Der Weg zur guten Baukultur

Ein altes Bauernhaus kaufen, entkernen, neu ausbauen, bewohnen - schöne Idee, spannend, oft gesehen. Wie wäre es aber mal damit: ein altes Bauernhaus kaufen, alles drinlassen, einziehen - noch schöner, noch spannender, oder? Diese Variante ist jedoch selten, was vor allem daran liegt, dass Objekte wie das „Haus Ackermann“ oder auch „Ackermanns Haus“ in Köllerbach-Herchenbach heutzutage ebenfalls selten sind: ein dreißig auf elf Meter großes südwestdeutsches Einquerhaus, bei dem Wohnteil und Wirtschaftsteil, also Mensch, Tier, Ernte- und Saatgut, nebeneinander unter einem Dach untergebracht waren.

 30 Meter lang ist das Bauernhaus in Herchenbach, das seit 2009 leer steht. Fotos: Oliver Dietze

30 Meter lang ist das Bauernhaus in Herchenbach, das seit 2009 leer steht. Fotos: Oliver Dietze

 Hinter dem Haus könnte ein neues Gebäude entstehen – mit wunderschönem Blick ins Grüne.

Hinter dem Haus könnte ein neues Gebäude entstehen – mit wunderschönem Blick ins Grüne.



Solche Anwesen waren Mitte des 19. Jahrhunderts nicht untypisch für die Region. Heute sind sie meist abgerissen oder verfallen. Wenn drumherum Unordnung herrscht, werden sie gern als "Schandfleck des Ortes" beschimpft. Das Besondere hier in Herchenbach: der herausragend gute Erhaltungszustand des Gesamten und die Qualität bis ins Detail.

Ortstermin in der Saarlouiser Straße 28. Lauter Leute, denen an Ackermanns Haus etwas liegt, sind unter dem hübsch verzierten Türsturz zusammengekommen. Allen voran die Eigentümer Armin Ackermann und Lebensgefährtin Edeltrud Weber. Der Schweißer Ackermann, der hier 1964 geboren wurde und der direkt nebenan gebaut hat, kann mit dem Anwesen nichts Eigenes anfangen. Er dachte bis vor kurzem gar an Abriss und Vermarktung der Fläche an drei Bauherren. "Es wäre aber noch schöner, wenn das Haus erhalten bliebe", sagt er heute.

Darüber freuen sich die Zwillinge Karl und Heinz Klein vom Heimatkundlichen Verein Köllertal sehr. Der Verein hat mehr als hundert Mitglieder und passt gut auf, was sich tut. Die Dorfchronisten Klein haben mitgeholfen, dass sich Armin Ackermann die Sache mit dem Abriss noch einmal überlegte.

Und sie haben natürlich zusammengetragen, was sie wissen: Dass nämlich der "Ackerer" (Bauer) Konrad Büch 1841 Karoline Schäfer aus Berschweiler heiratete und 1842 dieses Anwesen erbaute, das man früher "Kunrads Haus" nannte und heute "Ackermanns". Es stand bis zur Krankheit von Erika Klein-Ackermann, der Mutter von Armin Ackermann, etwa bis 2003 unter Bewirtschaftung als Vollerwerbsbetrieb. Seit Erika Klein-Ackermanns Tod 2009 ist der Wohnteil verwaist. Bis 2012 wurde noch etwas Vieh gehalten.

Ein Rundgang durch den Wohnteil versetzt die Gruppe in Staunen bis hin zu Schwärmerei: Fast alles ist noch an seinem Platz, Fenster, Holzböden, Einbauschränke, Treppengeländer, Fliesen, Stuck, sogar Wandfarben und Tapeten sind erhalten. Es riecht nicht modrig, und man hätte keine Bedenken, sich nach etwas Kehren und Staubwischen hier zum Kaffee niederzulassen. Der außergewöhnliche Erhaltungszustand hat zwei Ursachen, beides Glücksfälle: Bereits der Bauherr und seine direkten Nachfahren stellten hohe Qualitätsansprüche. Sie bauten mit dem Besten, was die Gegend hergab, etwa mit Sandstein aus Herchenbach, und leisteten sich wohl die fähigsten Handwerker.

Zweitens hingen die späteren Bewohner an dem Haus, veränderten ohne zwingende Notwendigkeit nichts, reparierten aber bei Bedarf, was zu reparieren war. So bewahrten sie alles Schöne und Werthaltige bis an ihr Lebensende.

"Das ist sowas von authentisch...", schwärmt der Köllerbacher Architekt Willi Latz in der ehemaligen Wohnstube; er hielte es für eine Schande, hier etwas rauszureißen..

"Auf dem Flohmarkt in Metz würde die mindestens 500 Euro kosten", beschreibt Regionalentwickler Peter Michael Lupp vom Regionalverband Saarbrücken eine Zimmertür mit handgeschmiedeten Beschlägen und Nägeln. Früher, weiß Lupp, habe man eine solche Tür eher ausgebaut und durch etwas handgemachtes Neues vom Designer ersetzt, heute wachse aber die Zahl der "Fans", die solche Gegenstände aufarbeiten, um das ganze Haus so stilecht wie möglich zu erhalten.

Aber findet sich solch ein Liebhaber auch für Ackermanns Haus? Einer der gut sechsstellig investiert? Nüchtern muss Lupp eingestehen, dass man es hier quasi mit einem "Patienten auf der Kippe" zu tun habe, will heißen: von wünschenswerter Inwertsetzung und Aufblühen eines einzigartigen Erinnerungsortes der bäuerlichen Alltagskultur bis hin zum Abriss ist alles möglich.

Modell für einen möglichen Weg zur Erhaltung von regionaler, ländlicher Baukultur ist das Haus schon jetzt: Der Heimatforscher (Heinz Klein) war aufmerksam, erkannte, dass es einen Schatz zu wahren gilt. Er informierte den Regionalentwickler (Peter Michael Lupp), der sich schon länger mit dem Gedanken trägt, ein "Musterhaus" für saarländische Baukultur sei nötig, um den Blick der Menschen für Erhaltenswertes zu schärfen.

Architekt Willi Latz, der im Köllertal lebt und arbeitet, stieg sofort und sehr gerne in die Planung ein. Das geschah sicherlich aus Liebe zur Heimat, aber auch, weil das Haus ihm unbedingt erhaltenswert erscheint und es zugleich das Potenzial hat, sich durch einen zusätzlichen Neubau auf dem 2 500 Quadratmeter großen Grundstück in die heutige Zeit weiterentwickeln zu lassen. Ein Glücksfall also auch für einen Architekten, der dem Vorstand der saarländischen Stiftung Baukultur angehört.

Welche Anforderungen an einen Neubau zu stellen sind, ist in einer Broschüre des Regionalverbandes nachzulesen: Gegenwartsbezogener Weiterentwicklung der ländlichen Bauweise in dem Köllertaldorf soll Rechnung getragen werden. Nicht das Neuartige oder Auffällige soll Richtschnur sein für den neuen Entwurf, sondern das Bestehende, der Geist des Ortes, des Dorfes, der Landschaft.

Die Aussichten für das alte Haus, das die Eigentümer, wenn auch schweren Herzens, verkaufen wollen, waren anfangs nicht sehr gut. Es steht nicht unter Denkmalschutz, folglich wären Abriss und Nutzung des Grundstückes für Neubauten durchaus denkbar - und machbar. Doch mit jedem Gespräch, mit jedem Blick in und auf das Gebäude schien es erhaltenswerter. Die Zahl seiner Fürsprecher wuchs.

Der Regionalverband Saarbrücken unterstützt das Modellvorhaben unter anderem durch eine Dokumentation . So könnte beispielgebend werden für andere Orte, vielleicht auch für andere Regionen, was gerade in Herchenbach geschieht.

In der Dokumentation stellt Regionalentwickler Peter Michael Lupp die Frage: Was wäre, wenn alles klappt? Seine Antwort darauf: "Das Dorf Herchenbach hätte zukunftsfähig einen bedeutenden Mosaikstein seines gewachsenen ländlichen Ortsbildes bewahrt". Ein wichtiges baukulturelles Erbe würde im idealen Fall behutsam saniert. Ackermanns Haus würde zum "Musterhaus für regionales Bauen" im Herzen eines saarländischen Dorfes. Noch ist das Wunsch und Vision zugleich.

Um die Dinge zum Guten zu drehen, haben die Architekten Willi Latz und Christian Schüßler schon einmal ehrenamtlich vorgearbeitet und Entwicklungschancen ausgelotet, samt Plänen für Ergänzungsbauten in der zweiten Reihe, die eine Bewirtschaftung rentabel machen könnten: Landhotel? Gästehaus? Mehrgenerationen-Wohnhaus? In jedem Falls muss ein Käufer gefunden werden für das "stattliche historische Bauernhaus aus dem Jahr 1842 - mit bebaubarem Grundstück in landschaftlich reizvoller Lage." Und der muss nicht nur kaufen, sondern auch bereit sein, das historische Bauernhaus zu erhalten und behutsam zu sanieren.

Peter Lupp verrät, dass es da jemanden mit Interesse gebe. Aber ob er auch wirklich zugreift?

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