Grippeschutz für Obdachlose

Saarbrücken. Etwa 20 obdach- und wohnungslose Männer und Frauen warten bei schönem Herbstwetter vor dem Diakonischen Zentrum in der Alten Kirche Saarbrücken auf ihre Grippeschutzimpfung. Die meisten haben großflächige Tattoos und kaputte Zähne und alle sehen so aus, als habe es das Leben bislang nicht gut mit ihnen gemeint

 In der Praxis für medizinische Grundversorgung des Diakonischen Werks Saar in Saarbrücken impft Ärztin Karin Trautmann-Exner Winfried kostenlos gegen Grippe. Foto: dpa

In der Praxis für medizinische Grundversorgung des Diakonischen Werks Saar in Saarbrücken impft Ärztin Karin Trautmann-Exner Winfried kostenlos gegen Grippe. Foto: dpa

Saarbrücken. Etwa 20 obdach- und wohnungslose Männer und Frauen warten bei schönem Herbstwetter vor dem Diakonischen Zentrum in der Alten Kirche Saarbrücken auf ihre Grippeschutzimpfung. Die meisten haben großflächige Tattoos und kaputte Zähne und alle sehen so aus, als habe es das Leben bislang nicht gut mit ihnen gemeint. Im Saarland wird in diesem Jahre zum ersten Mal eine Grippeschutzimpfung für Menschen angeboten, die auf der Straße leben. "Wahrscheinlich ist es auch bundesweit die einzige", sagte Martin Kunz, Sozialarbeiter in der Medizinischen Grundversorgung für Wohnungslose des Diakonischen Werkes an der Saar. Genaue Daten liegen jedoch nicht vor.Risikogruppe für Virusgrippe Ihr oft schlechter Gesundheitszustand macht Obdachlose zur Risikogruppe für eine Virusgrippe. Etwa 1000 Menschen leben nach Angaben des Diakonischen Werkes im Saarland ständig oder teilweise auf der Straße, ihre Hemmschwelle, eine Arztpraxis aufzusuchen, ist hoch. Dies gilt für medizinisch notwendige Behandlungen und erst recht für Präventionsmaßnahmen wie den Grippeschutz. Der 26 Jahre alte Hein lässt sich aus Angst vor der Schweinegrippe impfen, obwohl nur die Schutzimpfung gegen eine Virusgrippe angeboten wird. Er lebt seit zehn Jahren auf der Straße und nimmt, weil er im Drogenersatz-Programm ist, nach eigenen Angaben regelmäßig die offenen Sprechstunden im Diakonischen Zentrum wahr. "Impfung tut das Leben verlängern", ruft Karl-Heinz, der sein Alter nicht angeben will. "Schreib 300 Jahre", fordert er. "So kommt s einem vor, wenn man auf der Straße lebt". Auch die 55 Jahre alte Ida ist zur Impfung kommen. Die schmale Frau mit den großen blauen Augen ist mager und kann nur noch flüstern. "Krebs", sagt sie. Erst Brust, jetzt Zunge. Mit der Schutzimpfung will sie weiteren Komplikationen vorbeugen. Karin Trautmann-Exner aus Saarbrücken führt an diesem Nachmittag die Grippeschutzimpfungen durch. Die praktische Ärztin und medizinische Gutachterin arbeitet seit Februar bei der "Medizinischen Grundversorgung Wohnungsloser". Regelmäßige SprechstundenSeit zehn Jahren bieten saarländische Ärzte in Kooperation mit der Diakonie ehrenamtlich "medical streetwork" und regelmäßige Sprechstunden für Wohnungslose im Diakonischen Zentrum Saarbrücken an. Etwa zehn bis 15 Patienten kommen jedes Mal, sagt Kunz, 145 Personen waren es im vergangenen Jahr. Seit 2006 trägt die Kassenärztliche Vereinigung Saarland die allgemeinärztliche Praxis. Behandelt und versorgt werden nach Angaben des evangelischen Wohlfahrtsverbandes auch Wohnungslose, die nicht versichert sind. "Bei den Obdachlosen gibt es, anders als in normalen Arztpraxen, viele junge Menschen mit mehreren schweren Erkrankungen", stellt Karin Trautmann-Exner fest. Zudem gehörten ihre Patienten meist nicht zu der treuen Sorte. Manche sehe sie nur einmal, andere nur dann, wenn Schmerzen unerträglich werden. Ob die nötigen Medikamente genommen werden, sei ebenfalls nicht zu kontrollieren — "aber das ist bei allen Patienten so ".

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