Das Paradies der Damen - und der Herren

Luxemburg · Von ersten kleinen Läden über die Konsumtempel namens Warenhaus bis hin zum Internetshopping rollt die Ausstellung „Shop Shop Shop“ in Luxemburg die Geschichte des Kaufens auf.

 Blick 1912 in die Grand Rue: Noch heute ist sie Luxemburgs Einkaufsmeile mit vielen Luxusläden und wenigen Traditionsgeschäften. Foto: Batty Fischer/Photothèque de la ville de Luxembourg

Blick 1912 in die Grand Rue: Noch heute ist sie Luxemburgs Einkaufsmeile mit vielen Luxusläden und wenigen Traditionsgeschäften. Foto: Batty Fischer/Photothèque de la ville de Luxembourg

Foto: Batty Fischer/Photothèque de la ville de Luxembourg
 Die Registrierkasse „Rekord“ aus den 30ern. Foto: MHVL

Die Registrierkasse „Rekord“ aus den 30ern. Foto: MHVL

Foto: MHVL

Früh übt sich, was ein guter Konsument sein soll: Das lehrt die neue Ausstellung "Shop Shop Shop" des Historischen Museums in Luxemburg gleich als Erstes. Acht Kaufmannsläden bilden das Entree, von der mit viel Tischlerliebe gefertigten "Spezerei-Handlung" aus dem Jahre 1880 bis zum heutigen Bio-Laden für Öko-Kids zeigen sie, wie der Kapitalismus schon im Kindergarten kräftig mitspielt. Auf dass bereits die Jüngsten verinnerlichen, was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält: Kaufen und Verkaufen eben.

Die Luxemburger Museumsmacher schaffen es da seit Jahren in ihren Ausstellungen über die historische Rückschau hinaus, aktuelle Phänomene ins Visier zu nehmen. Und das kleine Großherzogtum nicht nur als Sonderfall zu beleuchten, sondern beispielhaft zu zeigen, was auch für die Länder drumherum gilt.

Geshoppt wird erstaunlich lange schon. Bereits um 1900 nistete sich "shoppen" im deutschsprachigen Raum ein. Wohl auch, weil man einen neuen Begriff dafür brauchte, dass es nicht mehr nur ums Tauschen - Ware gegen Geld - ging. Vor über 200 Jahren noch waren die meisten Menschen Selbstversorger. Man kaufte nur, was man selbst nicht herstellen konnte. Erst dank industrieller Massenfertigung gab es plötzlich Waren im Überfluss: Man kaufte nun auch, was man nicht nötig brauchte, shoppte zum Vergnügen.

Regelrecht ausgestellt (wie Museumsstücke) wurden Waren aber erst im 19. Jahrhundert. Von 1880 an setzten sich Schaufenster durch. Vorher war es auch unmöglich, derart große Glasflächen herzustellen. Und Baumeister wie Victor Horta und Alfred Messel errichteten dem Konsum in Metropolen wie Paris, Brüssel und Berlin Tempel: Kaufhäuser, die architektonisch so kühn und kunstvoll waren, dass man den ganzen Tag darin verweilen mochte. Nach Luxemburg kam dieser Trend zwar erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber noch heute kann man in der Grand Rue, nach wie vor Luxemburgs schickste Einkaufsmeile, sehen, wie prachtvoll man damals kaufen ging.

Das Kaufhaus übrigens half den Frauen auch einen kleinen Schritt auf dem steinigen Weg der Emanzipation voran. Waren Kaufhäuser doch Orte, wo bürgerliche Damen unbegleitet, sprich unbeaufsichtigt von ihren Männern, unterwegs sein durften.

Prompt machte man die Frauen auch für das Negative verantwortlich: Ladendiebstahl galt als typisch weiblich. Die Frau sei eben zu schwach, den glitzernden Verlockungen der Warenwelt zu widerstehen. Das wird einem in der Ausstellung filmreif vorgeführt. Ein kleines Kino ist Teil der Schau und zeigt etwa Julien Duviviers Verfilmung von Emile Zolas sozialkritischem Roman "Das Paradies der Damen".

Klar lässt man auch die Kassen klingen - diverse Modelle spielen das Lieblingslied des Kaufmanns. Solche Inszenierungen sind die große Stärke dieser Shopping-Schau, die aber nicht in der guten alten Einkaufszeit Halt macht. Der Niedergang des Einzelhandels, die überdimensionierten Einkaufsmärkte auf der grünen Wiese, all das ist auch Thema. Genauso wie die heutige Konkurrenz im Internet. Die Ausstellung drückt sich auch nicht um Konsumkritik. Kirchen und diverse Initiativen machten seit den 1970ern mobil gegen Konsum im Übermaß und postkoloniale Ausbeutung vieler Länder.

Doch es ist fast schon kurios zu sehen, wie gute Gesinnung hier museumsreif ausgestellt wird, die "Jute statt Plastic"-Tasche liegt gleich einem kostbaren Schaustück unter Glas. Und so bleibt dieses Kapitel wie die künstlerische Reflexion des Konsums letztlich doch eine Randnotiz. Mehr davon wäre mitten in einem der reichsten Länder Europas, im Herzen der Konsumgemeinschaft EU, wohl auch zu viel gewesen.

Musée d'histoire: 14, rue du saint-esprit, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr

mhvl.lu

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