Deutsche Autoren schreiben über Georgien Kindsmarauli, der Wein, der Stalin schmeckte

Saarbrücken · Was tun Georgier für das Image von Saarbrücken`? Und wie schmeckt der Wein, den der Georgier Stalin so liebte? Die Fragen werden im Buch „Nach Kolchis“ beantwortet. Wir sprachen mit dem Herausgeber, dem Saarbrücker Autor Ralph Schock.

 Ralph Schock kennt Georgien aus der Zeit, da die Saarbrücker Städtepartnerschaft noch vital war. Der Literaturwissenschaftler und Autor hat jetzt ein Georgien-Buch mit Texten deutscher Autoren publiziert.

Ralph Schock kennt Georgien aus der Zeit, da die Saarbrücker Städtepartnerschaft noch vital war. Der Literaturwissenschaftler und Autor hat jetzt ein Georgien-Buch mit Texten deutscher Autoren publiziert.

Foto: Iris Maria Maurer

Saarbrücken verbindet seit 47 Jahren eine Städtepartnerschaft mit Tbilissi, der Hauptstadt von Georgien. „Nach Kolchis. Faszination Georgien. Reiseimpressionen“, heißt eine neue Anthologie mit Texten deutschsprachiger Autoren über Georgien. Wir sprachen mit dem Herausgeber, dem Saarbrücker Autor und ehemaligen Literaturredaktuer des Saarländischen Rundfunks Ralph Schock ü

ber seine Motivation.

Wenn man nur den Titel Ihres Buches liest, vermutet man eine Reisereportage, die dafür begeistern will, nach Georgien zu fahren. Das Buch ist dann aber eine Anthologie, in der Ihre eigenen Reiseerlebnisse nur einen kleinen Teil ausmachen. Was verbindet Sie denn mit Georgien ?

Schock: Die emotionale Beziehung zu den überaus gastfreundlichen Menschen und die grandiose Landschaft. Zum ersten Mal war ich 1979 im Rahmen der Städtepartnerschaft in Georgien. Nach mehreren Delegationen von Politikern sollten zwei junge saarländische Autoren, der andere war Gerhard Bungert, vier Wochen lang dort Eindrücke sammeln – und umgekehrt: zwei junge georgische Autoren besuchten anschließend vier Wochen lang Saarbrücken und das Saarland.

Warum also eine Anthologie statt eines Buchs mit eigenen Texten?

Schock: Joseph Roth, Oskar Maria Graf oder Egon Erwin Kisch sind phantastische Autoren und sehr genaue Beobachter Georgiens zu Anfang des Jahrhunderts. Rainer und Sarah Kirsch, Clemens Eich oder Katja Petrowskaja haben später aus ganz unterschiedlichen Perspektiven dieses Land beschrieben. Immerhin sind ja zwei Beiträge von mir: über einen Besuch bei dem deutsch-georgischen Schriftsteller und Philosophen Giwi Margwelaschwili, einst Stadtschreiber in Saarbrücken und Autor eines historischen Saarbrücken-Romans. Und außerdem über die unvergessliche Begegnung in einem georgischen Dorf mit der letzten Nachfahrin schwäbischer Auswanderer im frühen 19. Jahrhundert.

Was für Texte sind das denn nun, die Sie Nicht-Georgien Kennern unbedingt empfehlen?

Schock: Es sind ganz unterschiedliche Texte mit ganz unterschiedlichen Themen: Landschaftsschilderungen, Porträts spannender Menschen, Erzählungen über schöne oder seltsame Ereignisse, auch Gedichte. Etwa von Rainer Kirsch über Stalins Lieblingswein Kindsmarauli. Der schmeckt übrigens furchtbar.

Über Georgien existieren seit dem 18. Jahrhundert sehr viele Reiseberichte oder Erinnerungen deutschsprachiger Autoren. Nach meinem ersten Besuch dort, habe ich angefangen, dieseTexte systematisch zu sammeln. Der Verlag war aber vor allem an Texten aus dem 20. und 21. Jahrhundert interessiert, weil es eine solche Anthologie bislang nicht gab.

