Soziale Arbeit Arbeit im Brennpunkt trägt Früchte

Merzig · Gemeinwesentreffpunkt von SOS-Kinderdorf Saar in Schalthaussiedlung Merzig zog Bilanz seiner Arbeit aus 25 Jahren.

 Der Gemeinwesentreffpunkt vom SOS-Kinderdorf Saar in der Schalthaussiedlung in Merzig

Der Gemeinwesentreffpunkt vom SOS-Kinderdorf Saar in der Schalthaussiedlung in Merzig

Foto: Christian Beckinger

Eigentlich wollten sie das Jubiläum groß feiern, aber dann kam die Corona-Pandemie dazwischen und machte alle Pläne zunichte: Im vergangenen Jahr hat der Gemeinwesentreffpunkt des SOS-Kinderdorfs Saar in der Merziger Schalthaussiedlung sein 25-jähriges Bestehen gefeiert. Aus dem geplanten Jubiläumsfest wurde nichts. Aber dennoch zogen alle mit dem Projekt beteiligten Vertreter aufseiten des Trägers und der Stadt Merzig nun gegenüber der SZ eine Bilanz dessen, was in 25 Jahren Gemeinwesentreffpunkt alles geschehen ist.

Nicht zuletzt stand die Bilanz auch unter dem Eindruck eines Wechsels an der Spitze des SOS-Kinderdorfs: Nach 20 Jahren bei dem Träger, davon fast zehn an der Spitze, schied Joachim Selzer als Leiter der Einrichtung in Hilbringen zum 1. Februar dieses Jahres aus (die SZ berichtete). Für Merzigs Bürgermeister Marcus Hoffeld Anlass genug, Selzer für das vertrauensvolle und gute Miteinander zu danken: „Es war mir eine Ehre, mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, erklärte Hoffeld.

Selzer wiederum erläuterte, dass es die Schalthaussiedlung bereits viel länger gebe als den Gemeinwesentreffpunkt und dass auch schon vor 1996, als das SOS-Kinderdorf die Einrichtung begründet hatte, Ansätze gab, die Bewohner in diesem sozialen Brennpunkt sozialpädagogisch zu unterstützen: „Es gab schon in den 80er und 90er Jahren Strukturen der sozialen Begleitung in der Siedlung, damals noch ausgehend von der Kirchengemeinde.“ Im sogenannten Schalthausbüro war eine ehrenamtliche Kraft mit mehreren ehrenamtlichen Helfern tätig, es gab einen als Verein organisierten Siedlungsrat, in dem auch Bewohner der Siedlung mitwirkten, es wurde versucht, Freizeitaktivitäten für Kinder, eine Wärmestube oder einen offenen Treff zu installieren.

„Aber das stieß irgendwann an Grenzen“, sagte Selzer. Die soziale Situation in der Siedlung verschärfte sich, die Stadt beschloss, die Gemeinwesenarbeit in diesem Brennpunkt in die Hände eines Trägers zu legen. „Damals traten der damalige Landrat Linicus und der damalige Merziger Bürgermeister Anton mit diesem Anliegen an Ekkehard Facklam, seinerzeit Leiter des SOS-Kinderdorfs, heran“, erzählte Selzer. Facklam entwickelte dann gemeinsam mit dem städtischen Sozialarbeiter Bodo Strauch ein Rohkonzept für den Gemeinwesentreffpunkt, für den das SOS-Kinderdorf ab 1. Februar 1996 die Trägerschaft übernahm.

Das SOS-Kinderdorf richtete diesen in einem der Wohnblocks, unter der Adresse Am Schalthaus 2, ein. Zu der damaligen Motivation für diesen Schritt erklärte Joachim Selzer: „Wir sehen uns als Träger in der sozialpolitischen Verantwortung, insbesondere in der Region auch Aufgaben außerhalb unseres eigentlichen Tätigkeitsfeldes zu übernehmen.“ Wobei die Einrichtung in der Schalthaussiedlung schon eine Sonderstellung besaß, sagte Selzer: „Wir waren lange Zeit das einzige Gemeinwesenprojekt innerhalb des gesamten Kinderdorf-Vereins.“

