Viele nachdenkliche Worte, aber auch Hoffnung Georgischer Abend steht im Zeichen des Ukraine-Kriegs

Saarbrücken · „Liebe Freunde Georgiens und der Ukraine, ich begrüße Sie alle herzlich zu unserem georgischen Abend.“ So heißt Michaela Kilper-Beer die rund 100 Gäste in der Kantine des Kulturzentrums am Eurobahnhof (KuBa) willkommen.

 Dieser georgische Chor solidarisiert sich mit der Ukraine: (von links) Nodari Kortua, Uta Partsvania, Giorgi Naroushwili und Gela Kortua.

Dieser georgische Chor solidarisiert sich mit der Ukraine: (von links) Nodari Kortua, Uta Partsvania, Giorgi Naroushwili und Gela Kortua.

Foto: David Lemm

„Das ist heute auch ein Abend der Solidarität mit der Ukraine. Wir reagieren damit auf die momentane Situation und kommen dem Wunsch des KuBa-Teams, des KuBa-Vorstands und der georgischen Gemeinde und vieler Besucher nach“, betont sie mit Hinweis auf den aufgestellten Spendentopf, der sich im Verlauf des Abends füllen wird. Applaus.

Dass sich mehr als 100 Besucher am Dienstagabend im KuBa eingefunden haben, freut die Hausherrin, die im gleichen Atemzug bedauert, dass sie nicht alle Interessenten berücksichtigen konnte. Deshalb hat die Hausherrin in Absprache mit Ralph Schock sowie der Georgischen Gemeinde kurzerhand einen zweiten Termin am Mittwoch, 13. April, anberaumt – mit denselben Protagonisten. Das sind zum einen der georgische Pianist Giorgi Naoushvili und der Chor der Georgischen Gemeinschaft, der T-Shirts mit der ukrainischen Flagge trägt, und zum anderen Ralph Schock. Der ehemalige SR-Literaturredakteur und Autor hat bereits im Oktober vergangenen Jahres die Georgien-Anthologie „Nach Kolchis – Faszination Georgien – Reiseimpressionen“ (erschienen im Berliner Verbrecher-Verlag) herausgegeben, die er nun erstmals in Saarbrücken vorstellt – und damit den coronabedingt eingeschränkten Kulturaustausch zwischen den beiden Partnerstädten Tbilissi und Saarbrücken wiederbelebt.

„Ich wünsche mir, dass dieser Abend der Auftakt für den Austausch in Präsenz nach Corona ist“, sagt Sabine Dengel. In ihrem Grußwort zeichnet die Kulturdezernentin der Stadt Saarbrücken die Geschichte der Städtepartnerschaft nach. Außerdem hebt sie die Rolle Schocks als Kulturvermittler der ersten Stunde hervor, indem sie ihn als „alten Hasen der Städtepartnerschaft“ tituliert. Denn bereits 1977 reiste Schock im Rahmen eines Schriftstelleraustauschs in die georgische Hauptstadt, wovon er später an diesem Abend aus dem Nähkästchen plaudernd berichtet. „Georgien ist eine Wiege der Kulturen zwischen Orient und Okzident. Eine Kulturnation, die mehr als guten Wein hervorgebracht hat. Georgien teilt die Grundwerte, die uns alle vorangebracht haben. Das sollten wir uns nicht nur zu Herzen nehmen, sondern auch im Verstand bewahren“, betont Jan Benedyczuk, Staatssekretär für Bildung und Kultur.

So erklärt es sich, dass viele prominente Schreibende dieses Sehnsuchtsland, das antike Kolchis, bereisten und literarisierten – darunter Nino Haratischwili, Ernst Jünger, Katja Petrowskaja, Sarah Kirsch, Rainer Kirsch, Egon Erwin Kisch, Giwi Margwelaschwili, Chaim Noll und Joseph Roth. So ergriff Clemens Eich „eine unerklärliche Sehnsucht nach Saarbrücken“, als er die Georgier mit schwärmerischen Augen und warmer Stimme von Saarbrücken schwärmen hörte. Auch die anderen von Schock vorgelesenen Texte zeugen von der „Freundlichkeit und Herzlichkeit der Einwohner und der Großartigkeit der Landschaft“, die Schock auf Georgisch am Beginn seines Vortrags beschwört.

Doch auch der Krieg gehört zur georgischen Realität. Im August 2018 sind „überall russische Panzer“, schreibt die georgische Theaterregisseurin, Dramatikerin und Romanautorin Nino Haratischwili und schlägt damit eine Brücke in die aktuelle Gegenwart, in der abermals Russland als Aggressor einen Anrainerstaat angreift. Und so bleibt dies ein Abend der gemischten Gefühle, der dennoch Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges und die Aussicht auf einen lebendigen Kulturaustausch macht. „Aufgrund der Ereignisse, die sich momentan überschlagen, werden wir das Gastatelier ukrainischen, geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern für jeweils drei Monate in diesem Jahr sowie auch für afghanische Künstlerinnen bereitstellen“, verkündet Kilper-Beer und erhält dafür Applaus.

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