Shakespeares „Romeo und Julia“ als Inspiration für das Junge Ensemble des Staatstheaters Die erste Liebe in Pandemiezeiten

Saarbrücken · Nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause meldet sich das Junge Ensemble mit der Premiere seiner Shakespeare-Adaption von „Romeo und Julia“ zurück - und tanzt Menuett.

 Szene aus „Zeitzeugen der Postapocalypse“. Das Stück des Jungen Ensembles bekam bei der Premiere in der Alten Feuerwache viel Applaus.

Szene aus „Zeitzeugen der Postapocalypse“. Das Stück des Jungen Ensembles bekam bei der Premiere in der Alten Feuerwache viel Applaus.

Foto: Karger/SST/Astrid Karger

Die Pandemie scheint vorbei. Trotz schwindelerregender Inzidenzen, die keinen mehr so recht jucken – abgesehen von den Virologen und Nachrichtensprechern versteht sich. Nach der Pandemie ist vor der Pandemie, möchte man meinen. Doch dieser Sichtweise widersprechen die „Zeitzeugen der Postapokalypse“ – so der Titel des Stückes – vehement. Die Zeitzeugen, das sind wir alle, die Corona durch- und überlebt haben.

Zeit für eine Bestandsaufnahme. Stellvertretend übernehmen das an diesem Abend die vierzehn Jugendlichen des Jungen Ensembles des Staatstheaters. Auf der großen Leinwand sind deren Konterfeie zu sehen, allesamt sitzen sie am heimischen Rechner in ihren Jugendzimmern. Sätze wie „Ich möchte nicht den affektiven Reizreaktionen erliegen.“, sind zu hören. Während es sich die Zuschauer in der Alten Feuerwache auf ihren Plätzen bequem machen, sind weitere Texte und Gedichte zu vernehmen. Zweisprachig, auf Französisch und Deutsch, über die Fallstricke der Liebe. Live gelesen von den an den Seiten postierten jungen Autor und Autorinnen der Schreibwerkstatt – ein lyrischer Aperitif sozusagen.

„Hallo, ich bin Luca. Ich habe dieses Stück inszeniert“, so hieß dann Luca Pauer das Publikum willkommen. An ihrer Seite Anna Arnould-Chilloux, die Leiterin der Schreibwerkstatt, die ihren „Wortakrobaten“ für die Kurzlesungen dankte. „Ich habe heute eine Premiere für Euch. Ein Stück über Nähe und Liebe“, fährt Pauer fort. „Eigentlich labert man vor dem Stück nicht, aber ich muss das jetzt tun, weil es fantastisch ist, was wir seit Februar geleistet haben. Das hätte ich nicht für möglich gehalten und jetzt erlöse ich das Junge Ensemble.“ Applaus.

Nacheinander betreten die jungen Schauspieler die Bühne und beziehen Position. Allesamt in schwarzen Jeans und weißen Sweatshirts. Den Blick auffordernd ins Publikum gerichtet. Der Clou: Bevor sie in Echtzeit in Erscheinung treten, kündigen sie sich virtuell aus ihren Jugendzimmern selbst an. Analog-digital verschränkt, Mensch und Avatar in einem Aufzug. Ein kurzer Scan – das war’s. En passant verraten sie, wen aus der Runde sie mögen und werfen ein etwas unübersichtliches Beziehungsnetz aus. Doch das tut der Sache keinen Abbruch. Denn im Grunde agiert das Ensemble pars pro toto als jugendliches Bewusstsein von Liebe, einem antiken Chor nicht unähnlich.

 So schnell wie in dieser Saison entstand noch nie ein Stück des Jungen Ensembles. Erst im februar begann die Stückentwicklung.

So schnell wie in dieser Saison entstand noch nie ein Stück des Jungen Ensembles. Erst im februar begann die Stückentwicklung.

Foto: Karger/SST/Astrid Karger

Den Plot dazu liefert Altmeister Shakespeare. Romeo und Julia sind die Fixsterne. Deren unterdrückte Liebe die Parabel auf die erste Liebe der Corona-Generation in der Pandemie, dem eigentlichen Sujet des kurzweiligen Stückes. Die Handlung wird anhand prominenter Szenen (Ball, Balkon, erste Nacht, Schlussmonolog) schlaglichtartig nachvollzogen und mit Zitaten aus der literarischen Vorlage garniert. Alles mit Bedacht und dem Einsatz sehr gefälliger Akustik-, Beamer- und Illuminationseffekte.

Die Verabredung zum Ball erfolgt ganz „nice“ digital – und selbstredend in Jugendsprache. Getanzt wird dennoch klassisch Menuett, coronakonform mit Visier auf dem Kopf. Vor allem zwei Materialien kommen in der Inszenierung zum Einsatz: gewellte Plexiglasscheiben und lange Stoffbahnen. Während das Plexiglas trotz augenscheinlicher Transparenz eine starre materielle Barriere darstellt, lassen die Stoffbahnen ungleich mehr Nähe zu, sind flexible Verbindungen, was durch das wiederholte Stretchen und Dehnen geräuschvoll vorgeführt wird – und damit gleichzeitig als Metapher für die Zerreißprobe der ersten Liebe in der Pandemie stehen könnte.

„Die Pandemie hat uns Jugendliche mehr betroffen.“, meint Elena Schneider vom Ensemble. Ihre Kollegin Açela Sahin bekennt: „Ich dachte in der Pandemie, ich wäre menschenfeindlich geworden. Aber das Theaterspielen hat mir gezeigt, dass das nicht bin und gerne mit Menschen zusammen bin.“

Trotz des ernsten Kerns gelingt dem Ensemble der Spagat zwischen Belehrung und Unterhaltung. Die offensichtliche Spiellust des Ensembles ist mitreißend und ansteckend, wie Adolf Schwarz sagt: „Ich fand es sehr schön. Die Lichter, die Musik, sehr modern. Ich fand alles gut.“ Und Arnold Truar aus Schmelz meint: „Das war super, teilweise ergreifend. Ich konnte nachvollziehen, was gespielt worden ist.“

Gerade einmal zwei Monate dauerte die Vorbereitung für die halbstündige Darbietung. „Ich habe noch nie in so kurzer Zeit in Stück geschaffen.“, sagt Pauer. „Wir müssen Theater neu denken. Es geht vielmehr von den Spielenden aus, ich muss mehr Kontrolle abgeben.“ Die Arbeit hat sich gelohnt, wie der Applaus am Ende bewies.

Termine: 28.April, 6.Mai; www.staatstheater.saarland.de

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