Die Übernahme der Trägerschaft habe zu einer Professionalisierung der sozialpädagogischen Betreuung geführt, darin waren sich alle Beteiligten einig. Marcus Hoffeld: „Die Stadt hat eine Verwaltungsgesellschaft für die Schalthaussiedlung gegründet, die eng mit dem SOS-Kinderdorf kooperiert und vieles unternommen hat, um insbesondere das Wohnumfeld aufzubessern.“ Das zeige mittlerweile Früchte, findet der Rathauschef: „Heute spricht niemand mehr in der Stadt schlecht über die Siedlung, das war früher ganz anders.“ Es sei auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Menschen entstanden, die in den auf mehrere Straßen verteilten Wohnblocks leben. Das sei zum einen der wertvollen Arbeit des Teams vom SOS-Kinderdorf zu verdanken, zum anderen auch dem Umstand, dass sich die Bewohner selbst wieder intensiv eingebracht haben. Hoffeld hob hier besonders Adelheid Pauli hervor, die auch der Bewohnervertretung der Siedlung angehört.

Joachim Selzer wiederum lobte das Engagement der Stadt, die viel zu einer Verbesserung der Lebens- und Wohnverhältnisse in der Siedlung beigetragen habe. So wurden sukzessive zahlreiche Wohnblocks außen und innen saniert und besser ausgestattet. Auch eine neue Kita entstand unter Trägerschaft der Stadt. „Wenn die Stadt nicht ihren Beitrag geleistet hätte mit der Verbesserung der Wohnverhältnisse, dann hätten wir machen können, was wir wollen.“

Aber sie taten auch was, verdeutlichte Susanna Binz, Bereichsleiterin bei SOS-Kinderdorf: Mit einem mehrköpfigen Team (drei Vollzeitstellen, je hälftig finanziert vom SOS-Kinderdorf auf der einen sowie Stadt und Landkreis auf der anderen Seite) stellte das SOS-Kinderdorf in den vergangenen 25 Jahren vielfältige soziale Begleitangebote auf die Beine: Von montags bis freitags wird eine Schülerhilfe im Gemeinwesentreffpunkt angeboten. Es gibt Freizeit- und Ferienangebote für Kinder und Familien. Zweimal wöchentlich findet dort, sofern nicht eine Viruspandemie dem entgegensteht, ein Einwohnerfrühstück statt. Timo Wilhelm, seit 13 Jahren als Sozialarbeiter in der Siedlung im Einsatz, bietet regelmäßig eine Sozialberatung an. Susanna Binz: „Trotz Corona sind es weit über 200 Menschen, die regelmäßig unsere Angebote nutzen.“ Auch die Stadt bemüht sich um einen guten Draht in die Siedlung, erläuterte Heike Wagner vom Fachbereich Soziales im Merziger Rathaus: „Es gibt in der Regel einmal jährlich einen Runden Tisch mit der Einwohnervertretung, den Mitarbeitern des Gemeinwesentreffpunkts und Vertretern der Verwaltung.“ Dabei gehe es um aktuelle Probleme oder gemeinsame Projekte, die realisiert werden sollen – wie etwa im vergangenen Jahr die Errichtung von Hochbeeten, „eine tolle Aufwertung für die gesamte Siedlung“, fand Susanna Binz. Heike Wagner ergänzte: „Auch über diese fixen Treffen hinaus gibt es einen sehr kurzen Dienstweg zwischen Verwaltung und Gemeinwesentreffpunkt.“

 Am Schalthaus 2 ist die Adresse des Gemeinwesentreffpunkts.

Am Schalthaus 2 ist die Adresse des Gemeinwesentreffpunkts.

Foto: Christian Beckinger

So gelang binnen eines Vierteljahrhunderts, was vorher kaum jemand für möglich gehalten hätte: Aus dem einstigen Brennpunkt wurde ein ganz normaler Stadtteil. Joachim Selzer: „Das soziale Gefüge in der Siedlung ist mittlerweile so stabil, dass wir in den vergangenen Jahren schon daran gegangen sind, den Sozialraum zu öffnen, um neue Netzwerke und Kontakte zu knüpfen.“ So gebe es eine Kooperation mit der nahe gelegenen Grundschule St. Josef, auch in Richtung Waldstraße/Schinkenloch wolle man die Kontakte intensivieren.

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