Porträt Von Web-Videos zu leben ist harte Arbeit

Saarbrücken · Jacqueline Oberhauser hat mit viel Geduld als Influencerin Fuß gefasst. Ein Zuckerschlecken ist das nicht.

 Jacqueline Oberhauser aus Saarbrücken macht mit ihren Internet-Beiträgen Karriere. 

Jacqueline Oberhauser aus Saarbrücken macht mit ihren Internet-Beiträgen Karriere. 

Foto: Iris Maria Maurer

Den Zahlen nach ging es ganz schnell: Vor erst drei Jahren, im Januar 2016, lud Jacqueline Oberhauser ihr erstes selbstgemachtes Video auf die Plattform Youtube hoch und wartete auf Klicks. Die blieben aber erst mal aus.

50 Leute haben sich das Filmchen über ihren Alltag als Familienmama angesehen. Mehr nicht. Drei Jahre später ist sie die größte Influencerin im Saarland, wie sie selbst sagt. 55 000 Abonennten hat sie, das kann man im Internet nachlesen. Stellt sie ein neues Video online, haben es innerhalb der ersten 24 Stunden schon 30 000 Leute gesehen.

Hinter diesem Status, der ihre Telefonnummer in die Kontaktlisten etlicher Firmen bugsiert hat, steckt aber harte Arbeit. „Mein Beruf ist wie ein Eisberg, bei dem man nur sieht, was oben rausguckt. Aber das meiste liegt unsichtbar darunter“, sagt sie. Um ihre Videos interessant zu machen, muss sie langfristig planen, recherchieren und all das Drumherum. Sonntag zum Beispiel ist bei ihr immer ein Arbeitstag. Denn ihr Publikum rechnet sonntags mit einem neuen Video, eines von zweien in der Woche, das sie vorher lange produziert hat und jetzt ins Netz stellt. Dann muss sie es über sämtliche Plattformen wie Instagram bewerben, die Kommentare abwarten und beantworten. Da gehen ein paar Stunden drauf. Aber die 27-Jährige genießt es. Denn der Anfang war desillusionierend. Kaum was kam zurück, finanziell schon gar nicht. Ein Jahr lang ging das so. „Man muss einen sehr langen Atem haben, sonst schaffst du es nicht“, sagt sie.

Sie hat es geschafft – mit viel Biss, Geschäftssinn und dem Gespür für die richtigen Themen im richtigen Moment. Als „JackieLina“ wird sie sogar auf der Straße erkannt. Sie hat eine Stimme, die bei ihren vielen Fans, vor allem Frauen bis 35 Jahre, nachklingt, was sie für Konzerne interessant macht. Und deswegen kann sie inzwischen davon leben – über platzierte Werbung und die Klicks, die Google bezahlt.

Mit ihrem Mann David Oberhauser, einem studierten Filmwissenschaftler, hat sie sich mit der Film- und Videoproduktionsfirma „Im Bilde“ auf den Saarterrassen selbstständig gemacht. Die Videos wirken sehr professionell – David wirft im Hintergrund seine ganze Energie in das Projekt „JackieLina“, das längst zu einer Marke geworden ist.

Vor wenigen Tagen war seine Frau auf Einladung von Youtube in London. Nächste Woche geht es zum Treffen mit einem Unternehmen nach Hamburg. Täglich melden sich bis zu zehn Firmen, die das Paar für sich gewinnen wollen. Vieles schlagen die Oberhausers aus und begründen das mit „Verantwortung gegenüber den Zuschauern“: Lust auf irgendwelche Abnehmpillen zu machen zum Beispiel. Das spricht schließlich auch gegen ihre Botschaft, wie sie sagen.

Und damit sind wir beim Inhalt der Videos. In einem sitzen Jacqueline und David vor der Kamera und gönnen sich eine Packung Sushi aus dem Supermarkt. Es gehört in die Reihe, in der beide Essen testen und darüber philosophieren. Diese Reihe ist dazu da, dem Publikum Spaß zu machen. Wichtiger sind Jacqueline die Filme, in denen sie Leuten zeigen möchte, wie man positiv mit sich selbst umgeht. Eine positive Wahrnehmung des eigenen Körpers. Akzeptiert euch, so wie ihr seid. Das kennt sie selbst: „Ich habe zwei Kinder geboren, dadurch 20 Kilo dazubekommen. Da muss man schon wieder zu sich selbst finden.“ Ihr Steckenpferd ist die Video-Reihe „Klein & Kurvig“, in der sie Mut macht und Modetipps gibt. Dazu hat sie im Dezember sogar eine kleine Modelinie herausgebracht, die sie in ihrem eigenen Online-Shop vertreibt.

Es läuft also. Aber ein Zuckerschlecken ist das Influencerleben auch neben der vielen Arbeit nicht, wobei Jacqueline Oberhauser den Begriff sowieso nicht mag: „Ich will ja keine Leute beeinflussen, sondern inspirieren.“ Außerdem werde „Influencer“ auch meist so verstanden: kurz mal ein Filmchen drehen und dann in den Euroscheinen baden. Sie und ihr Mann sind Medienschaffende, wie sie sagen, und das hat seine Schattenseiten: ständig kritisiert werden, Hasskommentare, der ewige Erfolgsdruck, magere Zeiten und die unsichere Zukunft im World Wide Web.

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