Bergleute fühlen sich betrogen

Forbach · Hat der Steinkohle-Konzern Charbonnages de France giftige Stoffe beim Abbau eingesetzt und ist Schuld an Krebserkrankungen von Mitarbeitern? Das glauben ehemalige Bergleute und klagen vor dem Forbacher Arbeitsgericht. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück.

 Ein Sessellift transportiert einen Bergmann in der Grube La Houve in Creutzwald unter Tage. 2004 wurde das Bergwerk stillgelegt. Foto: hbl

Ein Sessellift transportiert einen Bergmann in der Grube La Houve in Creutzwald unter Tage. 2004 wurde das Bergwerk stillgelegt. Foto: hbl

Foto: hbl

30 Jahre seines Lebens hat René Guldner als Bergmann gearbeitet. Man merkt, dass es dem 58-jährigen Lothringer unangenehm ist, heute über seine Gesundheit zu sprechen. Guldner hat Hautkrebs. Er und hunderte seiner ehemaligen Kollegen glauben, dass sie ihr ehemaliger Arbeitgeber, der Steinkohle-Konzern Charbonnages de France, nicht ausreichend über die Gesundheitsrisiken ihrer Arbeit aufgeklärt hat. Guldner war Anfang Februar 2015 einer der ersten von insgesamt bis zu 860 ehemaligen Bergleuten aus dem lothringischen Kohlebecken, die nach und nach in einem Prozess vor dem Forbacher Arbeitsgericht angehört werden. Die klagenden Ex-Bergarbeiter haben jahrelang in Gruben gearbeitet, etwa in Forbach , Creutzwald und Merlebach. "Jahrelang hat man uns verschwiegen, dass wir krebserregende Produkte verwendet haben", schimpft Guldner gegenüber der SZ. Mindestens sechs seiner ehemaligen Kollegen seien an Krebs gestorben. Wegen seines eigenen Hautkrebses im Anfangsstadium sei auch er in Behandlung. Sein Chirurg habe ihn mit dem Satz begrüßt: "Sie haben im Bergwerk gearbeitet."

In der Klageschrift der Betroffenen steht es noch etwas ausführlicher. Jahrelang seien die Arbeiter "täglich zahlreichen krebserregenden Stoffen" ausgesetzt gewesen, insbesondere Asbest, Kieselsäure und anderen Substanzen, die unter anderem in bei der Arbeit verwendeten Ölen, Brennstoffen und Teeren enthalten gewesen sein sollen. Dies sei verantwortlich für "die Senkung der Lebenserwartung" der Arbeiter, so die Anklage weiter. Damit habe der Konzern gegen die Fürsorgepflicht als Arbeitgeber verstoßen. Insbesondere habe dieser seine Mitarbeiter "einer Gefahr ausgesetzt, ohne die notwendigen Schutzmaßnahmen zu ergreifen". Die Sammelklage fordert, für jeden der 860 klagenden Bergleute eine Entschädigung von 30 000 Euro zu zahlen.

Der ehemalige Arbeitgeber der Bergleute, die Firma Houillères du Bassin de Lorraine (HBL), wurde im Jahr 2000 zunächst von der Charbonnages de France (CDF) übernommen. Seit deren Insolvenz im Jahr 2008 wird die CDF von einer Pariser Anwaltskanzlei vertreten. Sprecher ist der letzte CDF-Chef und heutige Unternehmens-Abwickler Daniel Cadoux. Dieser weist gegenüber der SZ die Klage "kategorisch" als "Unterstellungen" zurück. Ohnehin würden "99 Prozent der anderen Bergleute" die Klage nicht mittragen. Charbonnages de France habe als staatliches Unternehmen die "Sicherheit seiner Arbeitnehmer in das Zentrum seiner Politik" gestellt. Das Niveau von Mitarbeiter-Information und -Schutz sei "weit über den gesetzlichen Vorschriften" gewesen. Krebserkrankungen seien ein "natürliches Phänomen", das in der "gesamten Bevölkerung" auftrete. Den Tod einiger Bergleute bedauere er. Doch auch dies sei bei einem Durchschnittsalter der Anklagenden von 65 Jahren "normal". Die von den Bergleuten kritisierte "Umwälzung ihrer Lebensumstände" sei erfunden. Cadoux möchte sich am 19. Februar in Forbach erstmals öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Frühestens im Oktober soll eine Entscheidung fallen.

Vorigen Freitag konnte die Gewerkschaft CFDT, die in Forbach die meisten Bergleute vertritt, einen ersten Erfolg verbuchen. In einem vergleichbaren Prozess beim Arbeitsgericht in Longwy (Moselle) wurden zehn Bergleuten einer Eisenmine in erster Instanz jeweils 4500 Euro Schadenersatz durch ihren früheren Arbeitgeber zugesprochen. CFDT-Sprecher François Dosso zeigte sich zuversichtlich: "Diese Entscheidung wird den Prozess in Forbach positiv beeinflussen."

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