Nino Haratischwili ist die Autorin des letzten Texts, sie beschreibt die Bombardierung ihrer Heimatstadt Tbilissi durch die russische Armee. Wenn man das liest, stockt einem fast der Atem und man denkt sofort an die Ukraine. Wieso haben Sie diesen fast prophetischen Text ausgewählt? Sie konnten ja nicht ahnen, wie aktuell er sein wird.

Schock: Nein, das nicht. Aber der russische Angriff auf Tbilissi im August 2008, die vielen Toten damals, das ist bis heute ein Trauma in Georgien. Diesen Text, dieses erschütternde Kriegstagebuch, wollte ich unbedingt ans Ende setzen. Und ja, die Parallelen zu den aktuellen Ereignissen in der Ukraine sind furchtbar.

In einem der Texte beschreibt Clemens Eich, wie er Mitte der 90er Jahre bei seinem Besuch in Tbilissi überrascht wurde von einer Saarbrücken-Schwärmerei der Georgier ...

Schock: Ja, er schreibt wörtlich: „Saarbrücken ist für die meisten ein ferner Traum, einige wenige waren schon dort (…) und sprechen nun nach ihrer Rückkehr mit schwärmerischen Augen und warmer Stimme von Saarbrücken. (…) Eine Aura, die man nicht für möglich gehalten hätte, umgibt auf einmal diese Stadt am Rand der Bundesrepublik. (…) In Tbilissi bekam ich eine unerklärliche Sehnsucht nach Saarbrücken.“ Aber hierher gekommen ist er dennoch nicht.

Die Begeisterung der Georgier für Saarbrücken war ein Resultat der Städtepartnerschaft. Von dieser hört man gar nichts mehr. Woran liegt das?

Schock: Sie ist leider etwas eingeschlafen. Es liegt unter anderem daran, dass man inzwischen ganz einfach als Einzelreisender nach Georgien fliegen kann, man braucht also keine Delegation mehr. In Georgien wird es übrigens bedauert, dass der bisherige Ministerpräsident und auch der Oberbürgermeister der Partnerstadt von Tbilissi offenbar weniger als ihre Amtsvorgänger an institutionellen Kontakten interessiert sind.

Für Ihr Georgien-Buch dagegen scheinen sich eine Menge Menschen zu interessieren. Wegen des großen Zulaufs zu Ihrer Buchvorstellung musste das Saarbrücker Kulturzentrum KuBa sogar einen zweiten Abendtermin ansetzen. Auch der war sehr gut besucht. Wie erklären Sie sich das?

Schock: Durch die Städtepartnerschaft sind ganz unterschiedliche Beziehungen zwischen dem Saarland und Georgien entstanden, nicht zuletzt zahlreiche Ehen. Zwei Schulen pflegen regelmäßigen Austausch mit Partnerschulen in Georgien, georgische Studenten studieren hier, georgische Musiker und Künstler leben in Saarbrücken. Und diese community hat für die beiden georgischen Abende im Kulturbahnhof geworben. Ein Pianist spielte Filmmusik von Gija Kantscheli, einem bedeutenden georgischen Komponisten. Ein Chor sang, jedenfalls am ersten Abend, georgische Volkslieder. Einfache, aber wohlschmeckende georgische Gerichte waren vorbereitet worden, und man konnte den wunderbaren georgischen Rotwein Saperavi kosten. Wie man hörte, gab es in der Botschaft Georgiens übrigens Überlegungen, am 13. April, zum 30. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Georgien und Deutschland, nach Saarbrücken zu reisen. Wegen eines Empfangs im Schloß Bellevue aus Anlaß dieses diplomatischen Jubiläums, an dem auch die georgische Präsidentin Salomé Surabischwili teilnahm, kam diese Reise dann nicht zustande. An beiden Abenden wurde übrigens für die Ukraine gesammelt, weit über 1000 Euro wurden gespendet.

Ralph Schock (Hg.) Nach Kolchis. Faszination Georgien - Reiseimpressionen, 206 Seiten, 20 Euro, Verbrecher-Verlag, Berlin

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort