Kunstausstellung Formenfülle und Farbenspiele

Neunkirchen · Die Städtische Galerie Neunkirchen präsentiert nach 2019 erneut Keramikkunst aus der Sammlung Hannelore Seiffert.

 Keramik von beate Kuhn

Keramik von beate Kuhn

Foto: Tom Gundelwein

Hannelore Seifferts Keramiksammlung dürfte eine der aufregendsten in Deutschland sein. Die Schiffweilerin sammelt seit 20 Jahren Unikatkeramik und hat inzwischen mehr als 1200 Objekte von 400 Künstlern zusammengetragen. Ihr Fachwissen wird weltweit geschätzt. Sie schreibt für Fachzeitschriften und wurde 2007 in die Internationale Akademie für Keramik in Genf berufen – eine große Ehre, denn es sind nur wenige Sammler dort Mitglied. Seifferts Haus gleicht denn auch einem Museum. Dreimal habe sie schon anbauen müssen, erzählt sie lachend. Jede Neuerwerbung erhält einen besonderen Platz im Haus, es wird arrangiert, gruppiert und in Szene gesetzt.

Schon 2018/19 zeigte die Städtische Galerie Neunkirchen in der Ausstellung „Brennpunkt Keramik“ eine Auswahl der Sammlung. Die kam so gut an, dass Galerie-Leiterin Nicole Nix-Hauck und Kuratorin Beate Kolodziej beschlossen, eine zweite Schau mit Stücken aus der Sammlung zu organisieren. Immerhin 114 Arbeiten haben Seiffert und die Kuratorinnen ausgewählt und zeigen diese nun: „Beim letzten Mal war Gefäßkeramik kaum vertreten“, so Seiffert, „nun bildet sie den Schwerpunkt.“ Und was für einen.

Zwar erinnern viele Werke an Vasen, Tassen und Teller, doch zur praktischen Nutzung sind sie eigentlich nicht gedacht. Es ist wieder ein berauschendes Konvolut aus Farben und Formen geworden. Vor allem die Oberflächen begeistern und wenn Hannelore Seiffert ins Schwärmen gerät, wirkt das ansteckend. Etwa wenn sie von Brenntemperaturen erzählt, die „exakt eingehalten werden müssen“, oder von Glasuren, die man zwar fertig kaufen oder nach festen Rezepturen anmischen kann, aber die „einfach erst etwas Besonderes werden, wenn man sie selbst produziert.“ Etwa die Ochsenblutglasuren, die eine gläserne Transparenz besitzen. Werden die Temperaturen sehr hoch, entsteht aber eine rote Färbung, dort, wo die Hitze mit voller Wucht auftrifft. Der Künstler steuert die Färbung über Stärke und Standort der Hitze. „Die Keramikkünstler müssen großes Wissen mitbringen: „Material, Ofen und Brenntemperatur beeinflussen das Ergebnis wesentlich“, so Seiffert, „und es gibt eine hohe Ausschussrate, die beim Experimentieren entsteht.“

Die Ausstellung beweist, dass auch Gefäßkeramik begeistern kann, etwa die grün schimmernden Seladon-Vasen von Fritz Rossmann oder die Vase von Martin Mindermann mit einer umlaufenden Ritzzeichnung von Elisabeth Wischeropp. Auffällig ist, wie die Künstler immer wieder die Grenzen des technisch Machbaren ausloten, wie etwa Petra Bittl mit ihren „gehäkelten“ Formen oder Karin Balok mit hauchdünner Keramik auf die innen und außen gestische Zeichnungen aufgebracht wurden, die durch das Material scheinen. Und nicht einmal Seiffert kann sich erklären, wie Kyungmin Lee seine Vase mit „Kühlrippen“ gefertigt hat.

Neben den Gefäßkeramiken sind aber auch wieder plastische Kunstwerke zu bestaunen, wie etwa Ewen Hendersons stark reduzierter Tierkopf, der auf den ersten Blick wie ein an die Wand genagelter Tonklumpen aussieht und erst bei längerem Hinsehen an einen Schafsschädel erinnert. Oder das in expressiver Farbigkeit angelegte „Lucidum“ der Kanadierin Susan Collett, das einer gischtschäumenden Welle ähnelt. Beatrijs van Rheeden arbeitet mit biomorphen Formen, in die sie akribisch hexagonale Waben schnitzt. Petra Wolf schuf ein Steinzeug-Objekt, das an eine übergroße graue Nuss erinnert. Darauf hat sie Tonbröckchen aufgebracht und diese mit Tausenden Nadelstichen perforiert. Es entstand eine schrundige Oberfläche. Grandios auch das weiße Porzellanobjekt der Schweizerin Rebecca Maeder, die Popcorn auf die pilzförmige Oberfläche setzte und dieses mitbrannte. Das Popkorn verbrannte rückstandslos und hinterließ Öffnungen in der glattpolierten Oberfläche, die an Fraßspuren erinnern und ein schaumiges Inneres zu offenbaren scheinen.

Es gibt also viel zu entdecken. Zweifellos gehört die Sammlung zu den bedeutendsten in Deutschland. Spannend ist nicht nur die oft herausragende museale Qualität, sondern die Vielfalt der Stücke. Nicht entgehen lassen sollte man sich eine Führung mit der Sammlerin, die hinreißend erzählen kann.

 Diese Keramik-Kugel stammt von Beatrijs van Rheeden (Niederlande).

Diese Keramik-Kugel stammt von Beatrijs van Rheeden (Niederlande).

Foto: Simon Leblang
 Susan Collett hat diese filigrane, lebendig wirkende Keramik-Skulptur geschaffen.

Susan Collett hat diese filigrane, lebendig wirkende Keramik-Skulptur geschaffen.

Foto: Simon Leblang

Läuft bis 22. November. Geöffnet Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-17 Uhr, So/feiertags 14-18 Uhr. Info und Anmeldung zur Führung mit der Sammlerin unter Tel. (0 68 21) 202 561 und unter www.staedtische-galerie-neunkirchen.de

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