Arbeiten mit Handicap in der Zukunft

Saarbrücken · Die SZ begleitet auch dieses Jahr die ARD/SR-Themenwoche mit Eigenbeiträgen. Dieses Mal lautet das Thema „Zukunft der Arbeit“. Welche Chancen auf einen Job haben Arbeitnehmer mit Behinderung im digitalen Zeitalter noch?

 Eine Reinraum-Wäscherei in Spiesen-Elversberg: Hier arbeiten mehrere Menschen mit Behinderung. Unter sterilen Bedingungen reinigen sie beispielsweise Arbeitsanzüge für die Computer-Industrie. Foto: Wolfgang Klauke

Eine Reinraum-Wäscherei in Spiesen-Elversberg: Hier arbeiten mehrere Menschen mit Behinderung. Unter sterilen Bedingungen reinigen sie beispielsweise Arbeitsanzüge für die Computer-Industrie. Foto: Wolfgang Klauke

Foto: Wolfgang Klauke

Die zunehmende Automatisierung in der Arbeitswelt hat auch Auswirkungen auf Werkstätten für Menschen mit Behinderung. "Die bisherigen industriellen Revolutionen haben vor allem die Arbeitsplätze von Niedrigqualifizierten betroffen", sagte Sabina Jeschke, Professorin an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen in einem Interview mit der "Tagesschau". Auch Jobs für durchschnittlich oder sogar hoch qualifizierte Berufstätige stünden zukünftig zunehmend unter Druck. Zudem seien laut Bundesarbeitsministerium 42 Prozent der Beschäftigten in Deutschland von einer hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit betroffen, hieß es.

Im Saarland macht sich der Wandel allerdings laut Michael Schmaus, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland (LAG WfbM Saarland), in den Behinderten-Einrichtungen bislang eher positiv bemerkbar. "Programmierte Maschinen ermöglichen ein breiteres Tätigkeitsspektrum, da komplexe Vorgänge vereinfacht werden, sodass Menschen mit Behinderung mehr Arbeitsmöglichkeiten finden können", erklärte Schmaus gegenüber der SZ. An Geräten, die beispielsweise Hydraulikteile testen, würden die Beschäftigten anhand optischer und akustischer Signale erkennen, welchen Arbeitsschritt sie als nächstes machen müssen. In Wäschereien zeige ein digitales Regalsystem, in welche Fächer bestimmte Kleidungsstücke gehörten. Der technische Fortschritt ermöglicht laut Schmaus zudem ein höheres Maß an Kontrolle und Qualität. Insgesamt gehören der LAG WfbM Saarland elf Werkstätten mit rund 3800 Beschäftigten an. Nicht alle Bereiche seien von der Digitalisierung betroffen: So würden sich Tätigkeiten in der Garten- und Landwirtschaft sowie im Kunsthandwerk gegenüber der industriellen Produktion weniger stark verändern, erklärte Schmaus.

Als weiteren positiven Aspekt nannte Schmaus, dass Arbeitsprozesse individuell an den Grad der Behinderung angepasst werden können. Motorisch eingeschränkte Mitarbeiter verpackten mittels Roboterarm Waren für Logistikunternehmen. "Zwar hilft uns die Automatisierung bei zunehmend schwieriger zu fertigenden Produkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen geht es aber nicht darum, Stellen einzusparen", sagte der Geschäftsführer. Er betonte, dass die Einrichtung behinderte Menschen dauerhaft am Arbeitsleben beteiligen wolle.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei in diesem Zusammenhang die Ausgleichsabgabe: Unternehmen, die ab einer bestimmten Größe nicht genug beeinträchtigte Menschen beschäftigen, müssen einen monatlichen Beitrag entrichten. Dabei können gemäß des Sozialgesetzbuches 50 Prozent der Aufträge, die an Werkstätten für behinderte Menschen erteilt werden, angerechnet werden. Das trage dazu bei, die Auftragslage für die Behindertenwerkstätten stabil zu halten, sagte Schmaus. Auch in Zukunft hänge es sowohl von den Auftraggebern als auch von der Kreativität in den Werkstätten ab, ob technischer Fortschritt zum Vor- oder Nachteil für Menschen mit Behinderung genutzt werde, ist Schmaus überzeugt.

sr.de/themenwoche

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