Arbeiten im geschützten Raum

Saarbrücken. "Manchmal stört mich", sagt Michael Schmaus (43), Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland e.V. (LAG-WfBM), "dass meist nur inklusive und integrative Projekte für behinderte Menschen in den Medien aufgegriffen werden"

Saarbrücken. "Manchmal stört mich", sagt Michael Schmaus (43), Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Saarland e.V. (LAG-WfBM), "dass meist nur inklusive und integrative Projekte für behinderte Menschen in den Medien aufgegriffen werden". Das dränge den Großteil der Behinderten, "nämlich all jene, die in den ,Werkstätten für behinderte Menschen' arbeiten, in den Hintergrund".3500 Menschen sind im Saarland in den zehn Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt. Schmaus vertritt als LAG-WfBM-Geschäftsführer seit 2001 die Interessen der Werkstätten im Land und auf Bundesebene. "Über jeden Menschen mit Behinderung, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fasst, freue ich mich. Aber wir dürfen eins nicht vergessen: Das sind Einzelfälle. Es ist nicht realistisch, dass man für alle 3500 eine Beschäftigung außerhalb der Werkstätten findet." Aber noch entscheidender ist, findet Schmaus, dass sich die meisten Menschen in den Werkstätten wohlfühlen. "Es stimmt, es ist ein geschützter Raum, in dem sich das Fachpersonal auf die spezielle Situation der behinderten Menschen einstellt." 1600 hauptamtliche Mitarbeiter bilden aus, leiten an und betreuen die behinderten Beschäftigten in den Werk- und Wohnstätten. Die Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, kann man grob in drei Gruppen fassen: 80 Prozent der Menschen sind geistig behindert, zehn Prozent haben eine seelische Behinderung und die übrigen zehn Prozent haben eine Körperbehinderung, die mit einer Lernbehinderung oder einer psychologischen Belastung einhergeht. "Die Allermeisten wären schlichtweg von den Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überfordert." Bevor Schmaus seine jetzige Stelle antrat, war er bei der Reha GmbH viereinhalb Jahre als "Fachkraft für betriebliche Integration" beschäftigt. "Mein Job war es, Werkstattbeschäftigte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren." Obwohl es schon über zehn Jahre zurückliegt, erinnert sich Schmaus lebhaft an einen Mann, der bei der Reha ein "typischer Leistungsträger" war. "Ein etwa 30-jähriger Lagerarbeiter, bei dem ich mir sicher war, dass eine Integration klappt." Schmaus sollte sich täuschen. "Nach einer Woche ist er untergetaucht, ging nicht zur Arbeit und war telefonisch nicht erreichbar. Nachdem ich ihn ausfindig gemacht hatte, erklärte er: 'In der Werkstatt war ich wer.'" Außerhalb, beschreibt Schmaus, fiel er vom Leistungsträger zum Leistungsschwächsten ab. "Den Druck hat er nicht verkraftet. Einen weiteren Integrationsversuch hat er nie gestartet. Er ist glücklich in der Werkststatt. Und diese Wahlmöglichkeit muss man einem behinderten Menschen eben auch geben." Insgesamt arbeiten bei den Werkstätten saarlandweit sechs Fachkräfte für betriebliche Integration. Über Praktika lernen sich Behinderte und Arbeitgeber kennen. "Jedes Jahr gelingt es uns, zehn bis 15 Menschen mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. Das ist mit Hamburg zusammen die beste Quote bundesweit", unterstreicht Schmaus, "und das sollte auch Erwähnung finden". Insgesamt konnten 130 Menschen mit Behinderung in den vergangen zehn Jahren integriert werden. Ein Viertel etwa kehrte in die Werkstätten zurück.

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