Eine Frau will ganz nach oben

Lockweiler · Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt – ein guter Opa erst recht. So wehrt er eine Parkscheibe und die Tasse Kaffee ab, bei den Linealen greift er gerne zu – und das gleich doppelt: eines für Enkel Paul, eines für Enkel Johannes.

 Beim Monatsmarkt macht Petra Hahn Wahlkampf vor dem Waderner Rathaus. Fotos: Rolf Ruppenthal

Beim Monatsmarkt macht Petra Hahn Wahlkampf vor dem Waderner Rathaus. Fotos: Rolf Ruppenthal

Noch ein flotter Spruch von Manfred Johannes - und schon macht er sich mit den beiden Wahlgeschenken aus dem Staub. Unmittelbar vor dem Rathaus haben SPD-Bürgermeister-Kandidatin Ulrike Hahn und ihre Parteifreunde ihren Stand zu diesem Mittwochsmarkt aufgebaut. "Der Gedanke, die Nachfolge von Fredi Dewald anzutreten, ist seit längerer Zeit gewachsen", verrät die 49-jährige Diplom-Ingenieurin für Architektur. "Ich bin seit 20 Jahren im Stadtrat und habe mit meiner Fraktion schon viel bewegen können. An der Spitze der Verwaltung gelingt dies noch mehr."

Vor großen Projekten ist der Sozialdemokratin nach ihrer Darstellung nicht bange. "Seit 24 Jahren bin ich für große Bauprojekte zuständig." Baustellen hat Wadern nach ihrer Ansicht genug. "Taten müssen jetzt sprechen. Und mit mir würde Wadern eine Bürgermeisterin haben, die gelernt hat, Baustellen nicht nur einzurichten, sondern auch qualifiziert abzuwickeln."

Es war Ehemann Burkhard, der sie nach ihrer Darstellung angefeuert hat, ihren Hut für dieses Amt in den Ring zu werfen. "Mach' das, ich unterstütze dich", erzählt die Frau, die beim Landesamt für zentrale Dienste arbeitet. "Ich bin voll motiviert, es ist zu schaffen", kommentiert sie ihre Hoffnung, "von der zweiten Reihe", wie sie es nennt, an die Spitze der Verwaltung zu gelangen. "Ich bin stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin im Bauausschuss", sagt sie, wendet sich einer Seniorin zu: "Es wäre schön, wenn mal eine Frau auf dem Bürgermeistersessel Platz nehmen würde", sagt die ältere Dame, freut sich über den Einkaufschip und das rosafarbene Osterei, das Vera Seimetz, Chefin der Waderner SPD-Frauen, ihr überreicht. "An und für sich müsstet ihr doch rote Eier haben", lacht die Beschenkte.

"In Rosa ist auch Rot drin - ebenso wie in Lila", kontert Ulrike Hahn schmunzelnd und zeigt auf den Flyer mit ihrem Foto, auf dem sie ein rotes T-Shirt trägt. Darunter prangt in weißer Schrift ihr Name. Ein violetter Balken schließt mit der Feststellung ab: "Für unser Wadern. Nur das Beste." Und das will die 49-jährige zweifache Mutter nach eigenem Bekunden geben. "Wenn man sich den Aufgaben nicht stellt, gibt es auch keine Lösung." Eines ist für sie jetzt schon gewiss: "Einfach wird das nicht."

Während Albert Lang, Organisator des Wahlkampfes, mit dem SPD-Landtagsabgeordneten und anderen Genossen im Schlepptau eine Runde über den Markt dreht, ein Schwätzchen mit Hahns Mitbewerbern Daniel Hoffmann und Jochen Kuttler hält, harrt die Kandidatin am Stand aus - trotz der Kälte, die an diesem Morgen den Hochwald fest im Griff hat, schüttelt Hände, beantwortet Fragen, setzt auf Bitten ihren Namenszug auf Flyer. "Vielleicht wird diese Unterschrift mal ganz wichtig und wertvoll", meint ein Charmeur und reicht ihr galant einen Kugelschreiber. "Ein intensiver Dialog mit den Bürgern ist mir wichtig", sinniert sie. "Ich will ihnen zuhören und mich um sie kümmern. Die Bürger sollen sich ernst genommen fühlen." Einen Dialog mit den Wadernern gleich dem runden Tisch der Jugend stellt sie sich vor.

Familien unterstützen nennt sie als weiteres Ziel, das sie sich gesteckt hat. "Wir haben hier gute Schulen, gute Kinderbetreuung." Zur Familienfreundlichkeit zählt für sie auch, Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen.

