Kein "privates Wasser" in der Region Neunkirchen

Neunkirchen

 Aus dem Hahn soll "öffentliches Wasser" laufen. Foto: dpa

Aus dem Hahn soll "öffentliches Wasser" laufen. Foto: dpa

Neunkirchen. In den vergangenen Wochen hat eine Brüsseler Initiative die deutschen Verbraucher aufgeschreckt: Müssen die Bürger befürchten, dass in absehbarer Zeit "privates Wasser" aus ihrem Hahn läuft? EU-Wettbewerbskommissar Michel Barnier hat nämlich Richtlinien vorgelegt, nach denen Konzessionen für Dienstleistungen europaweit einheitlich geregelt werden sollen - nicht nur in der Wasserwirtschaft, sondern auch bei sozialen Dienstleistungen wie beispielsweise Krankentransporten. Damit hätten Hunderte von Stadtwerken - bundesweit gibt es etwa 5000 Wasserversorger, vor allem kommunale Werke und Zweckverbände wie in unserer Region die WVO - die Wasserversorgung europaweit ausschreiben müssen. Die Folge: Privatunternehmen hätten einen Fuß in der Tür gehabt. Das befürchten Experten, unter anderem auch der Neunkircher KEW-Vorstand Werner Spaniol und Wolfgang Brück, seit einem halben Jahr hauptamtlicher Geschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), zu dem auch die KEW gehört.

"Wasser ist Daseinsvorsorge", postuliert Spaniol, der auch dem VKU-Vorstand angehört. Und die ist nach seiner und der Meinung der allermeisten Bürger Sache der öffentlichen Hand. Nach vielfältigen Bürgerprotesten und öffentlichem Druck hat Barnier inzwischen sein Vorhaben entschärft. Demnach würden nur noch etwa fünf Prozent der deutschen Wasserversorger von der Ausschreibungspflicht erfasst. Was wiederum für die KEW-Wasserbezieher in Neunkirchen, Spiesen-Elversberg und Schiffweiler (Schiffweiler und Landsweiler-Reden) bedeutet: Für sie bleibt ziemlich sicher alles beim Alten. Die KEW erfüllt nämlich zwei Kriterien, bei der die EU die Richtlinien, die eine Konzessionsvergabe vorschreiben, nicht anwenden will. Sie erzielt erstens weit mehr als die von der EU vorgeschriebenen 80 Prozent ihres Umsatzes - nur auf die Sparte Wasser bezogen - in ihrem Kerngebiet. Und sie kann auf bestehende Konzessionen verweisen, bei den die neue EU-Richtlinie ebenfalls nicht greift: Die KEW will noch 2013 die auslaufenden Vereinbarungen mit den drei von ihnen belieferten Gemeinden für zwanzig Jahre erneuern. Und wäre dann für diesen Zeitraum außen vor, wenn das EU-Recht voraussichtlich 2014 in deutsches Recht umgesetzt wird. Grund für KEW-Chef Spaniol, optimistisch zu sein: "Ich bin überzeugt, dass die KEW nicht unter die neuen Richtlinien der EU fällt. Die Bürger brauchen sich keine Sorgen zu machen!"

Was Spaniol und Brück aber nicht davon abhält, die völlige Herausnahme der Trinkwasserversorgung aus der EU-Richtlinie zu fordern. So wie es bereits mit anderen Ausnahmebereichen geschieht wie der Durchführung von Lotterien oder dem Betrieb von Häfen. Der VKU Saar habe deswegen bereits alle saarländischen Bundestagsabgeordneten angeschrieben, informiert Brück. "Wasser ist nicht wie Gas und Strom, die man überall verfügbar machen kann", unterstreicht Brück. Spaniol verweist darauf, dass man beim Nachbarn Frankreich mit der Öffnung der Wasserversorgung für den europäischen Markt nicht die besten Erfahrungen gemacht habe. Weil erwünschte Effekte wie mehr Effizienz und sinkende Preise ausgeblieben seien, seien viele Kommunen, darunter auch die Großstadt Paris, zur kommunalen Versorgung zurückgekehrt.

Und Spaniol wäre nicht Spaniol, wenn er als Bekräftigung nicht für "sein" Wasser werben würde: "Wir haben geschmacklich tolles Wasser. Ich trinke zu Hause nur unser Leitungswasser!" "Ich trinke

zu Hause

nur Leitungs-

wasser."

KEW-Chef

Werner Spaniol

Am Rande

Dass auch Privatleute für den Schutz des Trinkwassers aktiv werden, zeigt das Beispiel von Stephan Dietrich, der die Tankstelle am Kaufland in Neunkirchen betreut. Dietrich hat die Petition einer Europäischen Bürgerinitiative "Trinkwasser ist Menschenrecht" ausgelegt. Er hat sie auf der Internetseite der Gewerkschaft Verdi entdeckt, die sich der Initiative gegen die EU-Pläne zur Liberalisierung des Wasserhandels angeschlossen hat. Interessierten Kunden händigt Dietrich Unterschriftsformulare zur Unterstützung der Initiative aus, die er ebenfalls ausgedruckt hat. Etwa 200 dieser Formblätter hat er nach eigenen Angaben bereits verteilt. "Ich möchte die Menschen aufrütteln. Wer Wasser hat, hat die Macht", sagt er zu seinen Motiven. gth

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