17 Jungfüchse in Tierauffangstation Tierart in Maßweiler Jungtiere retten – aber richtig

Maßweiler · 17 Jungfüchse werden aktuell in der Tierauffangstation Tierart aufgezogen. Sie alle waren wirklich in einer Notlage, ebenso wie Eichhörnchen-Kinder und ein Marderbaby. Manchmal handeln überbesorgte Tierfreunde jedoch vorschnell. Biologin Eva Lindenschmidt gibt Tipps im Umgang mit Jungtieren in Wildnis oder im Garten.

 Tierpflegerin Jessica Ankner kümmert sich in der Tierauffangstation Tierart um die Jungfüchse, ohne sie zu sehr an Menschenhand zu gewöhnen.

Tierpflegerin Jessica Ankner kümmert sich in der Tierauffangstation Tierart um die Jungfüchse, ohne sie zu sehr an Menschenhand zu gewöhnen.

Foto: Cordula von Waldow

Jill und Sahib, die beiden Tiger, dösen in der Sonne und schauen tiefenentspannt der fressenden Schafherde vor ihrem Gehege zu. „Das ist für sie wie ein Couchabend am Fernsehen“, lächelt Eva Lindenschmidt, stellvertretende Betriebsleiterin der Tierauffangstation Tierart bei Maßweiler.

In der Fuchs-Kinderstube hingegen geht es rund. 17 quicklebendige Welpen purzeln kunterbunt durcheinander, erkunden neugierig ihre Umgebung mit Innen- und Außengehege und rangeln sich. Immer wieder winseln oder fiepen die rund sechs Wochen jungen Fuchskinder jämmerlich nach ihrer Mutter. Im Rudel sozialisieren sie sich gegenseitig und bereiten sich spielerisch auf einen Leben in Freiheit vor. „Es ist ein bisschen eng. Auf so viele Jungfüchse gleichzeitig sind wir gar nicht eingestellt“, entschuldigt Tierpflegerin Jessica Ankner mit Blick auf die putzmuntere Schar.

Kamen in der Vergangenheit die jungen Fuchswaisen oder verletzte Jungfüchse eher nacheinander, sind diesmal gleich mehrere Würfe vollständig hilfsbedürftig. Allein vier Geschwister wurden neben ihrer toten Mutter aufgefunden, ein Einzel-Welpe lief sogar einer Spaziergängerin um Hilfe jammernd hinterher, obwohl sie einen Hund bei sich führte. „Alle Menschen haben korrekt gehandelt. Jedes Mal waren die Tiere tatsächlich in Not“, erklärt die Tierart-Biologin. Ein Mann stellte sogar eine Wildtierkamera auf, als er die Fuchswelpen in seinem Garten bemerkte, doch keine Mutter erschien.

Verletzte, schwache oder noch jüngere Tiere werden von den Tierpflegern rund um die Uhr betreut, nachts auch bei sich zu Hause. Auch das Info-Telefon ist an sieben Tagen rund um die Uhr besetzt, damit notleidenden Tieren sofort geholfen oder überbesorgte Menschen vor eventuell fatalen Kurzschlusshandlungen bewahrt werden können. Eva Lindenschmidt erinnert: „Wir können zwar verletzten, kranken, geschwächten oder verwaisten Tierkindern helfen, aber eine Aufzucht durch die Mutter ist und bleibt am besten.“

Eichhörnchen-Babies, noch ohne Fell und mit geschlossenen Augen, müssten an kalten Abenden unter Umständen gesichert werden, damit sie nicht erfrieren. Tagsüber sei eher Abwarten angesagt, denn die Mutter könnte begonnen haben, ihre Kinder in einen Notkobel zu tragen, wenn die Hauptwohnung zerstört sei. Jessica Ankner weiß: „Das geht nur einzeln nacheinander.“

Die kompetenten Wildtierpfleger erhalten Anrufe nicht nur aus ganz Deutschland, von Schleswig-Holstein bis München, sondern mittlerweile sogar aus dem Ausland. Die Tiere allerdings kommen eher aus der Region, aktuell neben den Fuchsbabys und einigen Eichhörnchen-Kindern auch ein Marderbaby. Ziel bei allen Wildtieren ist es, sie wieder in die Freiheit zu entlassen. Können die Jungfüchse alleine fressen, kommen sie mit etwa acht Wochen ins große, naturnahe Außengehege, um wieder scheu zu werden. Hier lernen sie von selbst, sich vor den Menschen zu verstecken. Bei handzahmen Tieren, die sich während längerer Pflege- und Genesungszeit an die Zweibeiner gewöhnt haben, könne dies auch länger dauern als bis zum Spätsommer.

In Rücksprache mit den Jägern, die sich für Füchse nicht interessieren, werden sie dann in deren Reviere entlassen. „Das ist fernab von Ortschaften“, beschreibt Eva Lindenschmidt. Sie wundert sich, wie viele Vorurteile von der Tollwutgefahr (2008 ausgestorben) bis hin zu dem dreisten Gänsedieb über die nützlichen Füchse noch existierten. „Sie ernähren sich fast ausschließlich von Mäusen und Regenwürmern. Als Aasfresser sind sie die Gesundheitspolizei des Waldes.“

Durch die Pandemie und ihre Folgen sei nicht nur die Aufklärungsarbeit von Tierart bei Besuchergruppen oder in Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen zum Erliegen gekommen. Auch das Spendenvolumen sei, im Gegensatz zum Aufwand, eingebrochen.

Dennoch investiert das Team vor Ort, etwa in große Infotafeln zu Tierschutzthemen des Trägervereins „Vier Pfoten“ wie Pelze, Tiertransporte, Wildtierhandel oder eine im Aufbau befindliche Ausstellung „Wildtiere im Zirkus“.

Ein besonderes Highlight und damit ein besonderer Besuchermagnet ist die bundesweit einmalige Ausstellung „Tiere im Krieg“ im ehemaligen Militärbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Um künftig zusätzlich Zielgruppen aus einem weiteren Umkreis zu erreichen, ist bei Tierart eine neue Stelle für Tourismus und Marketing ausgeschrieben. Aktuell wird für das gewachsene Team mit zwei Biologen, einer Bürokraft, sechs Tierpflegern, einer Auszubildenden, Technikern und Reinigungskräften sowie zahlreichen Aushilfskräften ein Bürogebäude mit Sozialräumen angebaut.

Weniger schnell geht es durch die Corona-Bremse mit dem neuen Gehege für Puma Tikam. „Wir pflanzen noch Bäume und die Inneneinrichtung ist noch nicht fertig“, hofft Eva Lindenschmidt mit einem halben Jahr Verzögerung auf diesen Sommer als Umzugstermin.

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