SZ-Leser ist empört Wie die Fernwärmepreise entstehen

Saarbrücken · SZ-Leser ist empört über Preiserhöhungen – EnergieSaarLorLux erklärt, welche Faktoren dafür verantwortlich sind.

 Das Heizkraftwerk Römerbrücke erzeugt Strom und Fernwärme. Einst gehörte es der Stadt, heute gehört es dem Privatunternehmen EnergieSaarLorLux, und an dem sind die Stadtwerke mit 49 Prozent beteiligt. Die Stadtwerke wiederum gehören nach wie vor der Stadt.   

Das Heizkraftwerk Römerbrücke erzeugt Strom und Fernwärme. Einst gehörte es der Stadt, heute gehört es dem Privatunternehmen EnergieSaarLorLux, und an dem sind die Stadtwerke mit 49 Prozent beteiligt. Die Stadtwerke wiederum gehören nach wie vor der Stadt.  

Foto: BeckerBredel

Stinksauer über den Fernwärmepreis von EnergieSaarLorLux (ESLL) ist SZ-Leser W.K. (Initialen geändert). Um 26 Prozent hat ESLL den Verbrauchspreis (genannt Arbeitspreis) erhöht und um 6,3 Prozent den Grundpreis (genannt Leistungspreis). Und das in nur 14 Monaten, nämlich vom 1. Oktober 2017 bis zum 1. Januar 2019. Das hat Herr K. ausgerechnet – und bei ESLL schriftlich Widerspruch eingelegt.

Begründung: „Derartige Preiserhöhungen gab es im gleichen Zeitraum in keinem Konsum- und Wirtschaftssektor!“ Außerdem verweist K. auf die Fernwärmeanbieter von Düsseldorf und Nürnberg, deren Arbeits- und Leistungspreise – laut ihrer Internetseiten – weit unter denen von Saarbrücken liegen.

Die SZ erkundigte sich bei ESLL ob Herr K. korrekt gerechnet hat – und ESLL-Sprecherin Nicole Kelleter bestätigte das. Allerdings erklärte Kelleter auch: „Wenn man Arbeits- und Leistungspreis zusammenführt, stellt man fest, der Gesamtpreis ist 2017/18 um 22 Prozent gestiegen. Aber dieser Preis war von 2013 bis 2016 bereits um 25 Prozent gefallen. Der Kunde, Herr K., bezahlt also heute weniger als 2012. Und vermutlich wird der Preis Mitte 2019 wieder sinken.“

ESLL hat Herrn K. aber auch schriftlich geantwortet. In einem ausführlichen Brief erklärt ESLL Herrn K. erstens, dass er keinen Widerspruch einlegen kann, weil in seinem Vertrag mit ESLL „die Möglichkeit einer Billigkeitseinrede gemäß §315 Absatz 3 BGB nicht besteht“.

Zweitens hat ESLL detailliert dargestellt, wie die Saarbrücker Fernwärmepreise zustande kommen. Kern des Preissystems – und Teil des Liefervertrages – ist demnach die sogenannte „Preisgleitformel“ (PGF). Diese Formel hatte ESLL 2010 in seine Verträge eingeführt. Vorausgegangen war ein spektakulärer Streit mit einer Saarbrücker Bürgerinitiative, die sich darüber beklagt hatte, dass die Preise von ESLL zu hoch – und vor allem nicht nachvollziehbar seien (die SZ berichtete).

Mit der Formel wollte ESLL ausschließen, dass dieser Vorwurf je wieder auftauchen kann. Grundlage der Formel sind die bundesweit geltenden „Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVB FernwärmeV)“. Sie geben den Rahmen vor, in dem Fernwärmeversorger sich bewegen dürfen, wenn sie Preisgleitformeln festlegen.

In der ESLL-Formel gibt’s „Kostenelemente“ und „Marktelemente“. Kostenelemente sind beispielsweise die Preise für Gas und Kohle – denn ESLL verbrennt Gas und Kohle. Ein Marktelement ist beispielsweise der Ölpreis – ESLL nutzt zwar kein Öl, berücksichtigt aber dessen Preis. Genau wie den Verbraucherpreisindex und den Lohnindex, die vom Statistischen Bundesamt festlegt werden.

Folglich, so versichert ESLL, habe die Firma selbst so gut wie keinen Einfluss auf die Höhe des Fernwärmepreises. Darüber, ob mit der Fernwärme trotzdem noch ein Gewinn erzielt wird, steht nichts im  ESLL-Brief an Herrn K.

Aber die Preisgleitformel ist auf der Internetseite von ESLL nachzulesen. Alle drei Monate passt ESLL seine Preise den Gegebenheiten auf dem Wärmemarkt an und informiert seine Kunden darüber. 2018 musste ESLL erstmals auch die Formel aktualisieren – und sandte den Kunden deshalb neue Verträge zur Unterschrift.

Im Antwortbrief an Herrn K. erklärt ESLL außerdem, dass Vergleiche zwischen Fernwärmepreisen in verschiedenen Städten nicht funktionieren, weil die Fernwärme-Firmen meist völlig verschiedene Kraftwerke und Leitungsnetze haben.

Eine Besonderheit in Saarbrücken ist beispielsweise, dass die Fern­wärmeleitungen hier nicht ESLL gehören, sondern den Stadtwerken (SWS). Und ESLL muss „Netznutzungsentgelt“ an die SWS bezahlen. Obwohl ESLL zu 49 Prozent den SWS gehört. Die wiederum gehören zu 100 Prozent der Stadt.

 Ein Blick auf die Internet-Seiten diverser Fernwärme-Anbieter zeigt: Etliche sind tatsächlich billiger, einige sogar wesentlich billiger – andere aber auch teurer, teilweise sogar erheblich teurer als ESLL.

Herr K. wohnt in einem 130-Quadratmeter-Reihenhaus am Eschberg. Insgesamt muss er fürs Heizen – nach aktueller ESLL-Preisliste – 1992,51 Euro bereithalten. Denn er hat einen Anschluss mit 17 Kilowatt Kapazität –  und verbraucht pro Jahr 16 000 Kilowattstunden Wärme. Dazu kommt die Miete für das Fernwärmemessgerät.

In Mannheim wären nur 1196,88 Euro fällig, in Düsseldorf 1445,82 Euro, in Bonn 1514,05 Euro, in Reutlingen 1538,19 Euro, in Ludwigshafen 1578,11 Euro, in Nürnberg 1683,86 Euro, in Mainz 1851,97 Euro, in Kaiserslautern 1797,19 Euro.

In Tübingen (rund 14 Kilometer entfernt von Reutlingen mit 1538,19 Euro) müsste Herr K.  allerdings schon 2046,43 Euro bezahlen, in Kiel sogar 2567,80 Euro. (Bei der Berechnung dieser Zahlen berücksichtigte die SZ die Arbeitspreise, Leistungspreise, Wärmezählermiete und die Gebühren für die Abrechnung – so weit diese Zahlen über die Preisblätter der Firmen im Internet abrufbar sind.)

Herr K. will die Sache dennoch weiterverfolgen und sich ans Bundeskartellamt wenden, wie 2009 auch schon die damalige Bürgerinitiative. Allerdings hatte das Bundeskartellamt 2017 seine Nachforschungen in Saarbrücken eingestellt – weil es nichts gefunden hatte, was zu beanstanden war.

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