Welche Wahrheit ist richtig?

Homburg. Harmlos klingt die Eingangsmusik, während der Zuschauer sich mit dem mehr als nüchternen Bühnenbild vertraut macht: ein spärlich eingerichteter Raum einer Polizeidienststelle, noch völlig unbeleckt von den technischen Errungenschaften, die man tagtäglich in den Krimiserien bewundern darf

 In beklemmender Atmosphäre lief im Kulturzentrum Saalbau die Aufführung von "Das Verhör" ab. Im Bild Rudi Knauss (links) und Giovanni Arvaneh. Foto: Michael Schneider

In beklemmender Atmosphäre lief im Kulturzentrum Saalbau die Aufführung von "Das Verhör" ab. Im Bild Rudi Knauss (links) und Giovanni Arvaneh. Foto: Michael Schneider

Homburg. Harmlos klingt die Eingangsmusik, während der Zuschauer sich mit dem mehr als nüchternen Bühnenbild vertraut macht: ein spärlich eingerichteter Raum einer Polizeidienststelle, noch völlig unbeleckt von den technischen Errungenschaften, die man tagtäglich in den Krimiserien bewundern darf. Ein Laptop sticht als einziges Requisit aus dem 60er-Jahre-Muff hervor, wird aber nicht benutzt. Hier findet es statt: "Das Verhör" (Autor John Wainwright, Bühnenadaption Eddie Cornwell), in einer Umgebung, die eher an den gemütlichen Inspektor Barnaby erinnert. Und genauso tritt Chief-Inspector John Parker (Karlheinz Lemken) auf, mit verbeultem Hut und Trenchcoat. Liebenswürdig und umgänglich scheint er zu sein, dieser Inspektor. Doch der Schein trügt. Tatsächlich befindet er sich auf einem Kreuzzug, will in der nun anbrechenden Nacht den als Zeugen eines Verbrechens vorgeladenen befreundeten Anwalt der Tat überführen. Er will "die Wahrheit" von ihm hören, das Geständnis. "Ein Psychoduell auf Messers Schneide, ein Krimi der Extraklasse" kündigt das Programmheft an und dazu ist dieses kammerspielartige Stück auch geeignet.

Doch trotz der anerkennenswerten Leistung der nur vier Darsteller springt der Funke nicht richtig über. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen wird nach jedem "Bild" die Bühne kurz abgedunkelt, was die Spannung immer wieder unterbricht. Zum anderen ist Rudi Knauss in der Rolle des zunächst überheblichen, dann aber immer zwielichtigeren Anwalts Adam Barklay nicht so überzeugend, wie er sein müsste. "Warum erzählst du mir das?", fragt ihn einmal der Inspektor, als Barklay aus heiterem Himmel von seinen Eheproblemen spricht. Der Zuschauer fragt sich das auch, denn nichts hat zuvor darauf hingewiesen, dass ein Riss in der Fassade des gelackten Anwalts aufgesprungen wäre. Genauso plötzlich und unvorbereitet kommen der Zusammenbruch und das Geständnis am Ende. Karlheinz Lemken als Inspektor, der sich in seine Idee verrannt hat, hat eine echte Bühnenpräsenz, Rudi Knauss bleibt neben ihm eher blass.

Aber das Stück kann mit anderen Pfunden wuchern. Denn es geht nicht nur um das hochaktuelle Thema des Kindesmissbrauchs mit all seinen Hässlichkeiten aber auch Hysterien. Auch die Frage, welche Wahrheit nun die richtige Wahrheit ist, wird ausgelotet. Und somit ist "Das Verhör" (Regie Michael Wedekind) mehr als ein Krimi mit einfachem Gut-Böse-Schema und allein daher schon ansehenswert.

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