Kunst im öffentlichen Raum Diese Bodenplastik ist flach und zackig und mittendrin

Illingen · Kunst muss sichtbar sein. Das Paradoxe an der „Kunst im öffentlichen Raum“ ist, dass sie deutlich sichtbar ist, und sie dennoch unsichtbar bleibt, denn kaum jemand nimmt Notiz von ihr. In einer Serie stellen wir Kunstwerke im öffentlichen Raum im Kreis Neunkirchen vor. Heute: „Drift“ von Rainer Maria Wehner im Burgpark in Illingen.

 Rainer Maria Wehner schuf 1992 im Rahmen der Biennale Media Futura in Illingen die Bodenplastik „Drift“.

Rainer Maria Wehner schuf 1992 im Rahmen der Biennale Media Futura in Illingen die Bodenplastik „Drift“.

Foto: Engel

Wochenlang schuftete der Bildhauer Rainer Maria Wehner im Burgpark in Illingen. Schnitt Schaltafeln zurecht, fügte sie zusammen; der zufällig vorbei schlendernde Flaneur konnte nicht erkennen, was entstand. Das war 1992. In der damals schon Kunst affinen Gemeinde Illingen initiierte Bürgermeister Werner Woll die Biennale Media Futura. Im Rahmen dieser Künstler-Zusammenkunft wurde auch der aus Karlsruhe stammende Bildhauer Rainer Maria Wehner (Jahrgang 1953) eingeladen. Die Konzeption und die Durchführung dieser bislang einmaligen Zusammenkunft bildender Künstler oblag der renommierten Homburger Galerie Beck.

Rainer Maria Wehner beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Schrift unter den unterschiedlichsten Aspekten. Und was da im Burgpark in Illingen flach und zackig auf der Wiese liegt, lässt sich mehr oder weniger leicht als das Wort „Media“ entziffern, wenn man die Kurrentschrift lesen kann.

Das 6,50 Meter lange, drei Meter breite und etwa 80 Zentimeter flache aus coloriertem Beton gefertigte Kunstwerk ist so konturiert, geteilt und auseinander gezogen, dass die Folge der Aussparungen das Wort „Media“ erkennen lässt. Media kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie „das in der Mitte befindliche“. Die Mitte der Skulptur hat Wehner ausgespart und „Media“ daraus geformt. Das Bodenobjekt „Drift“ mag Wehners Ansatz verdeutlichen. Das Form­ereignis des scheinbaren Auseinanderbrechens und -driftens sei für die Wirkung und das Verständnis letztlich wichtiger als die aus der Buchstabensequenz herauslesbare Bewandtnis, schrieb 1995 der Kunsthistoriker Prof. Dr. Peter Anselm Riedl in der Zeitschrift „NIKE“.

Heute, nach fast 30 Jahren auf der Erde des Burgparks in Illingen, sind einige Spitzen der zackigen Kurrentschrift abgebrochen (oder abgeschlagen), was dem Kunstwerk aber kaum seinen Reiz nimmt. Jetzt, im Frühling, erobern kleinwüchsige bunte Blumen den Saum der Skulptur. Sie hingegen liegt da am Boden und spricht eine Sprache, die nur zu verstehen ist, wenn man lange vor dem Kunstwerk verweilt, oder auch nicht. Es ist ja bekanntlich nicht die Aufgabe der Kunst, verstanden zu werden.

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