Zweibrücker Spurzem für Ironman-WM qualifiziert Mit schlaflosen Nächten zur Hawaii-Quali

Zweibrücken · Ein Schnitt im Fuß, ein Schlagloch beim Radfahren, ein spannender Dialog mit dem eigenen Körper beim Laufen – und doch empfand Oliver Spurzem den Ironman in Frankfurt, seine insgesamt 14. Langdistanz, als ein „eigentlich perfektes Rennen“. Das nach einer kleinen Wartezeit in der fünften Quali für die WM auf Hawaii mündete. Für 2021 ist die allerdings erneut abgesagt.

 2019 – vor der Pandemie – lief der Zweibrücker Oliver Spurzem letztmals in Kona über die Ziellinie.

2019 – vor der Pandemie – lief der Zweibrücker Oliver Spurzem letztmals in Kona über die Ziellinie.

Foto: Spurzem

Eine anstrengende Woche liegt hinter Oliver Spurzem. Nicht nur für den Körper, sondern vor allem auch für den Kopf. Schon vor der Ironman-EM in Frankfurt begann bei dem Zweibrücker Triathleten nachts das Gedankenkarussell: Was ist bei der immer noch problematischen Corona-Lage mit den Slots für Hawaii? Was machen, wenn man sich qualifiziert – verzichten oder annehmen? Wie sieht es mit der Einreise aus? Welche Mehrkosten kämen auf die Athleten zu? Wie sicher wäre eine Teilnahme?

Doch bevor all diese Fragen überhaupt beantwortet werden mussten, lagen zunächst noch 231 lange, kräftezehrende Kilometer (3,86 km Schwimmen, 185 km Rad, 42,195 km Laufen) in der Mainmetropole vor dem Zweibrücker. Und auch diese erste Langdistanz seit knapp zwei Jahren war nicht nur für den Körper eine Herausforderung. Qualen jedoch, die sich am Ende wieder einmal gelohnt haben. In der Altersklasse M 40 bis 44 landete Spurzem auf dem 18. Platz, insgesamt auf Rang 95 (wir berichteten kurz). Die 3,86 Kilometer Schwimmen (57:33 min), die 185 auf dem Rad (5:19 std) sowie den abschließenden Marathon über 42,195 Kilometer (3:11 std) absolvierte der 44-Jährige in 9:36,37 Stunden. Wenn er sich auch ein paar Minuten weniger auf der Uhr, ein paar Plätze weiter vorne erhofft hätte, so „muss ich nach der Gesamtanalyse sagen, dass das Rennen eigentlich perfekt gelaufen ist“. Spurzem habe sich die ganze Zeit gut gefühlt, beim Schwimmen schon. „Da hatte ich Lieder im Kopf.“ Und er habe so oft wie noch nie in einem Ironman gelacht. „Ich hatte an diesem Tag einfach ein ganz positives Gefühl, ich hatte Spaß“, denkt der ehrgeizige Athlet, dass er das in der langen Zeit ohne Rennen gelernt hat. Und diesen Spaß verderben ließ er sich auch nicht von einem Schnitt im Fuß nach dem Schwimmen, einem Missgeschick auf dem Rad oder einem bösen Teufelchen, das ihn zeitweise auf der Laufstrecke begleitete.

Trotz der Verzögerung des Starts ist Spurzem gut in die Langdistanz reingekommen. „Ich bin wieder unter einer Stunde geschwommen“, zeigte er sich mit den 57:33 Minuten zufrieden. Dass er sich – wohl an Muscheln oder Glas beim Schwimmausstieg – den Fuß aufgeschnitten hatte, merkte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Erst auf dem Rad habe er gespürt, dass etwas pikst. „Im Fahren habe ich nochmal den Schuh ausgezogen und mir über den Fuß gewischt, weil ich dachte, da ist Sand oder irgendwas.“ Abends habe er dann den Schnitt entdeckt. Doch dieser sollte nicht das einzige Problem auf der um fünf Kilometer verlängerten Radstrecke bleiben. „Es war ja nicht die gewohnte Strecke“, erzählt Spurzem, der für diese etwas mehr Zeit benötigte als erhofft. „Ich habe mich in der Taktik etwas vertan. Ich bin die Wattwerte gefahren, die ich auf der alten Strecke leisten musste, um die angestrebte Zeit zu erreichen.“ Das habe für den geänderten Kurs aber nicht gereicht. „Weil da mehr Berge drin waren, das war ein ganz unrhythmisches Fahren.“ Und dann hat es den 44-Jährigen auf der zweiten Runde, etwa bei Kilometer 120, noch richtig erwischt. „Ich bin durch ein Schlagloch gefahren und es hat mir den Lenker nach unten geklappt“, erklärt Spurzem, dass er die restliche Strecke nicht mehr in der richtigen Position sitzend absolvieren konnte. „Da merkst du schon bei jeder kleinsten Abweichung, dass es mehr auf den Rücken geht, auf die Schultern.“ Plötzlich habe er dann auch realisiert, dass es auf dem Rad etwas länger wird als erwartet. „Die Verpflegungs-Gelflasche wurde so langsam leer“, erklärt er, dass diese auf fünf Stunden ausgelegt gewesen war. 5:19 Stunden brauchte Spurzem letztendlich für die 185 Kilometer. „Aber ich hatte eine konstante Leistung, ich hatte nur einen Abfall von einem Watt, was eigentlich echt für ein gutes Radfahren spricht.“ Im Wechselzelt habe er dann einen Selbsttest durch den Körper laufen lassen, um zu sehen, wie schlimm es mit den Verspannungen war. Er dehnte beim Anziehen der Schuhe den Rücken – und startete dann mit großer Wut auf das Schlagloch im Bauch auf die Laufstrecke.

