Nicht nur Deutschland bekennt Farbe

Saarbrücken. "Partyotismus" ist eine Beschreibung für das Phänomen, das sich seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und während der laufenden Europameisterschaft an Häusern, Autos und auch den Menschen bunt präsentiert. Die Kombination aus "Party" und "Patriotismus": Fahnen, Perücken, Blumenketten oder Schminke

Saarbrücken. "Partyotismus" ist eine Beschreibung für das Phänomen, das sich seit der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und während der laufenden Europameisterschaft an Häusern, Autos und auch den Menschen bunt präsentiert. Die Kombination aus "Party" und "Patriotismus": Fahnen, Perücken, Blumenketten oder Schminke. Die Zur-Schau-Stellung der Nationalität dient dabei nicht nur der sportlichen Unterstützung der Nationalmannschaft. Es sei, laut der Soziologin Dagmar Schediwy, viel mehr ein Gemeinschaftserlebnis, ein Gefühl von Zusammenhalt und Zugehörigkeit, das offenbar im Alltag vermisst werde. Dass dabei die deutschen Fußballfans, vor allem bei den Spielen ihrer Nationalmannschaft, im Regionalverband in der Überzahl sind, ist keine Überraschung.Bemerkenswert ist aber, dass die anderen Nationen-Vertreter in Saarbrücken laut-bunt dagegenhalten. So sind es nicht immer die schwarz-rot-goldenen Anhänger, deren Fahnen an den Häusern dominieren. Manchmal finden sich sogar kombinierte Länderfahnen, die meist aus den Fenstern oberer Stockwerke wehen. Viele Bürger mit Migrationshintergrund nutzen so die Europameisterschaft, um ihre Nationalität mit Stolz zu zeigen.

Hupende Auto-Korsos

So hört man nicht nur nach den Deutschland-Spielen hupende Auto-Korsos auf den Straßen. Vor allem Italiens Anhänger bieten fleißig Paroli. Da wird nach dem letzten Vorrundenspiel gegen Irland (2:0) auch mal eine meterlange Landesfahne über eine Hauptstraße gespannt, um die ankommenden Autos unfreiwillig an der italienischen Euphorie teilhaben zu lassen.

Diese Form von "Partyotismus" scheint auch die Völkerverständigung zu fördern. Während einige Anhänger mit der Unterstützung ihrer Nation zum großen Multi-Kulti-Fest Europameisterschaft beitragen, fiebern manche sogar bei mehreren Mannschaften mit. Die sportliche Rivalität könnte dann bei direkten Duellen auf die Probe gestellt werden. Wenn Deutschland nämlich am morgigen Freitag im Viertelfinale gegen Griechenland gewinnt und Italien zwei Tage später England schlägt, würden sich die beiden Teams am kommenden Donnerstag im EM-Halbfinale gegenüberstehen. Die Franzosen könnten erst im Finale warten.

Zur Verschönerung der Häuserfassaden scheinen die wehenden Fahnen nicht zu dienen. Es ist wohl meist herzlich egal, ob neben der Fahne Graffiti prangt oder der Putz bröckelt - die Fahne ist ein Symbol und passt überall hin. Und vor allem ist sie ein Symbol für das Phänomen "Partyotismus". "Bei mir hängen zwei Fahnen, weil ich Italiener bin und in Deutschland arbeite. Im direkten Duell wäre ich aber für Italien."

Daniele Paoletti, 46, Eiscafé-Besitzer

"Ich bin in der Türkei geboren, aber selbst wenn die Türken bei der EM dabei wären, würde bei mir die deutsche Fahne hängen."

Latif Sezgin, 52,

Inhaber eines Shisha-Cafés

"Deutschland, Italien, Frankreich und ein wenig Griechenland.

In dieser Reihenfolge verkaufen sich

die Fahnen."

Michael Sersch, 51,

Geschäftsmann

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