Ein Abend mit Gewinnern und Verlierern

Die Schlange der Gratulanten in der Saarbrücker Congresshalle war lang. Die Sieger einer zeitweise turbulenten Veranstaltung mussten viele Hände schütteln. Der ehemalige Fanbeauftragte Meiko Palm und der Versicherungsfachmann Joachim Klein wurden am späten Montagabend um kurz vor 23 Uhr von der Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken in den Aufsichtsrat des Vereins gewählt. "Ich bin erleichtert, dass viele Leute für das gestimmt haben, wofür ich eintrete. Ich sehe mich als Vertreter aller Mitglieder. Ich will versuchen, die Meinung der Menschen im Stadion für den Aufsichtsrat zu übersetzen", sagte der 35-jährige Palm, der 372 von 656 möglichen Stimmen auf sich vereinigen konnte: "Ich werde versuchen, einen Arbeitskreis für eine neue Satzung aufzubauen. Das ist mein Steckenpferd." Palm galt vor der Wahl als Favorit, weil er sich über die Jahre als kritische Stimme etabliert hat, Klein dagegen hatte kaum jemand auf der Rechnung. Der ehemalige American Footballer überzeugte aber mit seiner launigen und doch sachlichen Vorstellung, bekam 344 Stimmen. "Ich habe vor 20 Jahren ehrenamtlich als Praktikant auf der FCS-Geschäftsstelle mitgearbeitet. Das Thema hat mich nie losgelassen", sagte der 48-jährige ehemalige Präsident und jetzt Aufsichtsrats-Chef der Saarland Hurricanes: "Ich kann Verein. Als Aufsichtsrat führt man Aufsicht und berät das Präsidium. Es gilt, hier eine Einigkeit reinzubekommen. Der Fokus muss wieder auf dem Sport liegen." Ein weiterer Gewinner des Abends wurde nicht gewählt. Aufsichtsratsmitglied und Ex-Präsident Horst Hinschberger fand bei seiner emotional-lauten Wortmeldung aber genau den richtigen Ton, als die Versammlung zu eskalieren drohte. "Das ist nicht das Klima, mit dem man Aufstiege schaffen kann", mahnte Hinschberger sowohl die Anhänger von Präsident Hartmut Ostermann als auch die der Oppositionsgruppe "Unser FC" zu einer sachlich-konstruktiven Diskussion: "Sponsoren sind scheue Rehe. Sie laufen nicht dahin, wo Krawall ist." Auch Ostermann selbst machte am Montagabend eine gute Figur. "Wir haben den Aufstieg im Sommer knapp verpasst. Auch andere Vereine haben nach der Enttäuschung in der Relegation ihre Probleme", sagte der Präsident zur sportlichen Lage. Er nannte die Gespräche mit der Opposition "durchaus konstruktiv" und zeigte sich offen für Kritik und einen Klimawandel im Verein: "So wie es jetzt ist, kann man es nicht weiter laufen lassen." In Sachen künftiger Spielstätte gab es wenig Erhellendes. Der Ludwigspark stehe wegen der Umbaumaßnahmen nicht zur Verfügung, in Pirmasens müsse man ein Sicherheitskonzept erarbeiten. Elversberg habe zugesichert, "bis Ende Februar die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen", sagte Ostermann, der - ebenso wie Schatzmeister Dieter Weller, Michael Haubrich und Volker Morsch - seine Kandidatur für einen der beiden offenen Aufsichtsratsposten kurzfristig zurückgezogen hatte und damit weiter als Präsident wirken wird. Mit Buh-Rufen am Rednerpult "begrüßt", aber mehrheitlich mit Applaus verabschiedet wurde Vizepräsident Florian Kern. Er präsentierte die neue Image-Kampagne "Stell dir vor . . .", mit der der Verein Sympathien zurückgewinnen möchte. Zugleich kündigte er für den Start der Restrunde im Februar einen neuen Internetauftritt des FCS an. Den Respekt und die Wertschätzung der gesamten FCS-Familie scheint derzeit aber nur Werner Cartarius genießen zu dürfen. Die Versammlungsleitung des Ehrenratsvorsitzenden ist mittlerweile Kult. Seine ehrliche Liebe zum Verein verbindet über alle Gräben hinweg. Der 81-jährige Cartarius erhielt stehende Ovationen. Doch es gab an diesem Montag auch Verlierer. Aufsichtsrats-Bewerber Peter Bilsdorfer kam nicht über 261 Stimmen hinaus. Für Dieter Quack gab es mit 59 Stimmen eine schallende Ohrfeige. "Unser FC"-Kandidat Jean-Olivier Boghossian fiel mit 220 Stimmen durch. Phasenweise verkaufte sich Boghossian gut, insbesondere bei der Darstellung des Abhängigkeits-Verhältnisses FCS und Hartmut Ostermann . Bei der Diskussion um die Finanzen verschreckte der Anwalt jedoch viele mit einem nicht nachvollziehbarem "Juristen-Chinesisch". Auch dass er in seinem "Schattenkabinett" mit Salvo Pitino einen Schatzmeister vorgesehen hatte, der wegen Inverkehrbringens von Falschgeld verurteilt wurde, sorgte für Aufruhr. Die letzten Chancen verspielte Boghossian, als er Kenntnisse im leistungsorientierten Jugendfußball vorgab, die nicht der Wirklichkeit entsprechen ("Die SV Elversberg und der FC Homburg haben uns abgehängt"). Und noch ein "Unser FC"-Vertreter verursachte Kopfschütteln. Aufsichtsrat Claude Burgard wurde zunächst vom Präsidenten gemaßregelt, die Stimmung im Saal mit Zwischenrufen nicht weiter anzuheizen. Danach verlor der Versicherungsmakler , der schon wegen seiner juristisch grenzwertigen Telefon-Abhöraktion in der sogenannten Pinigate-Affäre für Negativschlagzeilen gesorgt hatte, kurzzeitig gänzlich die Kontrolle. Selbst Burgard-Befürworter sprachen von einem "für einen Mandatsträger unanständigen Benehmen". Ob nun wie erhofft Ruhe einkehren wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Vieles hängt am Erfolg der ersten Mannschaft von Trainer Falko Götz , die die Versammlung ebenfalls verfolgte. Da 2016 der Aufsichtsrat komplett neu gewählt wird und Hischberger sowie Aufsichtsrats-Chef Franz J. Abel erklärten, nicht mehr zur Verfügung zu stehen, wird um die Ausrichtung des Vereins weiter lebhaft diskutiert. MeinungDas kommende Jahr entscheidet