Für Frankfurt-Verhältnisse sei er durch diese richtig gut durchgekommen. Und doch tauchte in der dritten von vier Runden „ein ganz böses Teufelchen“ auf. „Da hatte ich mal wieder böse Zwiegespräche mit meinem Körper, der mich fragte: ‚Warum tust du mir das an?‘“, erzählt der Zweibrücker von dem zwischenzeitlichen „mentalen Loch“. Diese Phase sei „nicht so toll“ gewesen. Im letzten Rennabschnitt habe der Körper aber nochmal zugelegt. „Da musste ich nochmal drücken, dieses Rumeiern konnte so einfach nicht weitergehen“, erklärt Spurzem mit einem Lachen, dass er schließlich auch noch ein paar Altersklassengegner vor sich hatte, die er einkriegen wollte. „Ein paar habe ich noch abgeschüttelt.“ Als 18. der M40 bis 44 überquerte er schließlich mit einem Freudensprung die Ziellinie. Obwohl Spurzem stets einen Platz unter den Top Ten anpeilt, „bin ich absolut zufrieden“. Spätestens nach dem Radfahren sei einfach klar gewesen, dass an diesem Tag nicht mehr drin ist. Nach dem Schwimmen war Spurzem als Zwölfter aus dem Wasser gestiegen. „Dann haben mich viele, viele Radfahrer überholt.“ Als 52. seiner Klasse ist er abgestiegen. „Dafür bin ich aber den siebtschnellsten Marathon gelaufen“, erklärt der Zweibrücker, dass er schon immer eher ein Schwimm- und Lauftyp gewesen sei.

„Wenn du die fünf Kilometer vom Radfahren abziehst und die alte Strecke nimmst, wäre es womöglich sogar eine Bestzeit gewesen“, ist er sich sicher, dass er die bisher stehenden 9:14 Stunden hätte knacken können. Wichtiger als die Zeit sei für Oliver Spurzem in dem Rennen ohnehin aber gewesen, zu sehen, dass er nichts verlernt hat. „Es hat alles funktioniert.“ Das Tapering, das Kühlen, die Ernährung. „Das Rennen an sich hat funktioniert. Ich habe keine Einbrüche gehabt“, erklärt er und fügt an: „Und nach zwei Jahren Abstinenz war es echt mal wieder schön, eine Langdistanz machen zu können“, zu merken, dass der Körper das noch drauf hat. „Zu sehen, dass ich die vergangenen zwei Jahre nicht falsch trainiert habe“. Denn der Körper vergesse mit der Zeit einfach ein paar Sachen. „Wenn du jährlich zwei Ironmans machst, dann weiß der das schon alles ein bisschen besser, dann kann man auch mit diesem Schweinehund auf der Laufstrecke viel besser umgehen, weil er viel mehr beansprucht und trainiert wird.“ In einer normalen Saison. „In Frankfurt war das im Kopf-Oli-Gespräch dann schon mal ein bisschen härter“, sagt Spurzem, der seine letzte Langdistanz 2019 auf Hawaii absolviert hatte.

Auf der Quali für den legendären Ironman auf der Pazifikinsel – Spurzems fünfte – lag auch in diesem Jahr wieder der Fokus. „Ich könnte mich hier nicht an die Startlinie stellen, wenn nicht die Weltmeisterschaft das erreichbare Ziel wäre – einfach finishen, das kann ich nicht“, sagt der ehrgeizige Sportler.

Und tatsächlich hat der Zweibrücker die Qualifikation in seinem insgesamt 14. Langdistanz-Rennen einmal mehr gemeistert. Wie er nach ein paar Tagen endlos erscheinender Wartezeit nach Frankfurt per E-Mail vom Veranstalter Ironman mitgeteilt bekam. Doch die Umstände der Corona-Pandemie haben die Entscheidung, ob er den Startplatz annehmen soll, nicht leicht gemacht. Unabhängig von den erschwerten Einreisebedingungen, den Corona-Regularien, der schwierigen Unterkunftssuche seien die Coronazahlen in Kona gerade wieder „absolut problematisch“. „Das alles trägt nicht gerade zu einem guten Karma bei“, erklärt Spurzem, dass er ungern in ein Hochrisikogebiet fliegen würde. Mit dem Blick auf die eigene Gesundheit und die der Inselbewohner. Hawaii kämpft derzeit mit einer neuen Infektionswelle. Laut „Trinews“ berichteten lokale Medien des US-Bundesstaates bereits am Mittwoch von einer möglichen Verschiebung des für 9. Oktober geplanten Ironmans auf Februar 2022. Der amtierende Gouverneur Mitch Roth wurde mit den Worten zitiert: „Die Wahrscheinlichkeit einer Austragung der Ironman World Championship im Oktober ist sehr, sehr gering.” Am Donnerstag berichtete die Website der Zeitschrift „triathlon“ dann von der Absage. Bereits 2021 war der legendärste Triathlon der Welt ausgefallen.

Mit der Aussicht, seinen fünften Ironman-Start somit auf das kommende Jahr schieben zu können, hatte Spurzem den Startplatz nach schlaflosen Nächten letztendlich angenommen. Die Verschiebung sieht er als vernünftigste Lösung. Auch seinen für Ende Oktober geplanten Start beim Ironman in Sacramento/Kalifornien hat Spurzem verlegt – auf 2022. „Dann fliegst du vielleicht auch mit einem besseren Gefühl da hin“, bekommt das Gedankenkarussell jetzt erst einmal wieder eine kleine Verschnaufpause.

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