haare. So wie sie an ihm herumdoktert, gleicht die Prozedur einem chirurgischen Eingriff. Ohne Vollnarkose, was Tobis ungezügelte Schmerzausstöße belegen. Griff Thea etwa aus Versehen nach ihrem Epilierer? Thea gibt nicht klein bei. Kämpft sich wie besessen durch die Kurzhaarmähne. Bis das Gerät versagt. Abrupt. "Ah! Fertig?", fragt Tobi erleichtert. Thea stockt. Wie ihre Maschine: "Was? . . . Äh . . . Ja . . . Fer . . ."

Ihr unvollendetes Werk - sprußige Fransen statt ebenen Kurzhaars - erhebt sich. Ohne sich im Spiegel zu betrachten. Tobi zieht vor, nach der Strapaze umgehend in die Kneipe überzusiedeln. Er öffnet die Lokaltür, tritt ein. Eine unbekannte Gestalt am Tresen bleibt mit den Augen an Tobi haften. Begrüßt ihn: "Und - an welchem Atomkraftwerk hast Du Deine Jugend verbracht?"

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