Archäologie Die Schuhnägel brachten den Durchbruch

Hermeskeil/Saarbrücken · In Hermeskeil befinden sich die Reste eines der ältesten Römerlager Deutschlands. Auch sechs Jahre nach der Entdeckung stoßen die Forscher immer noch auf neue Funde.

 Vorgeschichtliche Spikes: Archäologin Sabine Hornung mit einem Schuhnagel, der sich einst von der Sandale eines römischen Legionärs löste.

Vorgeschichtliche Spikes: Archäologin Sabine Hornung mit einem Schuhnagel, der sich einst von der Sandale eines römischen Legionärs löste.

Foto: dpa/dpa, Thomas Frey

Die Römer waren gründlich, als sie ihr Feldlager in Hermeskeil verließen. Alles Wertvolle nahmen sie mit, den Rest brannten sie nieder. Doch Sabine Hornung ist gründlicher: Seit sechs Jahren gräbt die Archäologin im Hunsrück an der Stelle, wo vor mehr als 2000 Jahren das Römerlager stand, buddelt Münzen und Keramikscherben aus der Erde, analysiert Erdschichten und nimmt winzige Teile verbrannten Flechtwerks unter die Lupe. Wie ein gigantisches Puzzle setzt sich nach und nach ein Bild zusammen und lässt den Alltag der römischen Soldaten erahnen.

Es war eine kleine Sensation, die ihr 2012 gelang: Sie konnte die Anlage im Hunsrück auf das Jahr 51 vor Christus, also in die Zeit von Julius Caesars Gallischem Krieg, datieren. Damit ist sie eines der ältesten römischen Militärlager auf deutschem Boden. Noch heute schwärmt sie davon, wie gut das Lager erhalten ist: „Wir haben die Original-Steinpflaster gefunden, die von den Soldaten ganz abgelaufen waren.“ Und nicht nur das: Auch auf die Überreste von Öfen mit Lehmkuppel („Ein ganz seltener Glücksfall“), Scherben von Amphoren, Münzen und Gürtelhaken stießen die Forscher.

Auch nach Jahren kann sich Sabine Hornung, die ihr Metier scherzhaft als „die hohe Kunst, im Dreck zu buddeln“ bezeichnet, noch für die kleinste Keramik-Scherbe begeistern. Für einen Science Slam schlüpft die Professorin für Vor- und Frühgeschichte, die an der Universität des Saarlandes lehrt, auch mal in ein Lara-Croft-Kostüm und erklärt ihre Entdeckungen anhand von Asterix-Comics. Das Kostüm ließ sie für ihren Vortrag bei der Universitätsgesellschaft des Saarlandes am Dienstagabend im Schrank hängen. Ihre Funde schilderte sie dafür nicht weniger verständlich und humorvoll.

Die Frage, wie alt das römische Militärlager tatsächlich ist, erwies sich zunächst als knifflig. „Da muss ein Archäologe richtig kreativ werden“, sagt Hornung. Und das tat sie: Sie wertete alles aus, was sie und ihr Team finden konnten und verglich die Funde mit historischen Quellen. Unter anderem die Schuhnägel der Legionärssandalen – eine Art vorgeschichtlicher Spikes – brachten schließlich Licht ins Dunkel: Sie hatten teilweise einen Durchmesser von drei Zentimetern. Aus Grabungen an anderen Römerlagern wusste man bereits, dass sich die Schuhnagel-Mode im Lauf der Zeit gewandelt hatte, deshalb war klar: Das Lager musste aus der Zeit des Gallischen Kriegs stammen. Mühlsteine und Münzen lieferten weitere Hinweise, und schließlich ließ sich das Lager auf 51 vor Christus datieren. „Absolute Gewissheit gibt es nie, aber es gibt viele Indizien“, sagt Hornung.

In dem 32 Hektar großen Lager, umgeben von einem Graben und einem Befestigungswall, waren bis zu 10 000 Soldaten untergebracht – in Zelten, die dicht an dicht standen. Überreste von Holzhäusern fand man nicht. Die Soldaten mussten campieren, nur in Winterlagern wurden feste Gebäude errichtet – und das war Hermeskeil eindeutig nicht, so Hornung: „Glauben Sie mir, den Winter will man nicht im Hochwald verbringen.“

Doch was wollten die römischen Truppen hier? „Sie kamen sicher nicht in friedlicher Absicht“, meint die Archäologin. Hatten sie es auf die nur fünf Kilometer entfernte keltische Siedlung der Treverer am Hunnenring in Otzenhausen abgesehen? Auffallend ist, dass die Siedlung um 50 vor Christus verlassen wurde, wie frühere Funde zeigen. Die These, dass die Römer dahinter stecken, ist verlockend. Beweisen konnte Hornung sie bislang noch nicht.

Hinweise auf Kampfhandlungen gibt es nicht. „Warum sollten die Römer sich die Mühe machen, eine stark befestigte Siedlung wie die am Hunnenring anzugreifen?“, sagt Hornung. „Wahrscheinlicher ist, dass sie die Kelten ausgehungert haben.“

 Da schlägt das Archäologen-Herz höher: Im mehr als 2000 Jahre alten Römerlager in Hermeskeil fand das Team um Sabine Hornung auch Überreste alter Öfen.

Da schlägt das Archäologen-Herz höher: Im mehr als 2000 Jahre alten Römerlager in Hermeskeil fand das Team um Sabine Hornung auch Überreste alter Öfen.

Foto: Sabine Hornung

Die Forschungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Vor kurzem erst hat das Team nur wenige hundert Meter vom Römerlager entfernt eine weitere keltische Siedlung und ein Heiligtum entdeckt. „Ein bisschen wie Asterix’ Dorf der unbeugsamen Gallier“, sagt Hornung. Ob die Siedlung und die Kultstätte zur gleichen Zeit bestand wie das Militärlager ist aber noch unklar. Es bleibt also noch viel zu tun für die Forscher – und Hornung freut sich sichtlich darauf.

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