"Vollnarkose ist sicherer geworden"

Der Weltanästhesietag soll an die erste Demonstration der Äthernarkose am 16. Oktober 1846 in Boston erinnern. Wie muss man sich die Schmerzbehandlung bei Operationen in der Zeit davor vorstellen?Franz Bayerl: Das wurde zum Teil mit Morphin, mit Opiaten versucht

Der Weltanästhesietag soll an die erste Demonstration der Äthernarkose am 16. Oktober 1846 in Boston erinnern. Wie muss man sich die Schmerzbehandlung bei Operationen in der Zeit davor vorstellen?Franz Bayerl: Das wurde zum Teil mit Morphin, mit Opiaten versucht. Schmerzbehandlung war allerdings nicht immer vorhanden, dann wurden Operationen im Wachzustand gemacht und der Patient festgehalten. Die Patienten waren nicht so im Schlaf und abgeschirmt wie heute.

Muss man von Lachgas eigentlich wirklich lachen? Und wird das überhaupt noch eingesetzt?

Bayerl: So wie es heute eingesetzt wird, sieht man keine Patienten lachen. Es wird überhaupt weniger eingesetzt, wir hier benutzen es gar nicht mehr. Lachgas alleine hat keine ausreichende Narkosewirkung. Man müsste es dann so hoch dosieren, dass der Sauerstoffanteil zu niedrig wäre. Es hat die Narkosen als Trägergas unterstützt - gemeinsam mit anderen Narkosemitteln.

Viele haben Angst insbesondere vor einer Vollnarkose, weil sie befürchten, nicht wieder aufzuwachen. Wie gefährlich ist eine Vollnarkose heute?

Bayerl: Sie ist weit, weit sicherer geworden als früher. Die Risiken sind extrem gering durch die modernen Möglichkeiten, die moderne Überwachung wie Sauerstoffmessung über einen Fingerclip per Infrarot, sogenannte Pulsoximetrie, sowie EKG und viele andere Verfahren. Es ist natürlich trotzdem verständlich, dass ein Patient Angst vor der Narkose hat, aber man kann ihn durchaus beruhigen. Man sollte eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Dazu dient auch das Praemedikationsgespräch.

Was muss ich vor einer Narkose beachten?

Bayerl: Der Patient muss nüchtern bleiben. Eine kleine Mahlzeit kann er noch sechs Stunden vorher zu sich nehmen. Oder auch ein Glas Milch trinken. Bis zwei Stunden vor der OP kann er klare Flüssigkeiten wie Wasser, Kaffee oder Tee zu sich nehmen. Früher war die Nüchternheitsphase deutlich länger angesetzt, weil man Angst hatte, dass Mageninhalt in die Bronchien gerät. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass sechs Stunden ausreichen. Außerdem sollte der Patient am Tag der Operation nicht mehr rauchen. Frauen sollten sich abschminken und wenigstens einen Fingernagel freimachen vom Nagellack, weil sonst unter Umständen die Messung der Sauerstoffversorgung über diesen Fingerclip gestört sein kann. Schmuck, Brillen, Kontaktlinsen und Prothesen sollten abgelegt werden.

Warum sollen sich Frauen abschminken?

Bayerl: Damit der Narkosearzt Veränderungen in der Gesichtsfarbe erkennen kann.

Welche Narkoseverfahren werden heute angeboten?

Bayerl: Zum einen gibt es verschiedene Methoden der Regionalanästhesie. Zum anderen verschiedene Narkoseformen. Das kann eine Maskennarkose sein oder eine Intubationsnarkose mit einem Schlauch, der in Narkose in den Kehlkopf eingeführt wird. Im ambulanten Bereich werden häufig auch intravenöse Anästhesien angeboten. Das heißt, dass die Narkosemittel nicht inhaliert, sondern in die Vene gegeben werden. Der Anästhesist bemüht sich gemeinsam mit dem Patienten, die für ihn richtige Narkose zu finden. Einem Patienten, der sehr ängstlich ist und möglichst nichts mitbekommen will, wird man eine Vollnarkose empfehlen. Jemand anders, dem das nichts ausmacht und der wenigstens die Kontrolle über sein Bewusstsein behalten will, kann man auch eine regionale Anästhesie empfehlen.

Angenommen, Sie sind bei einer längeren Operation im Einsatz: Was machen Sie, wenn Sie den Patienten narkotisiert haben? Haben Sie dann noch mehr zu tun, als die Werte des Patienten im Auge zu behalten? Wird einem da nicht irgendwann langweilig?

Bayerl: Nein, auch in ruhigeren Zeiten der Anästhesie muss der Anästhesist seine Aufmerksamkeit behalten. Zum einen natürlich die Werte - das sogenannte Monitoring. Sie müssen außerdem den Operationsverlauf verfolgen und kurzfristig je nach Operationsverlauf reagieren. Zum Beispiel die Relaxierung, die Muskelentspannung im Bauchbereich, nachjustieren, wenn Medikamente in ihrer Wirkung wieder nachlassen. Oder schauen, ob größere Blutverluste auftreten, die dann durch den Anästhesisten ausgeglichen werden sollen. So gesehen sollte die Anästhesie auch bei einer längeren Operation nicht langweilig werden.

Foto: nardini-klinikum

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