Filmfestival Max Ophüls Preis Kritiken zu Ophüls-Filmen „Semret“, „Tamara“ und „Franky Five Star“

Saarbrücken · Drei Spielfilme aus dem Wettbewerb des Ophüls-Festivals: „Semret“, „Tamara“ und „Franky Five Star“.

Lula Mebrahtu spielt die Titelfigur in „Semret“ (rechts), Hermea Tekleab ihre Tochter Joe.

Lula Mebrahtu spielt die Titelfigur in „Semret“ (rechts), Hermea Tekleab ihre Tochter Joe.

Foto: Pascal Mora

In „Semret“ zeichnet Caterina Mona, 1973 in Zürich geboren, das packende Porträt einer alleinerziehenden Frau, die aus Eritrea geflohen ist. Jetzt lebt sie mit ihrer Tochter zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Zürich.  Semret (Lula Mebrahtu) arbeitet im Krankenhaus und möchte unbedingt eine Hebammenausbildung absolvieren. Ihre 14-jährige Tochter Joe (Hermela Teklab) geht zur Schule, zeichnet gerne und will später zur Uni, um Kunst zu studieren.  Die verschlossene Mutter wird von Albträumen geplagt, sie versucht, die Vergangenheit komplett zu verdrängen. Ihre Tochter will sie vor allen möglichen Einflüssen von außen abschirmen, über die Flucht und den Vater zu reden, ist für sie absolutes Tabu.  „Wir dürfen niemand in unser Leben lassen, nur wir beide zählen“, sagt sie einmal.

Das führt zunehmend zu Konflikten, denn Joe, die Eritrea nie gesehen hat, will wissen, was passiert ist. Ist ihr Vater tatsächlich bei der Flucht ertrunken, bevor sie überhaupt geboren wurde?  Oder was ist vor knapp 15 Jahren wirklich geschehen? Als Mutter und Tochter zwei Landsleute treffen und kennenlernen, kommt Bewegung in die zuvor festgefahrene Situation.  Visuell unspektakulär, mit meist ruhigen, aber doch eindringlichen Bildern und feiner Musik bringt Caterina Mona mit „Semra“ eine ebenso starke wie verletzliche Frau auf die Leinwand, deren Schicksal uns anrührt und nicht mehr loslässt.

Die Regisseurin und Drehbuchautorin deutet oft nur an, lässt bewusst Leerstellen und Freiräume. Dabei kann sie sich auf ihre großartige Hauptdarstellerin Lula Mebrahtu verlassen, ebenso auf Hermela Teklab, die dieser fiktiven Geschichte ganz viel Glaubwürdigkeit verleihen. Und so bekommen die Zuschauerinnen und Zuschauer zumindest auch eine leise Ahnung davon, welches Leid Menschen wie Semret, die vor Kriegen, Gewalt, Armut oder Elend aus ihrer Heimat geflüchtet sind, erdulden müssen.

Freitag 9.30 Uhr, Cinestar 8; Samstag 11.30 Uhr CS 3.

Im großen Garten hinter dem stolzen alten Haus sind Tische und Bänke aufgebaut, es wird gefeiert. Und plötzlich ist sie wieder da: Tamara. Wie ein Fremdkörper wirkt die junge Frau (Linda Pöppel) in ihrer schicken, modernen Kleidung und ihrem selbstsicheren  Auftreten hier in der ostdeutschen Provinz. Sie wurde 1990 geboren, hat wie etliche aus der Nachwendegeneration ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Nur zu größeren Feierlichkeiten besucht sie ihre Familie – und ist bald wieder weg. Diesmal nicht. Der Vater wird bei einem schrecklichen Autounfall getötet, Tamara und ihre Mutter Barbara (Lina Wendel) müssen sich um die Beerdigung und die Folgen kümmern. Außerdem steht ihr Haus auf dem Spiel, denn das Grundstück, auf dem es gebaut wurde, gehört nicht der Familie. Selbst das ist noch nicht alles, ein weiterer Schock steht Tamara noch bevor.

Jonas Ludwig Walter, 1984 in der DDR geboren,  arbeitet in „Tamara“ ebenfalls mit Leerstellen, lässt vieles offen. Die Geschichte spielt in einem Land, das es nicht mehr gibt. Sie handelt von Widersprüchlichkeiten, von Unsicherheiten und einer großen Lebenslüge. Tamara hat dieses Land nie richtig kennengelernt. Damals ist sie weggelaufen, jetzt muss sie sich ihrer Geschichte stellen. Sie will mit der Mutter reden, aber die beiden kommen nicht richtig zusammen. Nur sehr langsam nähern sie sich an.  Ein Familienfilm,  gut gespielt, behutsam und nachdenklich erzählt. 

Freitag 11 Uhr Filmhaus; Samstag 17.30 Uhr Cinestar 2.

Freundschaft und Liebe, Realität und Traumwelt,  Erwachsenwerden und Alter Egos. Ach ja: Ein Hotel im Kopf ist auch dabei. Wir sind in irgendeiner Stadt. Und sehen Franky (Lena Urzendowsky), die im Getränkemarkt jobbt und mit ihrer liebsten Freundin Katja in einer WG wohnt.  Ihren „Lebensweg“, nachdem die besorgte Mutter fragt, hat sie noch nicht gefunden, lässt sich mehr oder weniger treiben. Einfach sie selbst zu sein – das fällt der jungen Frau sehr schwer. Zumal Franky vier Stimmen in ihrem Kopf hat, die für reichlich Turbulenzen in ihrem Leben sorgen. Wenn sie in Bedrängnis oder peinliche Situationen gerät, steigt sie schnell in den Aufzug und fährt hoch in ein extraordinäres Hotel, das sie sich mit vier eigenwilligen Personen teilt.

Allerdings existiert das Belle Epoque-Hotel nur in Frankys Kopf. Und die strenge Frau Franke am Empfang, das verführerische Zimmermädchen Ella, die kleine Lenny und der schlagfertige Page Frank  sind nichts anderes als vier Alter Egos von Franky. Darauf muss man erstmal kommen. Birgit Möller aus Berlin, Jahrgang 1972, verwebt in ihrer  Coming-of-Age-Geschichte „Franky Five Star“ geschickt die Szenen aus Frankys „normalen“ Leben mit dem Geschehen in dem zauberhaften Hotel. Herausgekommen ist eine märchenhafte Tragikomödie, phantasievoll, turbulent, temporeich, zuweilen aber auch ein wenig kindisch. Für meinen Geschmack ist der Film etwas zu lang, die Handlung  hätte etwas stringenter sein können. Im Gedächtnis bleibt aber das ebenso erfrischende wie präzise Spiel von Lena Urzendowsky. Mit ihrer Gestik und Mimik, besonders mit den großen, wachen Augen,  drückt sie unterschiedlichste Emotionen aus, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt.

Lena Urzendowsky in „Franky Five Star“.

Lena Urzendowsky in „Franky Five Star“.

Foto: Sami Kuokkanen

Freitag 12 Uhr CS 8; Samstag 14 Uhr CS 3; Sonntag 19 Uhr CS 3.

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