Geglückte Flucht vor der Gestapo

Riegelsberg · Viele jüdische Familien gab es nicht in Riegelsberg – doch es gab sie. Im Zuge der „Stolperstein-Diskussion“ haben wir uns nach den Schicksalen jüdischer Familien umgehört. Zeitzeugen verhalfen uns zu Details: Familie Herz floh in die USA und schickte nach dem Krieg Carepakete nach Walpershofen.

Auch über die Walpershofer Familie Herz erfuhr die Saarbrücker Zeitung Neues: Ein Leser aus Riegelsberg machte uns auf das Archiv der Selbstständigen Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands aufmerksam. In der Zusammenfassung über Christen jüdischer Abstammung in der NS-Zeit steht zu lesen, dass 1924 Henriette Groß (1899-1979), die zur evangelisch-lutherischen Gemeinde in Walpershofen gehörte, den kaufmännischen Angestellten Jakob Herz (1888-1949) aus Kusel heiratete. Er war ein Jude ohne festen Anschluss an eine Synagoge. Sein Vater hatte im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft und war als Invalide zurückgekehrt.

Am 18. Februar 1925 wurde Sohn Günter Ludwig Herz geboren. 1930 eröffnete Henriette Herz im Haus ihres Vaters Ludwig Groß in Walpershofen ein Geschäft. Als das Saarland 1935 an das Deutsche Reich angeschlossen wurde, verlor Jakob Herz seine Arbeitsstelle und musste freiberuflich als Textilhändler unter Juden arbeiten. Sohn Günter erlebte zu dieser Zeit häufig, dass er von Gleichaltrigen vom Fußballspiel ausgeschlossen wurde. Als die Repressionen gegen Juden auch im Saarland zunahmen, verkaufte Henriette Herz ihr Geschäft. Jakob Herz nahm Kontakt mit Verwandten in den USA auf, die der Familie Papiere besorgten und Geld für eine Ausreise bereitstellten.

Bis zu ihrer Ausreise im August 1936 wohnte die Familie Herz für drei Monate im Haus von Peter Büsch in Walpershofen. Ihre Flucht vor den Nazis verlief aufregend: Laut Kirchenarchiv fuhren sie zunächst mit ihrem Auto los, das aber eine Panne hatte - was möglicherweise verhinderte, dass die Familie von der Gestapo abgefangen wurde. Denn von Düsseldorf aus setzten sie die Reise per Bahn fort, wo sie vor Kontrollen verschont blieben.

In Hamburg bestiegen sie ein amerikanisches Schiff. In den USA lebte die Familie zunächst in Dayton/Ohio in einem Haus der Tante Rebekka Olch.

Ein Bruder von Jakob Herz ist in Dachau umgekommen, eine Schwester überlebte als Luxemburgerin in Frankreich. Der Sohn von Henriette und Jakob Herz, Günter Ludwig Herz, später genannt Ginter Louis Herz, kam 1945 als amerikanischer Soldat nach Deutschland.

Nach dem Krieg versorgte Henriette Herz ihre Verwandten mit Care-Paketen. Ab 1957 war Ginter Louis Herz mehrere Jahre bei der Air Base in Wiesbaden beschäftigt. Hier lebte er mit seiner Mutter und seiner Familie. Er hielt durch jährliche Besuche engen Kontakt mit seinen Verwandten in Deutschland.

Nach jüdischem Verständnis ist Ginter Louis Herz kein Jude, weil er keine jüdische Mutter hatte. Er hatte auch nicht an der Bar Mizwa (vergleichbar mit der Konfirmation) teilgenommen. Dennoch pflegte er zeitweise Kontakt zur Synagoge. Seine Frau in erster Ehe war christlich, wie es auch seine Frau in zweiter Ehe ist; diese zweite Ehe wurde kirchlich in der katholischen Kirche geschlossen, in diesem Zusammenhang ließ sich Ginter Louis Herz taufen. Auf seinem Lebensweg ist er praktizierendes Mitglied in verschiedenen Kirchen und Religionsgemeinschaften gewesen.

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