 Mehr als 700 Mitglieder des FCS kamen am Montagabend zur Mitgliederversammlung in die Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Schlichter

Mehr als 700 Mitglieder des FCS kamen am Montagabend zur Mitgliederversammlung in die Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Schlichter

Die Schlange der Gratulanten in der Saarbrücker Congresshalle war lang. Die Sieger einer zeitweise turbulenten Veranstaltung mussten viele Hände schütteln. Der ehemalige Fanbeauftragte Meiko Palm und der Versicherungsfachmann Joachim Klein wurden am späten Montagabend um kurz vor 23 Uhr von der Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken in den Aufsichtsrat des Vereins gewählt.

"Ich bin erleichtert, dass viele Leute für das gestimmt haben, wofür ich eintrete. Ich sehe mich als Vertreter aller Mitglieder. Ich will versuchen, die Meinung der Menschen im Stadion für den Aufsichtsrat zu übersetzen", sagte der 35-jährige Palm, der 372 von 656 möglichen Stimmen auf sich vereinigen konnte: "Ich werde versuchen, einen Arbeitskreis für eine neue Satzung aufzubauen. Das ist mein Steckenpferd."

Palm galt vor der Wahl als Favorit, weil er sich über die Jahre als kritische Stimme etabliert hat, Klein dagegen hatte kaum jemand auf der Rechnung. Der ehemalige American Footballer überzeugte aber mit seiner launigen und doch sachlichen Vorstellung, bekam 344 Stimmen. "Ich habe vor 20 Jahren ehrenamtlich als Praktikant auf der FCS-Geschäftsstelle mitgearbeitet. Das Thema hat mich nie losgelassen", sagte der 48-jährige ehemalige Präsident und jetzt Aufsichtsrats-Chef der Saarland Hurricanes: "Ich kann Verein. Als Aufsichtsrat führt man Aufsicht und berät das Präsidium. Es gilt, hier eine Einigkeit reinzubekommen. Der Fokus muss wieder auf dem Sport liegen."

Ein weiterer Gewinner des Abends wurde nicht gewählt. Aufsichtsratsmitglied und Ex-Präsident Horst Hinschberger fand bei seiner emotional-lauten Wortmeldung aber genau den richtigen Ton, als die Versammlung zu eskalieren drohte. "Das ist nicht das Klima, mit dem man Aufstiege schaffen kann", mahnte Hinschberger sowohl die Anhänger von Präsident Hartmut Ostermann als auch die der Oppositionsgruppe "Unser FC" zu einer sachlich-konstruktiven Diskussion: "Sponsoren sind scheue Rehe. Sie laufen nicht dahin, wo Krawall ist."

Auch Ostermann selbst machte am Montagabend eine gute Figur. "Wir haben den Aufstieg im Sommer knapp verpasst. Auch andere Vereine haben nach der Enttäuschung in der Relegation ihre Probleme", sagte der Präsident zur sportlichen Lage. Er nannte die Gespräche mit der Opposition "durchaus konstruktiv" und zeigte sich offen für Kritik und einen Klimawandel im Verein: "So wie es jetzt ist, kann man es nicht weiter laufen lassen."

