Für ein gutes Brot stand er fast jede Nacht auf

Homburg · Der Goldene Meisterbrief ist etwas besonderes, denn er zeichnet Handwerker aus, die vor 50 Jahren ihre Prüfung abgelegt haben. Johannes Lindemann war 1964 der jüngste Bäckermeister seines Jahrgangs.

Als Johannes Lindemann mit 21 Jahren seine Meisterprüfung ablegte, war er der jüngste Bäckermeister seines Jahrgangs. Kein Wunder, denn er hatte bereits im Alter von 14 Jahren im väterlichen Betrieb in der Karlsbergstraße angefangen zu lernen. "Für mich war Bäcker der schönste Beruf der Welt", sagt er heute, anlässlich eines Besuchs in unserer Redaktion.

Denn er hat vor wenigen Tagen von der Handwerkskammer seinen Goldenen Meisterbrief bekommen: 50 Jahre ist es her, dass er nach einem halben Jahr in der Meisterschule in Saarbrücken endlich den begehrten Meisterbrief in den Händen halten konnte.

Das weiß Lindemann noch bis heute: "Ich stand nachts in der Bäckerei, vormittags habe ich mich dann ein bisschen hingelegt, aber mittags musste ich schon nach Saarbrücken aufbrechen, um die Meisterschule zu besuchen. Das war nicht einfach." Nicht, dass Johannes Lindemann ein Langschläfer gewesen wäre: "Ich stand während meines gesamten Berufslebens jede Nacht, außer sonntags, um ein Uhr auf." Die Lindemanns stammen eigentlich aus Zweibrücken, 1881 gründete der Urgroßvater in der Homburger Karlsbergstraße die Bäckerei und kaufte das Haus Nummer 7 dazu, in dem Johannes Lindemann immer noch wohnt. Er übernahm in vierter Generation die Bäckerei im Jahr 1973 von seinem Vater und betrieb sie bis zum 1. Januar 2007.

Was hat sich verändert in 50 Jahren Bäckerhandwerk? Johannes Lindemann muss nicht lange überlegen. "Als ich damals anfing, das war ja in den 60er Jahren, da hatten wir vier Sorten Brot , nach mehr haben die Leute nicht verlangt. Die Kunden waren nach den Kriegs- und Nachkriegsjahren froh, dass es überhaupt wieder qualitativ hochwertiges Roggenmisch- oder Weizenmischbrot gab. Als ich 2007 aufhörte, hatte ich rund 15 Sorten Brot im Sortiment. Die Kunden wollten mit den Jahren immer mehr Vielfalt."

Einer seiner Verkaufsrenner war das Leinsamenspezialbrot mit Kümmel, "das hat schon mein Vater gemacht." Dass er sich zur Ruhe gesetzt hat, hat er trotz Liebe zum Beruf nicht bereut: "Ich ging zu meiner aktiven Zeit immer nach der Tagesschau um 20.15 Uhr ins Bett, denn die Nacht war kurz." Auf diese Weise habe er so gut wie nie ein Fußballspiel im Fernsehen sehen können: "Das hole ich jetzt alles nach".

Auch mit "abends ausgehen" lief bei Lindemanns nichts; das sei manchmal schon schade gewesen, aber richtig gestört hat es den Bäckermeister nicht. Beim Nachwuchs im Bäckerhandwerk höre er heute andere Ansichten: "Es stört die jungen Leute, dass sie diese Arbeitszeiten haben. Kein Wunder, dass es wenig Nachwuchs gibt."

Mit dem Ergebnis, dass es kaum noch richtige Bäcker gebe, die ihren Sauerteig und auch sonst alles selbst machten, "heute werden Backmischungen zusammengeworfen, und damit hat sich's."

Wenn man auf 50 Jahre Handwerkskunst zurückblickt, was ist das Wesentliche? "Mir war wichtig, anständige Ware anzubieten, also ein gutes Brot , das den Leuten schmeckt. Man sollte alles so gut machen, wie man es selbst gerne hätte. Und das gilt nicht nur fürs Bäckerhandwerk."

In der Handwerkskammer des Saarlandes wurden insgesamt 55 Handwerksmeister mit dem Goldenen Meisterbrief geehrt, darunter sieben Bäcker. Außer Johannes Lindemann war auch Klaus Reichhart aus Waldmohr dabei, der in Homburg mehrere Bäckerei-Filialen betreibt.

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