Derweil macht sich CDU-Kandidat Hoffmann auf dem Weg zu seinem Wahlkampfstand Station bei den Sozialdemokraten. "Als Konkurrenten verstehen wir uns nicht. Wir sind Mitbewerber", gesteht sie und winkt dem CDU-Mann freundlich zu. Die sympathische Einladung zu Kaffee und Kuchen verfehlt bei so manchem Marktbesucher ihre Wirkung nicht.

"Nein, gebacken habe ich den Kuchen nicht. Wir haben gute Bäcker", gesteht sie. Es würde ihr auch an Zeit fehlen. Denn zwischen Wahlkampf am Stand und in den Stadtteilen Klinken putzen verlangt die Arbeit in der Saarbrücker Behörde die ganze Frau. "Ich stehe um 4.30 Uhr aufgestanden, trete um sechs Uhr meinen Dienst an, bin gegen 17 Uhr zu Hause und starte spätestens um 17.30 Uhr mit dem Straßenwahlkampf", umreißt sie ihren Stundenplan. "Zum Glück hält mir mein Mann den Rücken frei", verrät sie. Pläne für Urlaub hat sie für dieses Jahr gestrichen. "Bei vier Kandidaten wird es mit Sicherheit zu einer Stichwahl kommen. In der Zeit zwischen dem 25. Mai und Pfingstsonntag werde ich mich nochmals richtig in den Wahlkampf reinknien. Dann bleiben nur noch wenige Tage Urlaub übrig", sagt sie und begrüßt freudestrahlend ihre Mutter Margot Wilhelm. Ein kurzer Plausch mit der Mama - weiter geht es mit Händeschütteln, Wahlgeschenke verteilen, Fragen beantworten.

Welche Probleme sind Ihrer Meinung nach die größten in Wadern?

Ulrike Hahn: Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung stellen der Erhalt und der gezielte Ausbau der baulichen Infrastruktur, der Gebäude und Straßen sowie der Ver- und Entsorgungseinrichtungen unserer Stadtteile eine wesentliche Herausforderung für die Zukunft dar. Die Menschen müssen hier attraktive Arbeitsplätze finden, weil dies die Voraussetzung dafür ist, dass sie hier wohnen bleiben. Daher sind der Erhalt der bestehenden und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen für mich absolute Chefsache. Das Aufrechterhalten der klinischen und ärztlichen Grundversorgung stellt gerade in ländlichen Regionen eine wachsende Herausforderung dar.

Was würden Sie anders als Ihr Vorgänger machen, wenn Sie Bürgermeister wären?

Hahn: Ich gehöre einer anderen Generation an als Fredi Dewald und habe daher eine andere Herangehensweise an die Probleme und Herausforderungen. Sicherlich betrachte ich als Frau manche Situationen aus einem anderen Blickwinkel. Für mich ist es wichtig, einen sehr intensiven Dialog mit den Bürgern zu führen und sie in die Entscheidungen der Politik einzubinden. Ich werde meine Entscheidungen und die des Stadtrates deutlicher erklären. In diesem Prozess werde ich mit dem Stadtrat auch Momente direkter Demokratie - wie Bürgerentscheide - stärken. Es ist mir ein besonderes Anliegen, Wadern mit den Bürgern zu gestalten, Probleme mit ihnen anzugehen und Lösungen suchen, nicht über ihre Köpfe hinweg. Wenn Sie für die Stadt drei Wünsche frei hätten, welche wären das?

Hahn: Eine Finanzspritze, um die zur Realisierung anstehenden Baumaßnahmen wie die Kernsanierung der Halle Lockweiler und den Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Wadrill, Investitionen in die Kinderbetreuungseinrichtungen, Sanierungen städtischer Straßen und die Erweiterung des Gewerbegebietes und damit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen sofort umsetzen zu können. Dass unsere Bürger auch künftig in Wadern attraktive Arbeitsplätze finden. Auch zukünftig einen Stadtrat, der mit Vernunft und Augenmaß die Probleme von Wadern angeht.

Welche Stärken hat Wadern aus Ihrer Sicht?

Hahn: Die Stadt Wadern verfügt über leistungsfähige Kindergärten bzw. Kindertagesstätten, Grundschulen, eine Gemeinschaftsschule, ein Gymnasium, ein Berufsbildungszentrum und eine Förderschule. Die weiterführenden Schulen sind gut miteinander verzahnt und arbeiten eng zusammen. Die Schaffung einer echten Ganztagesgrundschule wird dieses gute Angebot ideal ergänzen. Touristisches Angebot: Wadern hat landschaftlich sehr viel zu bieten und ist sehr reizvoll in den Schwarzwälder Hochwald eingebunden. Die Umwelt um uns herum ist weitestgehend intakt. Wir leben dort, wo andere gerne Urlaub machen. Unsere Stadt hat viele Sehenswürdigkeiten. Mein Ziel ist es, diese Stärken durch eine intensivere Verzahnung mit den Nachbargemeinden noch besser zur Wirkung zu bringen. In Wadern gibt es heute über 5000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wadern liegt geographisch günstig und verfügt über gute verkehrstechische Anbindungen

Ergänzen Sie folgenden Satz: Ich lebe gerne in Wadern, weil. . .

