"Die Erinnerung an den Terror wachhalten"

Saarbrücken. "Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen wir uns als einzelne Rufer in der Wüste", sagt Horst Bernard, Landesvorsitzender der VVN, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten Saar. Themen wie Wiedergutmachung, aufkommender Neonazismus oder Erinnerungsarbeit an den Nazi-Terror seien damals in der Öffentlichkeit nicht gerade auf offene Ohren gestoßen

Saarbrücken. "Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen wir uns als einzelne Rufer in der Wüste", sagt Horst Bernard, Landesvorsitzender der VVN, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten Saar. Themen wie Wiedergutmachung, aufkommender Neonazismus oder Erinnerungsarbeit an den Nazi-Terror seien damals in der Öffentlichkeit nicht gerade auf offene Ohren gestoßen. Dies habe sich erst im Verlauf der 80er Jahre geändert.

Die Situation der 4638 im Saarland lebenden Juden war nach der Machtergreifung Hitlers 1933 sehr gefährlich geworden. Bis 1940 konnte ein großer Teil emigrieren - es verblieben 140 Juden, die sich nicht mehr rechtzeitig hatten retten können. Im Zuge der "Endlösung der Judenfrage" wurden 1942 alle im Saarland verbliebenen 140 Juden im Konzentrationslager Auschwitz umgebracht.

Auch Horst Bernards Vater war jüdischer Abstammung, doch die Familie hatte Glück und konnte rechtzeitig 1935 ins benachbarte Frankreich fliehen, wo seine Eltern ab 1942 bis zum Kriegsende in einer Widerstandsgruppe gegen die Nationalsozialisten kämpften. Das Weltbild des heute 76-jährigen Bernard wurde durch die schlimmen Ereignisse im Zweiten Weltkrieg geprägt. Seit 1958 ist er beim VVN politisch aktiv.

Zu Anfang sei die VVN viel mit Fragen der Wiedergutmachung beschäftigt gewesen, jetzt gehe es vor allem um die Erinnerungsarbeit: "Wir organisieren Führungen an der Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm und zum KZ Struthof-Natzweiler für Schulklassen und für die Landeszentrale für politische Bildung, laden Autoren und Zeitzeugen ein, haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die auch weniger bekannte Persönlichkeiten des NS-Widerstandes ans Licht der Öffentlichkeit bringen und veranstalten Vorträge zu historischen Themen", erklärt Bernard die Aktivitäten des Vereins. Im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus veranstalteten Bernard und seine Mitstreiter anlässlich des 70. Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 Mahnwachen in Saarbrücken und Völklingen.

Die Gefahren eines Neonazismus schätzt der Landesvorsitzende relativ hoch ein: "Es gibt heute eine stärkere Entwicklung als noch in den 90er Jahren. Deshalb sehen wir unsere Aufgabe darin, aktiv gegen den Neonazismus und den Einfluss der rechtsextremen NPD zu kämpfen." Noch 2005 war die VVN - Bund der Antifaschisten selbst vom Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich eingestuft und beobachtet worden. Der Grund: In den Führungsebenen der VVN gab es landesweit Kommunisten, die generell als verfassungsfeindlich galten. "Mittlerweile ist die VVN im Verfassungsschutzbericht nicht mehr erwähnt", sagt Bernard.

Horst Bernard schaut hinsichtlich der Mitgliederzahl relativ optimistisch in die Zukunft: "Wenn es uns gelingt, die jetzige Anzahl von 120 zu stabilisieren, sind wir schon zufrieden", meint er. Wichtig sei es, junge Leute als Antifaschisten zu formen.

Auf einen Blick

 Die Gedenkstätte Neue Bremm ist ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an den Nazi-Terror (oben). Die VVN machte zum Gedenken an die Pogromnacht in Saarbrücken Musik mit Liedermacherin Gaby Klees. Links: VVN-Chef Horst Bernard. Fotos: SZ/ Maurer

Die Gedenkstätte Neue Bremm ist ein sichtbares Zeichen der Erinnerung an den Nazi-Terror (oben). Die VVN machte zum Gedenken an die Pogromnacht in Saarbrücken Musik mit Liedermacherin Gaby Klees. Links: VVN-Chef Horst Bernard. Fotos: SZ/ Maurer

Bereits 1946 bestanden im Saarland lokale Gruppen von Opfern des Faschismus. Die Gründung der VVN erfolgte in der Bundesrepublik 1947, im Saarland ein Jahr später. Bei der Gründung hatte die VVN Saar rund 1000 Mitglieder. Mittlerweile hat sich diese Zahl reduziert - derzeit sind es im Saarland rund 120 Mitglieder. Auf Bundesebene sind es mehrere tausend. Angesichts neuer rechtsextremer Tendenzen hat sich die VVN zum Bund der Antifaschisten erweitert. Die VVN - Bund der Antifaschisten Saar trifft sich eher unregelmäßig. Das Vereinsleben zeigt sich in Aktivitäten zu unterschiedlichen Anlässen wie zum Beispiel im Gedenken an den 70. Jahrestag der Reichspogromnacht 1938. eh

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