In Sachen künftiger Spielstätte gab es wenig Erhellendes. Der Ludwigspark stehe wegen der Umbaumaßnahmen nicht zur Verfügung, in Pirmasens müsse man ein Sicherheitskonzept erarbeiten. Elversberg habe zugesichert, "bis Ende Februar die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen", sagte Ostermann, der - ebenso wie Schatzmeister Dieter Weller, Michael Haubrich und Volker Morsch - seine Kandidatur für einen der beiden offenen Aufsichtsratsposten kurzfristig zurückgezogen hatte und damit weiter als Präsident wirken wird.

Mit Buh-Rufen am Rednerpult "begrüßt", aber mehrheitlich mit Applaus verabschiedet wurde Vizepräsident Florian Kern. Er präsentierte die neue Image-Kampagne "Stell dir vor . . .", mit der der Verein Sympathien zurückgewinnen möchte. Zugleich kündigte er für den Start der Restrunde im Februar einen neuen Internetauftritt des FCS an. Den Respekt und die Wertschätzung der gesamten FCS-Familie scheint derzeit aber nur Werner Cartarius genießen zu dürfen. Die Versammlungsleitung des Ehrenratsvorsitzenden ist mittlerweile Kult. Seine ehrliche Liebe zum Verein verbindet über alle Gräben hinweg. Der 81-jährige Cartarius erhielt stehende Ovationen.

Doch es gab an diesem Montag auch Verlierer. Aufsichtsrats-Bewerber Peter Bilsdorfer kam nicht über 261 Stimmen hinaus. Für Dieter Quack gab es mit 59 Stimmen eine schallende Ohrfeige. "Unser FC"-Kandidat Jean-Olivier Boghossian fiel mit 220 Stimmen durch. Phasenweise verkaufte sich Boghossian gut, insbesondere bei der Darstellung des Abhängigkeits-Verhältnisses FCS und Hartmut Ostermann . Bei der Diskussion um die Finanzen verschreckte der Anwalt jedoch viele mit einem nicht nachvollziehbarem "Juristen-Chinesisch". Auch dass er in seinem "Schattenkabinett" mit Salvo Pitino einen Schatzmeister vorgesehen hatte, der wegen Inverkehrbringens von Falschgeld verurteilt wurde, sorgte für Aufruhr. Die letzten Chancen verspielte Boghossian, als er Kenntnisse im leistungsorientierten Jugendfußball vorgab, die nicht der Wirklichkeit entsprechen ("Die SV Elversberg und der FC Homburg haben uns abgehängt").

Und noch ein "Unser FC"-Vertreter verursachte Kopfschütteln. Aufsichtsrat Claude Burgard wurde zunächst vom Präsidenten gemaßregelt, die Stimmung im Saal mit Zwischenrufen nicht weiter anzuheizen. Danach verlor der Versicherungsmakler , der schon wegen seiner juristisch grenzwertigen Telefon-Abhöraktion in der sogenannten Pinigate-Affäre für Negativschlagzeilen gesorgt hatte, kurzzeitig gänzlich die Kontrolle. Selbst Burgard-Befürworter sprachen von einem "für einen Mandatsträger unanständigen Benehmen".

Ob nun wie erhofft Ruhe einkehren wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Vieles hängt am Erfolg der ersten Mannschaft von Trainer Falko Götz , die die Versammlung ebenfalls verfolgte. Da 2016 der Aufsichtsrat komplett neu gewählt wird und Hischberger sowie Aufsichtsrats-Chef Franz J. Abel erklärten, nicht mehr zur Verfügung zu stehen, wird um die Ausrichtung des Vereins weiter lebhaft diskutiert.

MeinungDas kommende Jahr entscheidet

 Gewinner: Meiko Palm.

Gewinner: Meiko Palm.

 Gewinner: Joachim Klein.

Gewinner: Joachim Klein.

Von SZ-Redakteur Michael Kipp

Die Mitglieder lieben ihren 1. FC Saarbrücken , keine Frage. 700 kamen am Montag in die Congresshalle zur Mitgliederversammlung. Das ist verrückt viel. Dabei ging es auf den ersten Blick nur um die Ergänzungswahl von zwei Aufsichtsräten. Auf den zweiten ging es um das Selbstverständnis des Vereins. Um seine Einigkeit, um seine Abhängigkeit von einem Sponsor. Um seine Zukunft. Der eine Teil will die Vereinsführung um Hauptsponsor Hartmut Ostermann nicht mehr sehen. Der andere hält ihm nach 20 Jahren weiter die Treue.

Ständig gab es Provokationen. Mal vom Podium, mal aus dem Auditorium. Und es gab Menschen, die sich provozieren ließen. Der Verein scheint geteilt, daran ändert auch nichts, dass mit Meiko Palm ein bekennender Kritiker in den Rat gewählt wurde. Entscheidend wird eh das kommende Jahr sein. Dann soll der Rat in Gänze neu gewählt werden. Der bestimmt wiederum das Präsidium. Mit oder ohne Ostermann? Der Wahlkampf hat am Montag begonnen. Die Zersetztung des Vereins läuft hingegen bereits seit Monaten auf Hochtouren.

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