„Das Mobbing ist gnadenloser geworden“

Homburg · Es begann 2003 zunächst als Modellprojekt, inzwischen sind Schoolworker nicht mehr aus dem Schulalltag wegzudenken. In dieser Zeit habe sich durch das Internet vor allem das Mobbing verschärft.

 In der Zirkusgruppe lernen die Schüler neben Akrobatik auch einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Foto: Thorsten Wolf

In der Zirkusgruppe lernen die Schüler neben Akrobatik auch einen rücksichtsvollen Umgang miteinander. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Ob Krach mit der großen Liebe, Mobbing in der Klasse oder Essstörungen und Suizidgedanken - für die kleinen und großen Sorgen der Schüler an der Gemeinschaftsschule II in Homburg hat Simone Hoffmann stets ein offenes Ohr. Wenn die Schoolworkerin zwei Mal in der Woche ihre Sprechstunde anbietet, warten die Schüler schon vor ihrer Tür. Sie wissen, dass das Gesagte vertraulich behandelt wird.

Als das Projekt Schoolworker vor zehn Jahren im Saarland zunächst mit 20 Mitarbeitern als Modellprojekt an einigen weiterführenden Schulen startete, war der Psychologe Ernst Heltmann bereits mit dabei. "Die Schulen und wir wussten zunächst nicht, was sie von uns erwarten sollen, und auch wir wussten zunächst nicht, wie wir unser Angebot umsetzen können und ob es angenommen wird", erinnert er sich. Schnell sei klar gewesen, dass die Schoolworker für die Lehrer eine große Unterstützung seien, sagt Schulleiterin Sabine Bleyer: "Heute sagen wir, wir bräuchten noch viel mehr Schoolworker."

Schülern falle es leichter, mit Schoolworkern über Probleme zu reden. Und auch zu den Eltern haben sie einen einfacheren Zugang: "Schule wird von den Eltern häufig als System gesehen, mit dem sie selbst Probleme hatten", sagt Heltmann.

Die Trennung der Eltern, Streit mit der besten Freundin oder Schulangst - die Nöte der Schüler sind vielfältig. Nicht immer lassen sich die Probleme mit aufmunternden Worten und einem Taschentuch lösen. "Wir können Probleme in der Familie nicht lösen, aber den Kindern helfen, etwas besser damit umzugehen", sagt Simone Geib-Walter vom Jugendamt des Saarpfalz-Kreises, bei dem die Schoolworker angestellt sind. "Schoolworker sind für alle Kinder da, nicht nur die benachteiligten", stellt sie klar. Stoßen Schoolworker an ihre Grenzen, stehen sie in Kontakt mit Beratungsstellen und Angeboten der Jugendhilfe. Einen großen Raum nimmt die Prävention ein. Simone Hoffmann hat hierfür eine Zirkusgruppe gegründet, bei der die Kinder gemeinsam akrobatische Kunststücke einstudieren. "Sie helfen sich gegenseitig und lernen, aufeinander Acht zu geben, ohne dass man es ihnen extra sagen muss." Oft holen sich die Schoolworker auch Kooperationspartner von außen - etwa vom Roten Kreuz, das Streitschlichter-Training anbietet.

Seit 2009 gibt es im Saarland auch Schoolworker an den Grundschulen. "Kinder in dem Alter haben oft noch nicht gelernt, Konflikte zu schlichten, da wird auf dem Schulhof viel geschimpft", weiß Schoolworkerin Anja Weber.

In den zehn Jahren hat sich viel in Schule und Gesellschaft verändert, das Internet hat an Bedeutung gewonnen. "Das Mobbing ist dadurch dynamischer und gnadenloser geworden", hat Geib-Walter beobachtet. Auch Essstörungen würden darüber gefördert. "Da gibt es Foren, in denen sich Betroffene austauschen, was sie noch alles versuchen können, um abzunehmen."

Auch nach der Schulzeit reißt der Kontakt zu den Schülern nicht ab. "Wir bekommen Anfragen von ehemaligen Schülern, die sich teils Jahre später bei uns melden, wenn sie ein Problem haben", sagt Geib-Walter, "Sie erinnern sich, dass wir ihnen schon einmal geholfen haben."

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Auf einen BlickIm Saarland gibt es 85 Schoolworker an 200 Schulen: an 111 Grundschulen, an 20 Gymnasien, an 52 Gemeinschaftsschulen und 17 Förderschulen Lernen. Je nach Landkreis sind sie entweder beim Kreisjugendamt beschäftigt oder bei freien Trägern, etwa der Awo, der Caritas oder dem Sozialwerk Saar Mosel angestellt. Land und Kreise teilen sich die Personalkosten für die Schoolworker hälftig. 2013 sind im Landeshaushalt 1,6 Millionen Euro für die Schoolworker eingestellt. ukl

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