Euphorie auch im Kleinen nutzen

Was für ein Sportwochenende, was für eine Euphorie. Rund um Angelique Kerber , rund um die deutschen Handballer. Und das völlig zurecht. War ich am Samstagmorgen schon nah dran, gemeinsam mit Kerber Tränen zu vergießen nach ihrem grandiosen Auftritt im Finale der Australien-Open gegen Serena Williams , so kam man als Zuschauer, ob sportbegeistert oder nicht, aus dem Staunen am Sonntag nicht mehr heraus.

Immer wieder musste ich mir die Augen reiben, um zu glauben, in welcher Manier die Handball-Nationalmannschaft um Trainer Dagur Sigurdsson - nach ihrem ohnehin traumhaften EM-Turnier - im Finale die Spanier niederrang. Die Bilder der jubelnden neuen goldenen Handball-Generation rufen bei mir aber nicht nur riesige Begeisterung über die Leistungen auf dem Feld hervor, sondern auch Erinnerungen an den letzten großen Erfolg: den WM-Titel von 2007. Gerade den Studienabschluss in der Tasche sorgten die deutschen Handballer um Henning Fritz, Johannes Bitter , Pascal "Pommes" Hens, Markus Baur, Mimi Kraus, den heutigen Teammanager Oliver Roggisch und den ehemaligen Niederwürzbacher Spieler Christian Schwarzer für eines der schönsten Erlebnisse meiner Kölner Zeit. Bilder kommen hoch aus der aus allen Nähten platzenden Köln-Arena. Wie "Blacky" Schwarzer Trainer Heiner Brand nach dem Finalsieg gegen Polen auf Händen trug, mit goldener Krone auf dem Kopf und Heiner-Brand-Schnauzer über der Lippe: Und obwohl ich dieses Mal "nur" zu den über 13 Millionen Fernsehzuschauern gehöre, nicht live vor Ort bin, wird klar: In nichts steht die unbekümmerte Truppe um Torwart Andreas Wolff und Siebenmeterkönig Tobias Reichmann der vorangegangenen goldenen Generation nach. Im Spiel auf dem Feld schon gar nicht.

Und betrachte ich die Fotos der feiernden Spieler einen Tag später, so reichen die sichtbaren Spuren einer wilden Nacht ebenfalls an die der vorangegangenen Handball-Könige heran. Sie können mithalten mit Bitter, der einen Tag nach dem WM-Triumph 2007 mit dicker schwarzer Sonnenbrille auf der Nase auf dem Balkon des alten Rathauses in Köln - beinahe über das Geländer stürzend - die Hymne der Höhner "Wenn nicht jetzt, wann dann" schmetterte.

Diese große Euphorie sollte nicht nur die großen deutschen Vereine beschwingen. Auch ins Kleine kann sie übertragen werden, sich in den Sporthallen der Region widerspiegeln. In der Handball-Hochburg Zweibrücken allemal. Clubs dürfen, ausgelöst durch den EM-Titel, auf Nachwuchs-Zustrom hoffen. Für diesen sollten sich die Vereine, wenn hier auch schon viel für die Jugend getan wird, bereithalten, um sie dann auch binden zu können.

Auf verstärktes Interesse dürfen auch Tennisvereine hoffen. Nach Jahrzehnten ohne große deutsche Erfolge könnte Angelique Kerbers Triumph von Melbourne - und damit dem ersten Grand-Slam-Erfolg einer deutsche Spielerin nach Steffi Graf 1999 - Begeisterung für ihren Sport auslösen. Obwohl es schwieriger werden dürfte als in den 80er und 90er Jahren mit Boris Becker , Michael Stich und Steffi Graf . Dennoch müssen Tennisvereine genau jetzt aktiv werden. Clubs wie der TC Weiß-Blau Zweibrücken, dessen Verantwortlichen vor der vergangenen Runde im Merkur-Interview im Zuge der Abmeldung ihrer ersten Mannschaft aus der Verbandsliga betonten, wie viel getan werden muss, um die Kleinen für den Tennissport zu begeistern. Jetzt bietet sich eine Chance, die sich Vereine nicht entgehen lassen dürfen. Denn wer weiß schon, wie viel Zeit bis zum nächsten Triumph vergeht.

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