Hahn: . . .ich hier geboren bin, hier meine Wurzeln in Familie und Freundeskreis habe. Wadern ist meine Heimat. In unserer Stadt, in der Bevölkerung, ist stets ein "Wir-Gefühl" zu spüren und der Wunsch, füreinander da zu sein. Daher fühle ich mich hier wohl. Inspector Lynley muss zurzeit ohne sie auf Spurensuche gehen - zu sehr nimmt der Wahlkampf die Lockweilerin in Beschlag. Auch für Charlotte Link bleibt Ulrike Hahn, eine Freundin von anspruchsvollen Krimis, kaum Muße, ebenso wie für Bücher aus dem philosophischen Bereich. Denn die Sozialdemokratin, die Waderns Verwaltungschef Fredi Dewald beerben will, muss nicht nur Klinken putzen, Werbebroschüren verteilen, sondern auch ihren Job ausfüllen - beim Landesamt für zentrale Dienste. Dort ist die Diplom-Ingenieurin für Architektur für große Bauprojekte zuständig, wie die Kommunalpolitikerin erzählt. Es war ein Freund ihres Mannes Burkhard, der ihr Appetit auf Politik machte. "Das war 1990 - vor 24 Jahren", erzählt die zweifache Mutter. Mittlerweile hat die Sozialdemokratin in ihrer Partei einige Ämter inne: "Ich bin Mitglied im Ausschuss für Bauangelegenheiten des Stadtrates Wadern und die Sprecherin der SPD-Fraktion, seit 2013 auch stellvertretende Fraktionsvorsitzende", zählt sie auf. "Und im Ortsrat Lockweiler arbeite ich seit 2009 ebenfalls wieder mit."

Trotz aller zeitlicher Engpässe, die die momentane Doppelbelastung ihr abverlangt: Für den Ehemann sowie Tochter Louisa (13 Jahre) und den zwölfjährigen Sohn Jonas versucht die gebürtige Wadernerin, sich immer Zeit frei zu schaufeln. "Nur Nordic Walking fehlt mir", verrät die 49-Jährige. Wann soll sie sich auch noch die Stöcke schnappen und losmarschieren? Einen Umstand, den sie etwas bedauert. Eines streicht sie aber auf keinen Fall von ihrem Terminkalender: den Ausflug mit Jonas und Louisa. "Mit ihnen gehe ich regelmäßig schwimmen." Tischtennis habe sie mal gespielt, wie sie berichtet. Und als treu sorgende Mama war sie in Fördervereinen engagiert - zunächst im Kindergartens, danach in dem der Grundschule. Was sie mit ihrer Familie genießt: Rouladen nach Hausmannsart. Das Rezept ihres Lieblingsgerichtes hat sie nach ihren Worten von der Mutter ihres Mannes übernommen.

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Zur Person Geboren am 25. September 1964, Grundschule Lockweiler, Hauptschule Wadern, Hochwaldgymnasium Wadern, Staatliche Fachoberschule der Fachbereiche Ingenieurwesen Saarbrücken, Fachbereich Design, Abschluss: Fachhochschulreife, Fachhochschule, Abteilung Trier, Fachbereich Architektur, arbeitet beim Landesamt für Zentrale Dienste in Saarbrücken. Mit Ehemann Burkhard Hahn und den beiden Kindern Louisa, 13 Jahre, und Jonas, zwölf Jahre, lebt sie in Lockweiler. mst

 Touren durch Waderns herrliche Umgebung liebt Ulrike Hahn.

Touren durch Waderns herrliche Umgebung liebt Ulrike Hahn.

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HintergrundVier Kandidaten wollen den Waderner Bürgermeister Fredi Dewald beerben. Der 62-jährige Sozialdemokrat, der 16 Jahre im Amt war, verabschiedet sich in den Ruhestand. Seine Amtszeit endet am 31. Oktober. Mit der Kommunalwahl am Sonntag, 25. Mai, werden die Bürger der Stadt Wadern einen Nachfolger für den Sozialdemokraten bestimmen. Der Termin für eine Stichwahl wurde ebenfalls schon festgezurrt: Pfingstsonntag, 8. Juni. Für die CDU wirft der promovierte Biogeograf Daniel Hoffmann aus Büschdorf seinen Hut in den Ring, die SPD setzt auf die Ingenieurin Ulrike Hahn aus Lockweiler, Pro Hochwald auf den Redakteur Jochen Kuttler aus Nunkirchen. Als Einzelbewerber tritt der Fahrlehrer Guido Simon aus Lockweiler an. mst

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