Präzisionsarbeit fällt Kirchturm

Quierschied · Die entwidmete evangelische Kirche in Quierschied hat seit vergangenem Montag keinen Kirchturm mehr. Die geplante Sprengung ging wie geplant über die Bühne. Feuerwehr und Polizei sicherten das Gelände weiträumig ab.

 Etliche Schaulustige kamen zur Sprengung am Montagabend. Fotos: Thomas Seeber

Etliche Schaulustige kamen zur Sprengung am Montagabend. Fotos: Thomas Seeber

 Wie geplant fiel der gesprengte Turm ins Sandbett.

Wie geplant fiel der gesprengte Turm ins Sandbett.

Ein Public Viewing der etwas anderen Art erlebte am vorigen Montagabend die Quierschieder Bevölkerung. Während in Brasilien Jogis Jungs dem Anpfiff zu ihrem ersten Spiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft entgegenfieberten, hatten sich mehrere Hundert Bürger im Gebiet Auf der Bruch versammelt.

In Fußball-Shirts, Deutschland-Trikots und in Zivil fieberten sie einem nicht alltäglichen Schauspiel entgegen: Punkt 18 Uhr sollte der Turm der ehemaligen evangelischen Kirche gesprengt werden. Dass der Zeitpunkt just mit dem WM-Auftakt der DFB-Elf zusammenfiel, war nicht geplant, "aber im Endeffekt wegen der Sicherheit gut gewählt", erzählte der Sprengberechtigte Helmut Hörig. Immerhin waren so viele Schaulustige lieber beim Grillen und Fußballschauen zu Hause geblieben. Auch wenn es trotzdem noch genügend Zaungäste gab.

Merklich unter Anspannung stand Helmut Hörig kurz vor dem Zeitpunkt des Turmfalls. So wuselte er von hier nach dort, gab Anweisungen und kommunizierte mit Polizei und Feuerwehr, die das Absperren der umliegenden Straßen mit ihren großen Löschfahrzeugen übernommen hatte.

Sein Team der Firma Pyro 2000 aus Rodalben hatte bereits am Freitag vergangener Woche mit der Arbeit begonnen. Dazu wurden im Fundament Löcher gebohrt, um eine Schwächung des Turmes zu erzielen. "Wie ein gefällter Baum", beschrieb Hörig, solle der Turm zu Boden gehen. Zur Sicherheit wurde die Stromverteilung für die Umgebung abgestellt. "Im Turm ist viel Metall verarbeitet", so der Sprengberechtigte, daher könne es sein, dass sich Teile in den Erdboden graben und die Leitung beschädigen. Evakuiert werden musste lediglich das Haus direkt neben dem Turm.

In all dem ihm umgebenden Trubel wirkte Pfarrer Hans-Lothar Hölscher angenehm erleichtert. Viele kleine Schritte seien gegangen worden bis zum heutigen Tag. Er erinnerte sich zum Beispiel an den letzten Gottesdienst im mittlerweile entwidmeten Gotteshaus: "Viele Tränen sind da geflossen".

Vor wenigen Wochen wurden die Turm-Glocken abmontiert und der evangelischen Kirchengemeinde der Böhmischen Brüder Salvator-Prag 1 geschenkt. "Frisch poliert wurden sie und läuten inzwischen auch", freute sich der Geistliche. Die ehemalige Kirche in Quierschied wurde an ein Saarbrücker Ehepaar verkauft, das mitten in den Renovierungsarbeiten steckt.

Dann war der Zeitpunkt gekommen. Zunächst ertönte das erste Warnsignal, ein lang gezogener Sirenenton. Pünktlich dazu ließ die katholische Kirche die Glocken läuten.

"Das nenne ich Ökumene", lachte Pfarrer Hans-Lothar Hölscher. Kurz darauf erklang der zweite Warnton. Dann gab es einen lauten Knall und der Turm sank dank des 1,5-Kilogramm-Sprengstoffpaketes zu Boden. Mit einem dumpfen Schlag knallte er wenige Sekunden später in ein vorher aufgeschüttetes Sandbett, die Schaulustigen applaudierten.

"Unn schon isser fort", hörte man da. Einige zog es noch hinter die Absperrung, wo sie das ehemals 27 Meter hohe Wahrzeichen aus der Nähe betrachteten. Viele machten Fotos oder Videoaufnahmen, dann machte sich die Menge langsam wieder auf den Heimweg - manch einer mit sehr traurigem Gesicht.

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